Die kleine Zeitzeugin

Leo! Leo! Leo!

d'Lëtzebuerger Land vom 27.01.2023

Er hat JA gesagt! Der deutsche Kanzler hat JA gesagt!

Endlich haben sie ihn rumgekriegt, Ewigkeiten lagen sie ihm in den Ohren mit Leo! Leo!, eine Abgeordnete mit Herr*innenfrisur im adretten Blusenlook sitzt ihm schon lange im stabilen Genick und peitscht ihn mit Panzer! Panzer! Schlachtgeheul vor sich her. Eine in Panzerologie beeindruckend bewanderte junge CDU-Abgeordnete plauderte in Talk-Shows so vertraut zärtlich vom Leo. Sie will unbedingt den Leo! Nichts als den Leo! Leo den Zweiten! Aber obschon alle an ihm zerrten und zupften und ihn stupsten und der Pole seine Leichenbittermiene aufsetzte und Macron markant schaute, spuckte der deutsche Buddha keine Panzer aus. Ja, schon ein paar, aber nur die aus dem Überraschungsei. Nicht die richtigen wichtigen. Sie haben einen harmlosen, mickrigen, geradezu lächerlichen Tiernamen.

Nicht ohne einmal mehr diplomatisch zu erwähnen, dass er nur ein kleiner Luxemburger ist sagt der luxemburgische Außenminister im ZDF-Interview nicht wirklich was, aber das gewohnt nett. So elegant redet er über das militärische Zeug, also, kleines Lächeln, Panzer, dass der Moderator ihn Diplomat nennt.

Die Sphinx im Kanzler-Amt denke eben. Nach. So erklärten das seine Parteigenoss*innen. Und so ein Denken dauert eben. Gut Ding will Weile haben. Gibt es nicht To Go aus dem Think Tank. Da wurde selbst schon der biedermeierlich in sich schlummernde Anton Hofreiter kribbelig.

Jetzt ist es soweit. Und kaum ist es so weit, heißt es, nicht weit genug. Die paar hungrigen Panzer. Bis die einmal in Topform, bis die einmal passend frisiert zeitenwendig durch die Botanik flitzen, das kann dauern. Überall sind jetzt die Panzerolog*innen. Statt Virolog*innen. Die Virolog*innen haben jetzt mal fertig, bis auf Weiteres, Lauterbach ist Aktivist an der Kifffront. Bisschen Rotwein geht auch ok.

Der einzige Militärhistorikerprofessor Deutschlands schiebt Überschichten, immerzu muss er Militär erklären. Und Krieg. Die, die Krieg können, erklären den gebannt Lauschenden. Die Zuschauer*innen verstehen eben nichts mehr davon, vom Krieg, sie sind unblutige Lai*innen. Sie haben in Bubbles gelebt und kämpften höchstens an den Meinungsfronten. Aber von so was archaisch Analogem mit echtem pfui! Blut verstehen sie Nüsse. Eintritt in die Kriegswirtschaft, fordert schluck! gar der in den Medien uniformiert auftretende Oberst des Heeres der Bundeswehr. Nicht ohne zu beruhigen, dass trotzdem Kühlschränke hergestellt werden werden. Dann schwört er auf einen lang dauernden Krieg ein.

Grad war er doch noch auszuhalten. Er war da draußen, am Rand, in diesem Schmuddelosten. Dort wo behelmte CNN-Journalistinnen sich auf aus löcherigen Katen krabbelnde wehrlose Weiblein stürzen, um sie zu umarmen. Die alten Weiblein sind möglicherweise Best Ager*innen, und in diesen Höhlen hausten sie auch schon vor dem Krieg. Nur ging niemand hin, um sie zu umarmen und dabei gefilmt zu werden.

Jetzt geht was weiter. Die Weltuntergangsuhr wird von den Weltuntergangsexpert*innen mit einem kräftigen Ruck bis auf beinah Sense gestellt, wir sind knapp vor Doomsday! Und gerade noch prosteten wir uns zu. Überschütteten uns mit Wunschgold. In diesem mit herbei visualisiertem Schnee wattierten Zeitloch zwischen den Jahren. Wir hoffnungslos hoffnungsvollen Menschenkinder.

Und jetzt sterben so viele, jeden Moment, da draußen, im Osten. Um, so wird gesagt, unsere Westwertemenschlichkeit zu verteidigen. Und Assange, der auch unsere Werte verteidigt hat, schmort im Knast, weiter und weiter und weiter, und seine Lebenszeit schmilzt, weiter und weiter und weiter. Julian Home for Christmas ist Schnee von gestern. Weiter trudeln die kleinen Mutmachposts ein, United for Assange, die die letzten Getreuen routinemäßig liken. Und ähm im Jemen was ist Jemen? wo ist Jemen? ist Krieg.

Aber mit einem Krieg haben wir unsere Dosis. Mit Klima. Die Mosel steigt. Und vielleicht sind wir selber uaah! vom Aussterben bedroht? Immerhin, er hat Ja gesagt! Ja! Ja! Ja! Und sogar die USA mit ins Boot gekriegt, was als genialer Coup gilt. Ob das Boot ein Kriegsschiff ist, ist zwar noch nicht ganz klar.

Michèle Thoma
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