Hebdomadaire politique,
économique et culturel indépendant
leitartikel
My Bubble
Sarah Pepin
Es ist zum ungläubigen Augenreiben. Die nationale Fluglinie Luxair schreibt einige Tage vor einem Abflug: „Say goodbye to shared armrests and unwanted conversation and say hello to Extra Seat Blocker – the best way to get more personal space in the sky.“ Auf Anfrage des Land erklärt Luxair, das Programm Extra Seat Blocker sei vor mehreren Jahren eingeführt worden, um „mehr Privatsphäre und Raum“ zu schaffen und so eine „entspanntere Reise“ anzubieten. Mit einem Klick kann man sich den Nachbarsitz ersteigern, Kostenpunkt zwischen 35 und 45 Euro. Die Fluggesellschaft folgt einem Trend, der sich während der Pandemie etabliert hat: Fiji Airlines etwa wirbt mit „My Bubble Seat“. Das ist einerseits eine – Achtung, elender Begriff – Win-Win-Situation, denn die Airline kann mehr Geld herausschlagen und ihren Kund/innen gleichzeitig noch mehr „Komfort“ bieten. Die Wortwahl zeugt andererseits von einer besorgniserregenden Tendenz: Für immer mehr Menschen stellt eine Begrüßung, ein kurzer Satz oder ein Gespräch mit einer fremden Person offenbar eine Zumutung dar, ja, man will meinen: eine Grenzüberschreitung der übelsten Sorte. Man scrollte doch gerade gemütlich durch Tiktok!
Auch Kinder stellen vermehrt eine Zumutung für die Gesellschaft dar, wie die stetige Häufung von „kinderfreien Zonen“ – Hotels, Cafés, Events – in mehreren Ländern, allen voran Südkorea, zeigt. Die hart errungene Wahlfreiheit, Nachwuchs zu bekommen oder eben nicht, steht nicht im Widerspruch dazu, Kinder als Teil einer Gesellschaft anzuerkennen und ihnen Platz einzuräumen. Immerhin sind sie die Pflegekräfte der Zukunft, bis KI irgendwann auch die Care-Arbeit übernimmt. Neben den Kindern sind es insbesondere Mütter, die die Leidtragenden dieser Art von Regelungen sind, da sie disproportional ausgeschlossen werden. Sylvain Wagnon, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Montpellier, erkannte in dieser Art von Segregation im Juli auf France Culture ein „demokratisches Warnzeichen“. Es liegt im Wesen der Öffentlichkeit, dass sie geteilt wird, dass sie für alle ist, und man sich „dem Anderen“ aussetzt – auch, wenn das ab und an unangenehm ist.
Es sind zwei Beispiele für dieselbe Entwicklung – die Verweigerung, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Unser Alltag ist durchdringt von Technologie. Ihre Allgegenwärtigkeit und smoothness gaukelt vor, das Leben könne ohne Friktion vonstatten gehen – das Essen wird mit einem Klick nach Hause geliefert, mittelmäßiger Sex mit einem Swipe gesichert, die Wunsch-Serie nach Maß von KI erstellt. Im Mittelpunkt steht dabei ein sich isolierendes, stets unzufriedener werdendes Ich. Die Ironie liegt darin, dass ein paar Tech-Bros der Menschheit diese Hölle auferlegt haben und sie nun den weltweiten Alltag bestimmt. Sich ihr zu entziehen wird immer schwieriger – mit weitreichenden Folgen, für unsere physische und mentale Gesundheit, für unsere Entwicklung als Spezies. Gut zu erkennen ist das auch daran, wie junge Menschen zu verstehen versuchen, wann ihre boundaries überschritten wurden oder den Unterschied zwischen der völlig normalen, durchwachsenen Realität von Beziehungen und Toxizität. Derek Thompson, ehemaliger Journalist des Atlantic, nannte unser Zeitalter in einem Essay Anfang des Jahres „the anti-social century“. Die Menschen verbringen immer mehr Zeit alleine zuhause. So erodieren sesellschaftliches Zusammensein und gemeinschaftlicher Zusammenhalt. Die Folgen lassen sich bis in die höchsten politischen Ebenen beobachten: Tyrannen werden auf Machtpositionen befördert und zerstören aus ihrem kollektiven Sandkasten heraus die Welt.
In einem eklatant akkuraten Artikel für den Guardian schrieb die amerikanische Autorin Rebecca Solnit vergangenen November über ihre langjährige Wahlheimat San Francisco und wie die einst für andersdenkende, freiheitsliebende Hippies und Counter-culture bekannte Westküsten-Metropole sich in einen Schauplatz einer Zombie-Apokalypse verwandelt hat, in der die Aufmerksamkeit jedes Bürgers von kleinen Bildschirmen mit Inhalten von großen Multinationalen gekapert wurde. Danke für nichts, Silicon Valley: „Tech has sold us not only the capacity to withdraw but the logic of it, with the rhetoric – at least since the late 90s dotcom boom and the birth of online shopping and banking – that insists leaving the house, milling around, talking to strangers, going to your bank or the post office, or even eating out in a restaurant is inconvenient, unpleasant, unnecessary and possibly dangerous.”
Wenn niemand mehr mit offenen Augen durch die Stadt geht, verschwindet das Prinzip von Solidarität, von Hilfsbereitschaft – das Potenzial, Zeuge zu sein. Solnit fragt: Würde noch jemand etwas anderes tun, als das Handy zu zücken, um zu filmen, wenn jemand sie angreift? Dabei existieren wir lediglich in Verbindung zu anderen. Ein gesundes Ich kann es nur in einem gesunden Wir geben.
Landkonscht
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