Auf einem sorgfältig inszenierten digitalen Kongress verehrte die DP sich selbst. Jetzt will die Partei ihr Wahlprogramm für 2023 ausarbeiten

Der Höhepunkt des Jahres

d'Lëtzebuerger Land du 30.04.2021

Gesundheit Während die CSV sich am Samstag in Junglinster traf, wo die parteinahe Krankenhausstiftung Fondation Hôpitaux Robert Schuman mit dem CSV-DP-Schöffenrat den Bau eines umstrittenen privaten medizinischen Zentrums plant, hielt die DP am Montagabend ihren Natio-nalkongress im Hesperinger Mehrzweckzentrum Celo (Culture, Entertainment, Leisure, Office) ab, in dem jener Radiologe seine Praxis hat, der (mutmaßlich im Auftrag des Baumagnaten Flavio Becca) vor dem Verfassungsgericht erstritt, dass Ärzt/innen entgegen der Anordnung des Gesundheitsministeriums Computer- (CT-Scanner) und Kernspintomografen (IRM) für ihre Privatpraxen anschaffen dürfen. Trotz dieser insbesondere in Pandemiezeiten augenscheinlichen Symbolik, spricht sich die CSV in ihrem Positionspapier zwar nicht gegen eine Privatisierung des Gesundheitssystems, dafür aber gegen eine Zweiklassenmedizin aus. Die DP hütete sich am Montag wie gewohnt davor, zu heiklen Fragen klar öffentlich Stellung zu beziehen; ihre Ost-Deputierte und gesundheitspolitische Sprecherin Carole Hartmann aus Echternach möchte lediglich die medizinische Versorgung im ländlichen Raum verbessern und dezentrale Strukturen schaffen.

Die DP weiß, was die Öffentlichkeit hören will und was nicht. Schlagwörter wie Solidarität und Transparenz entsprechen dem Zeitgeist und kommen gut an. Doch wohl in keiner anderen Partei liegen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander wie bei den Liberalen. Der laut Generalsekretär Claude Lamberty mit zahlreichen Höhepunkten gespickte DP-Kongress am Montag war alles andere als transparent. Ein Kassenbericht wurde nicht vorgelegt (er wurde dem Land auf Anfrage nachgereicht), die Kandidat/innen für das Comité directeur und die Regionalkomitees durften sich nicht vorstellen, abgestimmt hatten die offiziellen Angaben zufolge rund 600 Kongressteilnehmer/innen schon in der Vorwoche. Ob es nun alleine an der Zeit und an der Technik lag oder ob andere Ursachen ausschlaggebend waren, die DP ist weit weniger „innovativ, demokratisch und hauptsächlich interaktiv“, als Lamberty es am Montagabend glauben machen wollte. Seine Aussage, der zweistündige Kongress sei der Höhepunkt des Jahres, wo viel diskutiert werde und viele Informationen ausgetauscht würden, war wohl eher ironisch gemeint. Außer einem 14-minütigen Q&A, bei dem vier ausgesuchte Parteimitglieder (nicht zu kritische) Fragen an Premierminister Xavier Bettel und Parteipräsidentin Corinne Cahen stellen durften (immerhin mehr als bei der CSV), doch nur wenig aufschlussreiche und mit Plattitüden geschmückte Antworten bekamen, wurde sich auf dem DP-Kongress überhaupt nicht ausgetauscht und schon gar nicht diskutiert.

Studio Anders als bei der CSV am Samstag war bei der DP nicht einmal Publikum erlaubt. Die Presse musste im Foyer des Celo Platz nehmen und den Kongress an einem Fernsehbildschirm verfolgen, während Bettel, Cahen und Lamberty sich in das nach der früheren CSV-Bürgermeisterin Marie-Térèse Gantenbein benannte, leere Auditorium zurückzogen, wo die DP ein professionelles Fernsehstudio eingerichtet hatte, um die Monologe der Parteipräsidentin und des Premierministers und Einspieler, in denen JDL-Mitglieder sich im Skatepark der Stadt Luxemburg für eine Senkung des Wahlalters, die Einführung des elektronischen Votums, kostenlose Menstruationsartikel und nachhaltige Investitionen des Pensionsfonds einsetzen, über Youtube, DP-Webseite und Facebook in die Welt zu senden. Der digitale Austausch zwischen den Amtsträger/innen Xavier, Corinne, Pierre (Gramegna), Carole (Hartmann) und den neuen Mitgliedern hatte offenbar schon im Laufe des Jahres stattgefunden. Neue Mitglieder habe es 2020 viele gegeben (wie viele genau wurde verschwiegen), die Meetings seien schnell ausgebucht gewesen, sagte Lamberty, der den großen Zusammenhalt der Partei lobte. „Während manche genug mit sich selbst beschäftigt waren, sich gegenseitig nicht mehr aus dem Weg kamen und nur noch mit negativer Energie aufeinander losgingen, haben wir als DP Verantwortung für die Leute und für das Land übernommen“, meinte der Generalsekretär wohl an die Adresse der CSV, vergaß dabei jedoch zu erwähnen, dass die DP mit der Mobbing-Affäre um die EU-Abgeordnete Monica Semedo und ihrem anschließenden Parteiaustritt vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls vor allem mit sich selbst beschäftigt war (vgl. d‘Land vom 29.1.2021).

