Hebdomadaire politique,
économique et culturel indépendant
nach Paris abzuwerben versuchte..
Rechts in der Nachbarschaft
Peter Feist
Nachdem Marine Le Pen am Mittwoch die Regierung Barnier stürzen half, zielt sie nun auf Emmanuel Macron. Der „Tag der Befreiung“ komme bald, sagte sie in der Nationalversammlung. Womit sie vielleicht meint, Macron noch dieses Jahr zum Rücktritt zu zwingen und vorgezogene Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Und einer Verurteilung in der Veruntreuungs-Affäre zuvorzukommen, durch die ihr für fünf Jahre untersagt werden könnte, öffentliche Ämter zu bekleiden.
Das politische Chaos in Frankreich begann mit den Neuwahlen zum Parlament, die Macron nach den Europawahlen ausgerufen hatte. Verstärkt wurde es durch die enormen Haushaltsprobleme. Das Staatsdefizit wird dieses Jahr auf voraussichtlich 6,1 Prozent vom BIP steigen, die Schuld mehr als 3 200 Milliarden Euro erreichen, 112 Prozent der Wirtschaftsleistung. Für die Bedienung der Zinsen muss der französische Trésor 60 Milliarden ausgeben. Ungefähr diese Summe wollte Barniers Regierung im neuen Haushalt kompensieren, zum Teil durch Einsparungen, zum Teil durch Steuern auf die größten Unternehmen und auf Superreiche. Nun könnte der Haushalt für dieses Jahr aufs nächste kopiert werden, um über die Runden zu kommen. Doch dann wird das Defizit weiter wachsen und die Finanzmärkte provozieren.
Entsprechend geschwächt wird Frankreich innerhalb der EU jetzt. Deutschland ist geschwächt, seit vor vier Wochen die „Ampelkoalition“ zerbrach. Bei den vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar dürfte die rechtsextreme AFD zwar nicht die stärkste Partei werden, aber an Stärke gewinnen. Was unter anderem durch die Wirtschaftslage begünstigt wird: Dieses Jahr stagniert die deutsche Wirtschaft, nächstes Jahr soll sie nur leicht wachsen. Die OECD gab dafür diese Woche 0,7 Prozent an. Die von der „D-Day-Affäre“ gebeutelte FDP tönt im Wahlkampf, Deutschland brauche „Milei statt Habeck“. CDU und CSU lassen die Regierung spüren, dass sie sich Mehrheiten suchen muss, und blockieren jeden legislativen Entwurf von Belang.
Verglichen mit diesen Zuständen sieht Luxemburg wie eine Oase der Stabilität aus. Mit Staatsfinanzen, die die Maastricht-Kriterien erfüllen. Mit dem Triple A, das die Rating-Agenturen gerade wieder vergeben. Mit Luc Frieden als Premier, der gern den Eindruck erweckt, je schwieriger die Umstände, desto besser für einen „Chef“, denn der könne daran nur wachsen. Mit einer parlamentarischen Demokratie, die darauf bauen kann, dass der Finanzplatz genug Steuereinnahmen für den Sozialstaat abwirft, und unter anderem deshalb gut funktioniert.
Doch das muss nicht so bleiben, wenn die EU über ihre wichtigsten Mitgliedstaaten noch weiter nach rechts rückt, als nach den Wahlen zum Europaparlament. Und sie sich dort konsolidiert. Luxemburgs Einfluss auf die großen Nachbarn kann klein sein. Wie sich an den Grenzkontrollen zeigte, die die deutsche Regierung Mitte September für sechs Monate einführte, um AFD und CDU politischen Wind aus den Segeln zu nehmen. Beim Rassemblement National treffen die Kontrollen offenbar auf Gefallen. Wie der Républicain Lorrain vorigen Freitag schrieb, informierten sich drei RN-Abgeordnete aus dem Département Moselle vor Ort im Saarland und einer „aimerait que la France s’inspire de Berlin“.
„Mehr Wettbewerbsfähigkeit!“ ist der gemeinsame Nenner für alle Regierungen in der EU, von der Mitte bis Rechtsaußen. Der Unterschied liegt in der Bereitschaft zur Kooperation mit anderen. Marine Le Pen würde Frankreichs Haushaltsdefizit durch eine Senkung des Beitrags zum EU-Budget abbauen. In Krisenzeiten schaut jeder nach sich. Luxemburg erlebte das in der Finanzkrise, als die großen EU-Staaten nicht verhinderten, dass die G20 das Großherzotum auf eine „graue Liste“ der Steueroasen setzten. Nicolas Sarkozy tat so, als gehöre Luxemburg nicht zur EU. Der damalige deutsche SPD-Finanzminister Peer Steinbrück zog einen Vergleich mit Burkina Faso, SPD-Parteichef Franz Müntefering meinte, „früher hätte man da Soldaten hingeschickt“. Wenn vor 15 Jahren deutsche Sozialdemokraten schon so sprachen, kann eine Verschiebung der Kräfte in Richtung „Europa der Nationen“ für Luxemburg zum existenziellen Risiko werden. Nicht zu vergleichen mit Macron, der die Fongenindustrie nach Paris abzuwerben versuchte.
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