Wasserpreis

Wieviel soll‘s denn sein?

d'Lëtzebuerger Land du 03.04.2008

Erneut hat Dieter Ewringmann vom Finanzwirtschaftschaftlichen Forschungsinstitut der Uni Köln im Auftrag des Mouvement écologique eine „Kurzstudie“ erstellt, und erneut sind seine Schlussfolgerungen Aufsehen er­regend. Vor einem Jahr hatte er den Wohnungsmarkt analysiert. Er rechnete vor, dass die hohen Grundstückspreise hierzulande ganz norma­le Knappheitspreise angesichts eines nach wie vor verschwenderischen Flächenverbrauchs im kleinen Lande seien, mit dem auch der Pacte logement nicht wirklich breche. Am Mittwoch präsentierte er seine Betrachtungen zur Erhebung kostendeckender Wasserpreise1. Und nannte die öffentlich häufig kolportierte Behauptung, die Umsetzung der EU-Wasserrahmen­direktive und die Einführung der Kostendeckung auch in Luxemburg werde die Wasser- und Abwasserpreise für Privathaushalte auf im Schnitt an die 4,50 Euro pro Kubikmeter steigen lassen, „Schwachsinn“.

Dieser Durchschnittspreis wurde jedoch seit dem Frühjahr 2006 nicht nur vom Wasserwirtschaftsamt im Innenministerium und Minister Jean-Marie Halsdorf (CSV) selbst immer wieder angeführt, um die Lage zu antizipieren, die sich nach Inkrafttreten des Wasserrahmengesetzes einstellen könnte. Auch im Entwurf zum Gesetz wird auf Seite 46 kommentiert, „le prix de revient moyen de l’eau sera, à l’échelle nationale, de l’ordre de 4,50 € par mètre cube vendu“.

Alles Schwachsinn in einer, wie Méco-Präsidentin Blanche Weber beklagte, „unstrukturierten Diskussion“? Die Wasserproblematik ist komplex und technisch. Aber welche Preise für welche Verbraucher sich einstellen werden, kann noch niemand sagen. Vor Panikmache warnen, das will Ewringmann. Auch der Innenauschuss der Abgeordnetenkammer „kommt zum Preisthema erst noch“, sagt dessen Vorsitzender Marco Schank (CSV).

Die im Mittel 4,50 Euro nennt auch André Weidenhaupt, der Leiter des Wasserwirtschaftsamts, ein „Pi-mal-Daumen-Resultat, zu dem wir seinerzeit bei einer Überschlagsanalyse vermutlicher Infrastrukturkosten und des Wasserverbrauchs gelang­ten“. Seitdem hat sich einiges getan. Zuletzt wurden gemeinsam mit dem Wasserversorgerverband Aluseau über 300 Stück Infrastruktur in ihren Kosten erfasst, vom Bau über die Werterhaltung bis hin zu den Abschreibungen. „Auch der Innenausschuss kann nun mit viel präziseren Daten arbeiten“, versichert Weidenhaupt. Denn eine Kernfestlegung der EU-Wasserrahmenrichtlinie ist, dass die Infrastruktur künftig über Wasser- und Abwasserpreis finanziert werden muss. Unter anderem an diesem Punkt aber stellen sich nicht nur technische, sondern auch politische Fragen. Da für Wasser und Abwasser jeweils die Gemeinden zuständig bleiben, die Infrastruktur aber nicht mehr pauschal subventioniert werden darf, ist absehbar, dass die neuen Wasser- und Abwasserpreise einen beträchtlichen Fixanteil haben werden – Dieter Ewringmann rechnet mit bis zu 80 Prozent. Je nach Beschaffenheit der Infrastruktur aber kann dieser Anteil von Gemeinde zu Gemeinde variieren. Der Staat wiederum darf die Kommunen bei der Vorfinanzierung von Projekten unterstützen. Das könnte oft der Fall sein, da hierzulande ein infrastruktureller Nachholbedarf besteht. Dann aber können Finanzierungskompromisse zwischen Staat und Kommunen sich auf die lokalen Preise auswirken – und überhaupt: Die Kategorien „fixe“ und „variable“ Kosten bleiben noch klarer zu definieren. Ebenfalls eine sehr „politische“ Aufgabe, denn je höher der Fixanteil, desto stärker würde die relative Belastung für Single-Haushalte gegenüber der einer mehrköpfigen Familie. Will man das? Vielleicht. Doch wenn das Wassergesetz eine „ökologische Lenkungswirkung“ in Richtung sinkenden Verbrauchs entfalten soll, wären zu hohe Fixkosten keine Einladung zum Sparen mehr.

Das große politische Problem der Wasserpreisdebatte wird vermutlich ihr Timing bilden: Konkretisieren werden sich die neuen, je nach Kommune verschiedenen Wasserpreise nicht vor kommendem Herbst. Bis 2010 aber muss das Kostendeckungsprinzip durchgesetzt sein, und schon läuft vor dem EU-Gerichtshof das Verfahren gegen Luxemburg, da die Wasserrahmendirektive eigentlich schon vor fünf Jahren umzusetzen gewesen war. Damit fällt das Preisthema unweigerlich in den „Index-Wahlkampf“. Gelegenheit zur Konfrontation ist dort genug. Allenfalls in Einzelfällen sollte ein sozialer Ausgleich an Geringverdiener zum Wasserpreis gezahlt werden, plädierte Méco-Präsidentin Weber und mit ihr Dieter Ewringmann, der meinte, selbst in Deutschland, „wo nicht ein garantierter Mindestlohn, sondern nur Hartz IV eine Grundabsicherung, und zwar eine miese“ biete, werde „nur in ganz wenigen Fällen“ Unterstützung gewährt.

Überlegungen zu einer sozialen Tarifstaffelung, wie sie die EU-Wasserrahmendirektive durchaus erlaubt, zirkulieren unterdessen ebenfalls, auch in der Koalition. Sie könnten um so mehr geäußert werden, falls die Zukunft des Index’ als System über das Jahr 2009 hinaus in Frage gestellt würde. Und schon jetzt habe niemand ihm erklären können, wie der Tripartite-Beschluss vom April 2006 über die Indexneutralisierung ökologischer Abgaben auf den neuen Wasserpreis anzuwenden sei, erklärte Dieter Ewringmann am Mittwoch anzüglich. Dabei ist es nicht mal ausgeschlossen, dass mancherorts die Wasserpreise heute schon zu hoch sind: Sie können schon 4,50 Euro betragen, da in den letzten zwei Jahren verschiedene Kommunen empfindliche Gebührenanpassungen vorgenommen haben. Das könnte in Ermangelung allgemeiner Kostentransparenz zu viel sein. Aber erst mit Inkrafttreten der neuen Wassergesetzgebung wird die juristische Handhabe auch zur Infragestellung der Preise geschaffen.

Peter Feist
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