Blaue Wellen

d'Lëtzebuerger Land du 08.08.2025

Wenn das Sommerloch klafft und eine Rentenreform im Raum steht, fallen politische Äußerungen zu den Renten umso mehr auf. Interessant wird es, wenn sie aus dem Lager der DP kommen und die Linie der Regierung kritisieren. Diese Woche geschah das gleich zwei Mal. Am Montag gab Gérard Schockmel, rentenpolitischer Sprecher der DP-Kammerfraktion, ein Interview im Radio 100,7. Im Tageblatt vom Mittwoch stand ein Interview mit Lou Linster, dem Präsidenten der Jonk Demokraten. 
Gérard Schockmel argumentierte vorsichtig, erinnerte aber daran, dass CSV-Premier Luc Frieden am 13. Mai im état de la nation angekündigt hatte, das Rentensystem werde für die nächsten 15 Jahre abgesichert. Dagegen würden es, nach allem, was über die Vorschläge der Regierung bei der letzten Sozialronn am 14. Juli durchgesickert ist, „eher fünf Jahre“ sein, so Schockmel, und „alles was angedacht ist, müsste nachgebessert werden“. Lou Linster konnte es sich als Vorsitzender einer Parteijugend leisten, weniger zurückhaltend zu sein: „Die neuen Vorschläge sind noch schlimmer als die alten“, also die vom Mai.

Auf Nachfrage des Land erklärte Gérard Schockmel, er habe im Radio in seinem persönlichen Namen gesprochen und nicht die Position der DP-Fraktion vertreten. Das ist vor allem deshalb von Belang, weil er am Montag auch sagte, „eigentlich“ habe die DP schon 2012 ihre Position zu den Renten „definiert“, als ihr die Reform der damaligen CSV-LSAP-Regierung nicht weit genug ging. Lou Linster hingegen gab wieder, was die Jonk Demokraten einen Tag vorher per Pressemitteilung verbreitet hatten: Der letzte Vorschlag der Regierung vom 14. Juli ignoriere die Interessen der jungen Generation. Eine Verlängerung der Beitragszeit um nur acht Monate innerhalb von fünf Jahren greife zu kurz. Rentenanpassung und Jahresendzulage sollten sozial gestaffelt werden. Der Beitragssatz sollte um drei Mal einen Prozentpunkt erhöht werden, statt um je einen halben. Die bis 2052 gestreckte Rentenkürzung durch die Reform von 2012 sollte „schneller geschehen“.

So rollen blaue Wellen auf den Premier zu. Es ist ja nicht so, dass Luc Frieden eine viel tiefgreifendere Rentenreform Unrecht wäre. Im Gegenteil, was ihm vorschwebt, hatte er in seinem Neujahrsinterview in RTL-Télé mit dem „Cappuccino-Modell“ anschaulich beschrieben. Doch der Premier ist geschwächt, seit am 13. Mai der Chef mit ihm durchging und er der Gewerkschafts-Union aus OGBL und LCGB ermöglichte, nach der Großkundgebung vom 28. Juni eine Co-Decisioun gerade in der Rentenfrage zu verlangen. Dass Frieden beim letzten Pressebriefing vor den Sommerferien erklärte, „Spannungen“ während der Sozialronnen seien ein ganz normaler Ausdruck nicht nur von Demokratie, sondern „vu sozialer Demokratie“, zeigt, welch bittere Lektion in Politik er dabei ist, zu lernen.

Die DP wäre nicht die DP, wenn sie daraus keinen politischen Vorteil zu schlagen versuchen würde. Die erste Sozialronn am 9. Juli hatte Xavier Bettel vor dem Auseinanderbrechen bewahrt. Nicht, weil er die dort behandelten Themen besser kannte als Luc Frieden, sondern weil er politische Instinkte hat. Gérard Schockmel hat ganz Recht, auch wenn er am Montag im Radio mehr als fachkundiger Technokrat sprach denn als Politiker: Was die Regierung am 14. Juli auf den Tisch gelegt hat, wird nachgebessert werden müssen. Vermutlich  durch die nächste Regierung nach einem Rentenwahlkampf 2028. Die Frage wird sein, wie die DP sich darauf einstellt. Ob sie meint, ihr „sozialliberales Profil“ weiter schärfen zu müssen, von dem Fraktionspräsident Gilles Baum, 
Ex-Ministerin Corinne Cahen oder die Abgeordnete Barbara Agostino gern erzählen. Oder ob sie strategisch dafür optiert, die CSV in business-friendliness zu übertreffen. Was die Renten angeht, würde Letzteres der Tradition der DP entsprechen, die unter Xavier Bettel im Wahlkampf 2013 mehr private Altersvorsorge ankündigte. Doch weil die DP die DP ist, wird sie, was sie will, an der politischen Opportunität ausrichten. Bis das entschieden ist, wird sie gegen Luc Frieden und die CSV immer wieder kleine Attacken reiten, aus allen möglichen Richtungen und zu allen möglichen Anlässen. Die blauen Wellen werden weiter rollen, höher werden als diese Woche – und chaotischer

Peter Feist
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