Vermögenssicherung

Goldene Zeiten?

d'Lëtzebuerger Land du 09.12.2011

„Eindeutig ja! Gold ist als sichere Anlage sehr gefragt“, antworten Banker auf die Frage, ob sich die schlechten Nachrichten über die Schuldenkrise im europäischen Währungsraum auf die Goldnachfrage ihrer Kunden auswirkt. Yvon Streff von der Abteilung Financial Services der Banque et Caisse d’Épargne de l’État (BCEE) überrascht das nicht: „In den Wirren des Zweiten Weltkrieges bedeutete Goldbesitz, meist in Form von kleinen Goldmünzen oder Familienschmuckstücken, Überleben, wenn die darbende Bevölkerung beim Bauern oder auf dem Schwarzmarkt ihre Goldmünzen, Schmuckstücke und andere Wertsachen gegen Lebensmittel eintauschen konnte.“ Aber auch die Gegenwart ist seiner Meinung nach von „Unsicherheit und Zukunftsangst geprägt, die sich sehr deutlich in der Nachfrage nach Edelmetallen widerspiegelt“.

Seit 2001, als der Goldpreis bei durchschnittlich 273 Dollar pro Unze lag, stieg der Goldkurs jedes Jahr. Selbst vor 2008, meinen deshalb die Experten der BGL BNP Paribas, waren die Kursanstiege schon beeindruckend. Doch der richtige Höhenflug setzte mit Ausbruch der Finanzkrise vor drei Jahren ein, betont man bei BGL BNP Paribas. Aus dem Kurs lasse sich die Verwirrung der Anleger herauslesen. Er stieg von 899 Dollar pro Unze am 22. September 2008 bis Ende 2009 auf fast 1 200 Dollar die Unze, im Frühling 2011 kostete die Unze über 1 500 Dollar. Vergangenen September erreichte der Goldkurs mit über 1 900 Dollar ein neues Allzeithoch.1

Jean-Charles Grézault, Head of Forex Execution and Advisory der Banque internationale à Luxembourg (Bil), unterscheidet vier Arten, in Gold zu investieren: Wertpapieranlagen in Form von börsennotierten Fonds, so genannte exchange traded funds (ETFs), die Gold kaufen, Wertmetallkonten, bei dem Unzen auf das Konto kreditiert werden, Goldzertifikate und physisches Gold. „Die Nachfrage nach physischem Gold in allen erhältlichen Stückelungen und Formen überwiegt”, beobachtet Yvon Streff bei den BCEE-Kunden. „Der Kunde will sein Gold ‚anfassen‘, er will es bei sich haben, es wird gehortet, meist zu Hause, von besonders ängstlichen Kunden“, berichtet er und warnt, dies sei „eine nicht ungefährliche und unsichere Form der Verwahrung“. Schließlich bieten alle Banken auch die Aufbewahrung im hauseigenen Safe an.

Gold ETFs oder Wertmetallkonten, urteilt Jean-Charles Grézault von der Bil, seien besonders für rendite-orientiere Kunden geeignet. Aber nicht nur, meinen Experten von BGL BNP Paribas über ETFs. Die würden es einerseits erlauben, die reale Kursentwicklung am Spot-Markt zu reproduzieren. Ihr großer Vorteil sei allerdings die hohe Liquidität – der An- und Verkauf wird dadurch leichter und damit die Reaktion auf Kursänderungen – und die im Vergleich zu Wertmetallkonten geringfügigen Kosten. Die Fonds kauften tatsächlich physisches Gold und viele böten die Möglichkeit, den Kunden das Gold auszuhändigen. „Das allein beruhigt“, weiß man, die Kunden nutzten die Möglichkeit kaum. ETFs und physisches Gold, im Safe der Bank hinterlegt, – das seien die bevorzugten Anlageformen der BGL-Kunden, die Nachfrage nach beidem halte sich die Waage.

Allerdings: Wenn die Verunsicherung steige, sei nichts so beruhigend wie eigenes physisches Gold. Das bestätigt auch Jean-Charles Grézault von der Bil: „Die Krise hat einen gewissen Argwohn der Kunden gegenüber dem Finanzsystem generell ausgelöst. Physisches Gold oder Zertifikate sind dann die beste Antwort, um die Gemütsruhe der Kunden zu gewährleisten, die in dieser Anlage eher die Zuflucht als die Rendite suchen.“

