Tripartite-Vorbereitungen

Versuchsballons

d'Lëtzebuerger Land du 14.01.2010

Anderthalb Monate vor Beginn der ersten Sitzung haben die Tripartite-Verhandlungen bereits begonnen. Die Parteien und Sozialpartner bereiten nicht bloß ihre Merkzettel und Forderungskataloge vor, sondern lassen auch schon den einen oder anderen Versuchsballon steigen, um mit einem Bonmot oder einer Indiskretion unverbindlich die öffentliche Reaktion zu testen. Am vorsichtigsten sind die Beteiligten selbstverständlich noch bei der „selektiven Sozialpolitik“, welche die virulentesten Reaktionen zu provozieren droht. Dafür geht um so unbefangener die Rede davon, das vor einem Jahr als Konjunkturprogramm gepriesene Investitionsprogramm nun zwecks Einsparungen wieder zusammenzustreichen.

Doch derzeit steigen vor allem Versuchsballons, die Steuererhöhungen erforschen sollen. Irgendwie scheint man sich dar­über einig zu sein, dass es weder wirtschaftlich noch politisch sinnvoll ist, die Staatsfinanzen alleine durch Sparmaßnahmen zu sanieren. Schließlich geht es nicht nur darum, krisenbedingte, vorübergehende Steuerausfälle zu kompensieren, sondern anschließend auch endgültige Ausfälle, etwa beim Tanktourismus und dem elektronischen Handel – bei leer werdenden Sonderfonds und einem christlich-sozialen Wahlversprechen von kostenloser Kinderbetreuung. Diese Einschätzung teilen jedenfalls mehr oder weniger offen die wichtigsten Parteien, Gewerkschaften und Unternehmerverbände. Und weil die Gewerkschaften sie am lautesten vertreten, könnte die leicht absurde Situation eintreten, dass sie es geradezu als Sieg feierten, wenn die Tripartite Steuererhöhungen beschlösse.

Der Streitpunkt dürfte also weniger sein, ob Steuern erhöht werden müssen, als welche Steuern erhöht werden sollen. Die Antworten liegen, wie immer, ordentlich auf der Rechts-links-Skala. Zumindest die exportorientierten Unternehmerverbände können zur Not mit Steuererhöhungen leben, wenn diese die Betriebe nicht treffen. Die DP hat sich zwar bereits von den vor den Wahlen versprochenen Steuersenkungen verabschiedet, will aber noch einige Monate mittelschichtenfreundliche Opposition gegen Steuererhöhungen machen.

Bei der CSV wurde eine Erhöhung der Solidaritätssteuer und der Mehrwertsteuer erörtert. Eine Heraufsetzung der Mehrwertsteuersätze ist traditionell die brutalste Steuererhöhung, die hierzulande in Krisenzeit vorgenommen wird, gefolgt von Akzisenerhöhungen. Mehrwertsteuererhöhungen haben zwar den Ruf, die Verbraucher mit niedrigen Einkommen am härtesten zu treffen. Sie wären aber politisch einfach zu rechtfertigen, wenn die Mehrwertsteuersätze EU-weit erhöht würden oder zumindest diskret daran erinnert würde, dass ein großer Anteil der Mehrwertsteuer – ebenso wie der Akzisen – von Grenzpendlern und Tanktouristen gezahlt werden.

Die LSAP und die Grünen sind mit einer Erhöhung der Solidaritätssteuer einverstanden. Denn sie ist nicht nur eine Zwecksteuer, mit welcher der von der zunehmenden Arbeitslosigkeit ausgezehrte Beschäftigungsfonds gespeist wird. Sie hat auch den Ruf, die gerechteste Steuer zu sein, weil sie Lohnabhängige und Unternehmen belastet. Schließlich war ihre Erhöhung bereits im vorigen Tripartite-Abkommen unterschrieben, aber nicht vollzogen worden. Der OGB-L will dagegen sogar umverteilen und schlägt eine Heraufsetzung des wiederholt gesenkten Spitzensatzes der Einkommenssteuer und die Wiedereinführung der bei der Einführung der Quellensteuer abgeschafften Vermögenssteuer vor.

Bis auf einige Ideologen hat also kaum jemand etwas gegen Steuererhöhungen. So lange sie jemand anderes treffen.

Romain Hilgert
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