Cannabis und anderes

Teufelskraut

d'Lëtzebuerger Land du 23.12.2010

Mal eben über die Grenze fahren und Haschisch oder Marihuana einkaufen – das Angebot lockte bislang viele Ausländer in die Niederlande. Auch aus Luxemburg. Weit über die Hälfte aller Kunden in den grenznahen Coffeeshops kommen aus den Nach-barländern. Doch damit soll bald Schluss sein. Die Stadt Maastricht hat den Anfang gemacht und erlaubt nur noch den Menschen den Zugang zu den Coffeeshops, die in den Niederlanden wohnen – eine Vorschrift, die der Europäische Gerichtshof nun ausdrücklich erlaubt. Der EuGH wies die Klage eines Coffeeshop-Besitzers ab, der sich gegen die Anordnung gewehrt hatte, weil er darin ein Diskriminierung seiner ausländischen Kundschaft sah.
Die Richter gaben ihm in dem Punkt Recht, dass die Dienstleistungsfreiheit tatsächlich eingeschränkt werde. Die Einschränkung sei aber gerechtfertigt, weil sie dem Ziel diene, den Drogentourismus zu bekämpfen, argumentierten die Richter. Nun will die niederländische Regierung das Ausländer-Verbot im Coffeeshop auf das ganze Land ausdehnen.
Das dürfte auch Folgen für Luxemburg haben. Es fehlen zwar Zahlen darüber, wie viele Kunden aus Luxemburg zum Drogenkauf über die Grenze fahren. Laut dem jüngsten Drogenreport 2010 der Drogenbeobachtungsstelle Relis (www.relis.lu) ist Cannabis neben Heroin das Rauschgift, das hierzulande bei Drogenfahndungen am häufigsten sichergestellt wird. Polizeibe-hörden zufolge stammt der Großteil der hierzulande konsumierten illegalen Drogen aus den Niederlanden (vor allem Cannabis). Waren Anfang der 90-er Jahre viele Kunden zum Drogenkauf noch selbst in die Niederlande gefahren, sind es inzwischen vor allem organisierte Netzwerke, die die Drogen nach Luxemburg schaffen und hier verkaufen. „Viel Drogenverkehr geschieht über die Nationalstraße 7“, sagt Vic Reuter, Pressesprecher der Polizei. In diesem Jahr deckten seine Kollegen wiederholt solche Händlerringe bei Kontrollen an Raststätten in der Grenzregion auf.
Doch auch wenn eine Broschüre des Centre de prévention des toxicomanies (CEPT) aus dem Jahre 2009 schreibt, Cannabis halte „immer mehr Einzug in die Jugendszene“ – die Daten belegen den Trend nicht. Vielmehr scheint der Gebrauch von Cannabis sogar rückläufig zu sein: 23,9 Prozent der 15-jährigen Schüler gaben in der WHO-Wohlbefindlichkeitsstudie von 2006 an, schon einmal Cannabis probiert zu haben – gegenüber 35,8 Prozent im Jahr 2002. Laut Eurobarometer von 2008 hielten 71 Prozent der Jugendlichen den Zugang zu Cannabis für leicht, im EU-Durchschnitt sind es 63 Prozent. Sollte die Regierung in Den Haag das Ausländer-Vebot landesweit ein-führen, könnte sich das ändern.
Nicht geändert hat sich indes die Politik des Gesundheitsministers Mars Di Bartolomeo (LSAP), wie die Affäre um den ADR-Abgeordneten und Arzt Jean Colombera bewiesen hat. Der hatte Patienten Cannabis zu therapeutischen Zwecken verschrieben, stieß aber mit seiner Forderung, diese Praxis gesetzlich zuzulassen, beim Gesundheitsminister auf taube Ohren. Mars Di Bartolomeo, ein erklärter Gegner jeglicher Legalisierung von Cannabis, recht-fertigte sein Nein damit, Cannabis sei in keinem Land zu medizinischen Zwecken erlaubt. Richtig ist, dass die christlich-liberale deutsche Bundesregierung plant, Schwerstkranken den Zugang zu Cannabis-Präparaten wie Dronabinol und andere, die Schmerzen und Depressionen lindern sollen, zu erleichtern.
In Luxemburg ist das kein Thema, und auch sonst ist eine Lockerung des Cannabis-Verbots in weite Ferne gerückt. Lediglich die Leiterin des CEPT, Thérèse Michaelis, kritisierte unlängst in einem Interview mit der Monatszeitschrift Forum die aktuelle Drogenpolitik scharf: Sie sei „weder realistisch noch anwendbar. Denn jeder Konsument wird gleich als Toxikomane und als Krimineller abgestempelt.“ Die Psychologin sprach sich für die Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums aus – und für eine differenzierte Herangehensweise im Umgang damit. Der nationale Drogenbericht nennt Cannabis schon seit längerem nicht mehr eine Einstiegsdroge – die Mär, dass auf den Joint quasi zwangsläufig der Griff nach härteren Drogen erfolgt, hat sich als wissenschaftlich nicht haltbar erwiesen.
Was den Gebrauch härterer Drogen wie Heroin und Kokain in Luxemburg angeht, ist dieser recht stabil: Die Zahl der Abhängigen wird auf etwa 2 470 geschätzt, mit abnehmender Tendenz. Auch die Zahl der tödlichen Überdosen ist rückläufig, sie fiel von 5,9 Überdosen mit fatalem Ausgang pro 100 000 Einwohner im Jahr 2000 auf nunmehr 4,13 – ein Erfolg, der auf die noch immer umstrittene Fixerstube zurückgeht, in der seit ihrer Eröffnung immerhin 500 Fälle von Überdosis behandelt wurden.

Ines Kurschat
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