LSAP und Tabakverbot

Rauchzeichen

d'Lëtzebuerger Land du 03.12.2009

Es war ein hübscher rhetorischer Erfolg, den Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) über CSV-Chef Michel Wolter verbuchen konnte. Der hatte vor einer Woche im Radio gegrollt, erst werde das Anti-Tabak-Gesetz ausgewertet, und dann entschieden, ob man das Rauchverbot auch auf Cafés und Diskotheken ausdehnt. So stehe es im Koalitionsvertrag. Worauf Di Bartolomeo am Mittwoch im Plenum der Abgeordnetenkammer die betreffende Passage laut vorlas: Ganz unabhängig von der Evaluation des drei Jahre alten Gesetzes soll der Plan tabac in Kraft treten. Und in dem sind rauchfreie Cafés, Bistrots und Diskotheken schon vorgesehen.

Es spricht ja auch viel dafür. Die Schwelle, hinter der ein Raucher nicht nur frei über sich selbst entscheidet, sondern auch andere schädigt, ist niedrig. Vor allem dort, wo Rauchen besonders viel Spaß macht – in Kneipen und Discos –, denkt man kaum an die Lungen der Kellnerinnen und Barkeeper. Doch mittlerweile steht fest, dass passiv eingeatmeter Tabakrauch zum Teil giftiger ist als unmittelbar inhalierter: Er enthält fünf Mal mehr Kohlendioxid, drei Mal mehr Teer und Benzopyren und 46 Mal mehr Ammoniak. Geschätzte 86 Todesfälle waren 2002 in Luxemburg auf Passivrauchen zurückzuführen.

Die Zunahme der Lungenkrebsfälle sind der zweite Grund, denn sie haben einen ganz beträchtlichen Kostenpunkt: Zurzeit werden in Luxemburg pro Jahr an die 200 neue Fälle gezählt. Noch immer aber gehört dieser Krebstyp zu den mit den schlechtesten Prognosen. Bei nicht operierbaren Lungenkrebsen verlängern selbst die neuesten Medikamente das Leben der Patienten nur um wenige Monate, je nach Diagnose aber zum Preis von 50 000 bis 200 000 Euro. Das muss nicht nur den Gesundheits-, sondern auch den Sozialminister interessieren.

Aber da ist noch die andere Seite des Plan tabac. Ein auf Cafés ausgedehntes Rauchverbot wäre wohl ihr Ende als kulturelle Institution. Trinken und Rauchen in Gemeinschaft haftet nach wie vor der Ruch des politisch Subversiven an. Vergangenen Samstag erinnerte ein älterer Tageblatt-Redakteur den früheren stellvertretenden Chefredakteur Mars Di Bartolomeo daran, wie sie „im Café beim Viviane den weißen Rauch in die Luft“ bliesen. „Und wenn uns das jemand verboten hätte, hätten wir bestimmt zur Feder gegriffen und ein Pamphlet verfasst“.

Für den deutschen Sozialdemokraten Karl Kautsky war das Wirtshaus „das einzige Bollwerk der politischen Freiheit des Proletariats, das ihm nicht so leicht konfisziert werden kann“. Kein Wunder, dass 1902 auch die Sozialdemokratische Partei Luxemburgs, die Vorläuferin der LSAP, in einem Wirtshaus gegründet wurde: im Café Goerens am Krautmarkt in der Hauptstadt.

Ob 107 Jahre später das Café als Ort der freien Rede nicht mehr gebraucht wird, vielleicht, weil die Meinungsbildung immer mehr im Internet erfolgt, ist nicht sicher. Sicherer scheint, dass für die Mehrzahl der – besser verdienenden – Wahlberechtigten das Café keine wichtige Funktion mehr hat. Damit ist die Ankündigung des Rauchverbots in Cafés durch einen der populärsten LSAP-Minister ein weiterer Schritt der Partei in Richtung der „gesellschaftlichen Mitte“. Dort dürfte das ausgeweitete Rauchverbot ähnlich anstandslos befolgt werden wie das vor drei Jahren verhängte. Der Kulturkampf um den Tabak wäre dann vor allem einer um das Verdienst, verschärfte Verbote durchgesetzt zu haben. Vielleicht neidet die CSV dem Gesundheitsminister einfach den Medien-Coup, rauchfreie Cafés angekündigt zu haben.

Peter Feist
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