Auch Parteipräsidentin Corinne Cahen überging dieses insbesondere für sie selbst wenig ruhmreiche Kapitel Parteigeschichte geflissentlich und wandte sich lieber dem Coronavirus und der Regierungsarbeit zu. Sie lobte ihre eigene Arbeit und die der anderen DP-Minister, die anschließend in einem mit melodramatischer Musik unterlegten hollywoodreifen Einspieler als Helden und Macher gefeiert wurden, die in der Coronakrise das Ruder übernommen und Luxemburg vor der Krise gerettet haben. Zuvor hatte Cahen angekündigt, dass die DP schon jetzt damit beginnen wolle, ihr Wahlprogramm für 2023 in Workshops auszuarbeiten, um Luxemburg in eine idyllische Zukunft zu führen, in der die Natur erhalten bleibt, die Städte und Dörfer sich gut entwickeln und jedes Kind die gleichen Chancen hat.

Kapitän Das Schlusswort hatte der „Kapitän“, der „uns die Richtung vorgibt“. Leicht nach vorne gebeugt, sich mit den Ellenbogen auf das Rednerpult stützend, gestand ein melancholischer Xavier Bettel der Kamera leise und seufzend, er vermisse es, seine Parteikollegen zu umarmen, um im nächsten Moment mit ernster Miene zu behaupten, manche Menschen seien der Meinung gewesen, es habe nie eine Krise gegeben, und auf dieser Grundlage die Impfpolitik, die Teststrategie und die Freiheitsbeschränkungen der Regierung energisch und entschlossen gegen die Vorwürfe der CSV-Opposition zu verteidigen, als hielte er eine politische Rede in der Abgeordnetenkammer. Vor allem seine Familienministerin Corinne Cahen nahm Bettel vor den verbalen „populistischen“ Angriffen des CSV-Abgeordneten Michel Wolter in Schutz, ohne aber auf die Untersuchung einzugehen, die die Regierung wegen der vielen Todesfälle in manchen Alten- und Pflegeheimen auf Druck des Parlaments einleiten musste. Während die Kameras Cahen bei ihrer Ansprache vor allem aus der halbnahen Normalperspektive und der Schrägsicht gefilmt hatten und im Hintergrund gelegentlich eine Wand aus Zoom-Teilnehmer/innen eingeblendet wurde, um zu demonstrieren, dass sie geschlossen hinter ihrer Präsidentin stehen, wechselte der Regisseur bei Bettel gelegentlich den Blick, zeigte ihn meist von vorne, aus Perspektive der Zuschauer/innen, manchmal aber auch von hinten, aus der Sicht des Sprechenden, wie er sich an die Zoom-Teilnehmer/innen adressierte, die nun nicht mehr wie noch bei Cahen im Hintergrund, sondern im Publikum „saßen“, und suggerierte damit, dass Bettel mit den Zuschauer/innen im Dialog stehe.

Journal Abgesehen von dieser medialen Show, die nicht nur die Chancen, sondern auch die Gefahren der digitalen Verbreitung politischer Propaganda durch teils überproduzierte Einspieler, teils sorgfältig inszenierte Live-Aufnahmen noch einmal veranschaulichte, wurden auf dem DP-Kongress aber auch einige konkrete Entscheidungen (wenn auch nicht getroffen, so doch) verkündet. Die Escher Gemeinderätin Daliah Scholl löst Max Hahn als neue Präsidentin des Regionalkomitees Süden ab, die Abgeordnete Carole Hartmann bleibt Vorsitzende im Bezirk Osten. Anne Daems (Norden), Carmen Friden (Osten), Jeffrey Drui (Süden) und Stéphanie Goerens (Norden) wurden in den Comité directeur gewählt. Mit großer Mehrheit (90,3 Prozent) hatten die Mitglieder sich in der Vorwoche dafür entschieden, den Paragrafen „Les membres sont invités à s’informer au ‚Lëtzebuerger Journal‘, organe officiel du parti, et à souscrire un abonnement; l’accès à l’information leur sera également facilité par les médias électroniques“ aus den Parteistatuten zu streichen, damit das digitale Journal, das kürzlich seinen Hauptsitz offiziell von der Place de Strasbourg in die neuen Coworking-Spaces an der Place de la Gare verlegt hat, den Ruf einer Parteizeitung ablegen kann. Diese statutarische Trennung soll aber nicht verschleiern, dass über 63 Prozent der Anteile an den Editions Lëtzebuerger Journal S.A. der Asbl. Centre Eugène Schaus gehören, deren Vorstand sich ausschließlich aus DP-Mitgliedern zusammensetzt.

Luc Laboulle
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