Die kleine Zeitzeugin

Im Minette ist die Erde unten warm

d'Lëtzebuerger Land du 25.01.2019

Das Backgroundgespräch mit dem Energieminister auf RTL, es ist äußerst anspruchsvoll und fordert sämtliche Solarzellen heraus, wird mittendrin Herz erwärmend.

Erst einmal, klar, dreht es sich um Autos. Benziner, Diesel, Elektro. All diese Fragen, die für solche, für die Autos Ufos sind, unbekannte Fahrobjekte, auf denen Wesen mit rätselhaft reibungslos sich abspulenden Reflexen rätselhaft nonchalant durch die Lande gleiten, einen ähnlichen hohen Gähn-Faktor wie der Brexit haben. Schalkhaft fragt die Moderatorin nach Elektro-Autos, die schmackhaft gemacht werden sollen. Und dann geht es um Prämien für die, die elektrisch verkehren. Warum nicht für Fußgangster_innen, diese ewig unprämierten Pro-Klimawandler_innen?

Natürlich für eine Auto-Outsiderin eine Herausforderung, dieses Gespräch mit dem Energieminister im lila Hemd. Er schaut so kompetent, aber keinesfalls (im)pertinent kompetent. So sachlich fachlich, und doch so weitblickend. Er sagt Dinge mit Hand und Fuß und Kopf und Haarschwanz, aber dann wieder total abgefahren. Total visionär, so wie der Weltraumminister schwerelos im Weltraum unterwegs ist, ist der Energieminister es auf der Straße, einem viel undankbareren Pflaster natürlich. Man hat gar den Eindruck, dass er sich auskennt sich aus mit Autos, dabei besitzt er nicht mal eines. Aber er ist nicht gegen sie. Er hat anscheinend wirklich eine Ahnung von dem, worüber er spricht; sehr verwirrend bei einem Minister. Er hat einen Plan und eine Vorstellung, wo es hingeht, und wie. Allein schon das mit den Batterien! Alles genau ausgetüftelt. Der Energieminister denkt wirklich weit, gar schon an die nächste Generation, die der Batterien. Der Strom ist dann grün, es klingt großartig, wenn man seine eigene Sonnenenergie züchtet, kommt grüner Strom dabei raus. Dem Nachbarn kann man ab Hof was davon verhökern, hat nicht schon Old Shatterhand Rifkin in der Uucht davon erzählt? Das sind so die Visionen, und wahrscheinlich tun das ja auch schon einige, die mit der natürlichen Intelligenz. Statt Lars von Trier zu schauen.

Die Interviewerin fragt den Energieminister, ob es nicht besser wäre, auf den totalen cleanen Strom zu warten. Statt uns mit halben Sachen, halb cleanem und halb dreckigem Strom zufrieden zu geben. Der Energieminister verneint, er ist kein Purist. Er ist Minister und muss das Visionäre in die Praxis umsetzen, das Abgehobene auf den Boden bringen, auf den Asphalt. Denn leider, wie wir ja wissen, ist nicht überall Luxemburg, und wie autofährt der Luxemburger mit seinem guten Strom guten Gewissens ins Ausland? Wo es höchstwahrscheinlich vorwiegend bösen Strom gibt, wie wir alle ahnen. Atomstrom gar, wie in Frankreich, dahin fahren viele. Obschon Wasserstoff ein starker Stoff ist, der allzu viele Windmühlen braucht, zieht der findige Energieminister einen kleinen Wasserstofftank aus dem Haarschwanz. Für die Reise an die Côte d’Azur.

Da die Luxemburger_innen noch immer nicht exklusiv in Autos leben, kommen jetzt die Häuser dran. Es klingt immer wundersamer und zukunftsmusikalischer, die einfachsten und einleuchtendsten Dinge werden erfunden und gefunden. Klingt nach ein bisschen Himmel auf spröder luxemburgischer Mutter Erde, die Luxemburger_innen sind plötzlich wirklich so verdammt nett zu ihrer Mutter, sie nehmen sich fest vor, ihr keinen Ökomonster-Fußtritt mehr zu geben. Kommen sie dann in den Himmel auf Erden?

Um den zu zu erreichen, muss man nur tief buddeln. Denn jetzt verrät der Energieminister etwas Herzerwärmendes, überhaupt Erwärmendes. In der Minette ist die Erde total warm. Also unten, 500 Meter runter muss man schon, aber dann. In der Minette ist unten Süden. Wobei, wen wundert das, Minette war immer schon Süden, Italien, die Städte grau wie im Neo Realismo, die Erde rot wie in Afrika, die Menschen rau, aber herzlich. Sie lebten neben glühenden Bergen, und Männer domptierten Feuerzungen vor höllisch hohen Öfen. Beinahe alle Dichter kommen von dort.

Und im Norden?, fragt die Interviewerin, sicher aus Fairnessgründen. Ist die Erde da auch warm unten? Nein, sagt der Energieminister.

Michèle Thoma
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