Die kleine Zeitzeugin

Liebe dich gefälligst selbst!

d'Lëtzebuerger Land vom 01.12.2023

Liebst du mich? Wer erinnert sich noch an jene winselnd vorgetragene Zumutung, sie gehörte einst dazu, zum Standardrepertoire, zum Verhaltenskodex zumindest während der Paarungszeit und auch weit darüber hinaus. Liebst du mich? Von der Romantik, als die Triebe hochgepusht wurden zum Schicksalhaften, Großen, bis hin zum Christentum, das uns gar aufbürdete, den huch! Nächsten zu lieben. Immer ging es um dieses ohne das nichts ging.

Aber wer harrt noch des Prinzen oder der Prinzessin? Jetzt bist du selber die Prinzessin. Stehst vorm Spieglein, das dir einbläut, dass du die Schönste bist. Nein, nicht die Schönste, das ist voll out, dieser Wettbewerb hatte mit alten Gräulichen zu tun, die auf der Delete-Liste stehen. Nein, gerade richtig. So wie dein Body ist ist er richtig und du auch, flüstern dir die Influencerinnen ins Ohr, sie wollen dich befreien. Von all den Normen und Zwängen. Du musst deinen Body nicht zwanghaft shapen, wie auch immer er ist, er ist positive, steh einfach zu ihm! Also zu dir. Du bist einzigartig und liebenswert, der Liebe wert. Und wenn die vielen Milliarden draußen das nicht immer checken, nicht mal die paar Nächsten, dann liebe dich doch selber! Wer ist denn für dich zuständig, wenn nicht du? Für deine Zustände?

Selbst ist der Mensch, blöde selbstlos will keine mehr sein. Selbständig. Selbst und ständig, von der Wiege bis zur Bahre. Unblutig poppen die Babys schon bald aus einem Uterus, der viel appetitlicher ist als die prähistorischen die noch immer im Umlauf sind. Die älteren Mitbürger/innen fallen niemand zur Last, nicht mal der Erde, die sie nicht mit ihren Schadstoffen belästigen. Sie haben vorsorglich ihre Entsorgung organisiert, lösen sich in Luft und Wohlgefallen auf, mit Party. Dazwischen jede Menge Selbst, vom Selbsterhalt über die Selbstverwirklichung bis hin zum Selbstmord, der allerdings nur ein Angebot ist. Und natürlich jeder Menge an Selbstwertgefühl, ohne das geht gar nichts, die beste Währung. Wie sollst du irgendjemand oder irgendwas etwas wert sein, einer Lebensabschnittsperson, einem CEO, einem Roboter- Recruiter, wenn du nicht mal dich selber überzeugst?

All das muss man selbstverständlich trainieren. Es gibt Rückschläge und Zweifel. Wenn es gerade mal wieder zu einer Restrukturierung kommt, und man sich fragt ob man ein Teil dieser performanten Struktur sein wird. Wenn die Dating-Apps null Ergebnis bringen, obschon man seinen positiven Body so ausdauernd selber liebt, aber allmählich könnte man Unterstützung brauchen. Nicht nur Däumchen. Jemandes Hand und Schulter und sonst. Vielleicht der Moment für einen Selbstwertcoach, kennt jemand eine Therapeutin?

Nur nicht aufgeben. Resilienz ist gefragt. Nur nicht weinerlich werden. Wobei, Mitgefühl mit sich selber ist schon OK. Es ist sogar ein Must. Mit den anderen lenkt uns zu sehr ab. Vom Wesentlichen. Von uns selbst. Es muss mir gut gehen dabei, klopfen sich junge Mütter und familienmüde Best-Agers auf die Schulter, den anderen geht es nur gut, wenn es mir gut geht. Blöd nur, dass die andern nicht immer zustimmend nicken, wenn sie das hören.

Depressionen sind ganz normal. Alle haben Depressionen. Wie man damit umgeht, ist die Frage. Es gibt genug Expert/innen für dein defektes Selbst, dein Powerleak, das Loch in deiner Aura. Der Wille entscheidet. Der Wille zum Glück. Ohne den geht gar nichts. Man muss fürs Glück bereit sein. Ihm eine Chance geben. Glück ist erwerblich. Käuflich, krass gesagt. Wer keine Kaufkräftige ist, arbeitet eben dran, so laufen die Deals, so läuft auch der Glücksdeal. Motivierte Glücksschmiedin. Nur nicht aufgeben, auf dem Weg zum glücklichen Super-Ich.

Glaube, Liebe, Hoffnung. Glaube an dich, verwundbarer Ich-Krümel zwischen all den andern Ich-Krümeln, liebe dich, dann besteht Hoffnung! Dann erlebst du Wunder. Sogar Wirtschaftswunder. Dann matcht dein Profil, dann bist du kompatibel, für die Vorstandsetage, z.B. Egal wie divers du bist, wie hautfarbig und wie positive dein Leib. Oder vielleicht gerade weil. Es gibt keine Grenzen. No nations, no borders. Außer du setzt sie dir. Du bist der Boss. Glaub’s dir endlich!

Michèle Thoma
© 2024 d’Lëtzebuerger Land