Einig sind sich die meisten Wertmetallexperten darin, dass Gold – weil die Kursentwicklung von der von Aktien und Anleihen losgekoppelt sei – zu einem diversifizierten Anlageportfolio dazu gehöre. Doch ob Gold auch in den kommenden Monaten als Versicherung vor dem Vermögensverlust gelten kann, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Weil die Goldanlage per se keine regelmäßige Rendite abwirft, erklärt man bei der BGL, müsse man Angebot und Nachfrage analysieren, um die künftige Wertentwicklung abzuschätzen. Das Angebot setzt sich zusammen aus dem Gold, das in den Minen abgebaut wird, und dem Gold, das auf dem Sekundärmarkt recycelt wird – Altgold, also Schmuck, Zahn- und Münzgold, das verkauft und eingeschmolzen wird. Dieses Jahr seien bis dato 2 400 Tonnen Minengold gefördert und 1 100 Tonnen Altgold recycelt worden, so der BGL-Experte. Wobei der Förderpreis des Minengoldes bei 700 Dollar pro Unze liegt – deutlich unter dem Verkaufspreis von aktuell um die 1 700 Dollar.

Die Nachfrage nach Gold, das geht auch aus den Statistiken des World Gold Council (WGC) hervor, kommt vor allem aus dem Juweliergeschäft. Rund 50 Prozent des verkauften Goldes werden zu Schmuck, weitere ungefähr zwölf Prozent in der Industrie weiterverarbeitet. Zusammen betrug die Nachfrage aus beiden Sektoren 2011 2 100 Tonnen, erklärt der Spezialist von der BGL. „Wäre das die alleinige Nachfrage, wäre der Preis sicher sehr viel näher an 700 Dollar die Unze. Aber seit ein paar Jahren gibt es eine starke Nachfrage von Investoren, die beträgt 2011 bislang 1 400 Tonnen. Das ist die Nachfrage, die man abschätzen muss, und welche die starken Kursanstiege bedingt hat.“ Hinzu kommt, dass seit einiger Zeit auch die Nachfrage der Zentralbanken steigt: allein 148,4 Tonnen im dritten Quartal 2011, laut WGC. China, beispielsweise, notieren WGC- und BGL-Analysten, müsse im Rahmen der Schuldenkrisen in Europa, den USA und bis zu einem gewissen Grad in Japan – seine Währungsreserven diversifizieren und Teile davon durch Gold ersetzen.

Sollte man also jetzt noch Gold kaufen? Weil die Zinsen niedrig sind, seien die Alternativkosten gering, gibt man der BGL zu bedenken. Die Konjunkturentwicklung sei kaum absehbar, die Chancen, dass es 2012 in der Eurozone zur Rezession komme, hingegen hoch. Das schuldenkrisenbedingte Devisenrisiko werde stützend auf den Goldkurs wirken. Die Geldmasse der USA habe sich durch die Programme der amerikanischen Notenbank schon ausgeweitet und der Druck auf die Europäische Zentralbank steige, ähnliche Schritte zu unternehmen, um der Schuldenkrise entgegenzuwirken, gibt man bei der BGL zu bedenken. „All das lässt uns glauben, dass der Goldkurs 2012 die 2 000-Dollar-Marke pro Unze erreichen könnte. Wer also Gold im Portfolio hat, sollte es behalten. Wer keines hat, kann kaufen, aber bei unter 1 700 Dollar pro Unze.“

Ähnlich sieht das Jean-Charles Grézault von der Bil: „Der Goldpreis bewegt sich derzeit auf Rekordniveau, das sich weniger durch die Nachfrage rechtfertigt, als durch den psychologischen Zustand der Investoren, die sich nicht nur angesichts der Schuldenkrisen in Europa und den USA entwaffnet fühlen, sondern auch durch die wenig ermutigenden Wachstumsperspektiven für die kommenden Monate weltweit. Deswegen ist der Goldpreis unserer Ansicht nach in gewisser Weise ,emotional‘ bedingt.“ Auch Grézault weist auf das Niedrigzins-Umfeld hin, warnt aber wie die BGL und Yvon Streff von der BCEE vor steigender Kursvolatilität.

Kritischer sieht das Damien Petit von der Banque Degroof: „Wir stellen uns viele Fragen, was Goldanlagen betrifft. Ist es wirklich eine defensive Anlage? Wir haben da unsere Zeifel, wenn man beispielsweise die Volatilität der Kurse betrachtet, die praktisch identisch ist mit der an den Aktienmärkten. Außerdem hat sich Gold als Absicherung gegen das Inflationsrisiko als relativ ineffizient erwiesen. Umso mehr da der Goldpreis deutlich über dem Förderpreis liegt. Dieser Unterschied zwischen Förder- und Handelspreis scheint nur schwer erklärbar.“

1 Angaben: World Gold Council
Michèle Sinner
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