Fundamental Monodrama Festival

Teezeremonie auf der Toilette, Besuch in Brazzaville

d'Lëtzebuerger Land vom 23.06.2017

Raum zum Erkunden von Experimenten und die Entdeckung von Kreationen junger Theaterschaffender – das ist seit jeher das Ziel des Monolabo, das seit den Anfängen fester Bestandsteil des Monodrama-Festivals ist. Begegnung wurde in diesem Jahr großgeschrieben. Beim Streifzug durch die Banannefabrik kann man eintauchen in unterschiedliche Kulturen und erleben, was Theaterschaffende kreieren, wenn man ihnen Raum gibt ...

Mit murmelnden Klängen und scharfen Gerüchen entführt einen Elsa Rauchs Installation Mam Punto op Peking nach Asien. Der verdunkelte Raum gleicht einem altmodischen Jahrmarkt voller kleiner Schreine. Betritt man den Saal, in dem ein Raunen herrscht, kann man sinnlich eintauchen in die ostasiatische Welt. Anhand von Fotografien, aufgenommenen Gesprächen oder einem Video, das aus dem Auto heraus auf einer Landstraße gefilmt ist, kann man so ein Stück weit an der Reise teilhaben, die Rauchs mit ihrem Punto durch die Mongolei, über Russland bis nach China führte. Ehrfürchtig schreitet man die Stationen ab: eine Garderobe mit Tüchern und bunten Gewändern, ein Küchentisch voller Gemüse und Kräuter, Tagebuchaufzeichnungen und Teppiche, auf denen man sich ausstrecken und die Eindrücke auf sich wirken lassen kann.

...um fast benebelt ins Foyer zu taumeln, in dem ein Hund mit aufgeschnallten Radiogerät zu meditieren scheint (Live Dog-Dubbing). Auf der Toilette fällt man schließlich einer Dame (Sisi Clees) in die Arme, die zur Teezeremonie bittet: eine Reihe von experimentellen Mini-Monos, die Anne Simon als Performances von Alter Ego über die Räumlichkeiten der Bannanefabrik arrangiert hat. – Ein surrealer Parcours, der am Ende des Abends einen würdigen Ausklang fand mit Tom Dockals Inszenierung von Heiner Müllers Herzstück. Zu morbiden Bassklängen sollte Catherine Janke einen Diaprojektor aufbauen und sorgsam die Folie eines alten Werbeplakats darauflegen. Die Frage „Darf ich Ihnen mein Herz zu Füßen legen?“ hängt wie eine Drohung im Raum. Am Ende der nur fünfzehnminütigen Performance sollte sich die Schauspielerin in Krämpfen winden und ihre widerhallende Stimme einen wie ein Echo begleiten. – Ein kurzes Intermezzo, das intensiv wirkt, doch fast schon etwas zu überladen ist mit Accessoires und vorbei, bevor man sich überhaupt darauf eingelassen hatte.

Eigentliches Herzstück des Abends war jedoch Ma Nostalgie mit Richard Mahoungou. In der einstündigen Performance ließ der im Kongo geborene und irgendwann als politischer Flüchtling in Marseille gestrandete Schauspieler Stationen seiner Ankunft und des kulturellen Clashs’ Revue passieren. Das Stück des heute in Metz lebenden Schauspielers – die einzige Produktion aus der Großregion (!) – ist gleichermaßen dokumentarisches Theaterstück wie eine afrikanische Erzählung. Bereits 2009 sollte Mahoungou in Marseille das Spektakel Crabe Rouge, ein Theaterstück von Julien Bissila, das auf Eindrücken aus dem Bürgerkrieg im kongolesischen Brazzaville basiert, aufführen. Ein mutiges Stück, das die kongolesischen Behörden verärgern sollte. Seit April 2011 hat Mahoungou einen bewilligten Asylstatus. Dass seine Lebensgeschichte in Ma Nostalgie nicht als Leidensweg auf die Tränendrüse drückt und in keinem Moment wie Betroffenheitstheater wirkt, war seiner starken Performance voller (Selbst-)Ironie zu verdanken. Humorvoll erzählte er von Episoden seines Wegs in die Lorraine. (Zum Glück kannte er jemanden, der jemanden kannte, der jemanden kannte, der in Metz lebte...), simulierte absurde Verhörsituationen nach dem Stellen seines Asylantrags oder zog Vergleiche zwischen seinem Herkunftsland und Frankreich und Luxemburg, die gut funktionieren. („Wenn Du mich ärgerst, werde ich meinen Onkel, den Minister anrufen!“) Und doch wird man Beklemmung spüren, etwa, wenn zwischenzeitlich Impressionen aus Brazzaville mit militarisierten Lastautos eingeblendet werden. In nostalgischen Bildern wird Richard Mahoungou seine Heimat (auf)leben lassen und es so schaffen, die Zuschauer für einen Moment zu entführen in eine Welt, in der die westliche Kolonisierung bis heute Spuren hinterlassen hat, von der wir jedoch kaum etwas kennen.

So vermag das Monodrama-Festival noch immer zu überraschen. Die Performances und Installationen des Monolabo in Verbindung mit Julien Bissilas und Richard Mahoungous Ma Nostalgie wirkten wie ein interkultureller Meltingpot, in den man eintauchen und sich die Augen reiben konnte. Das kleine Theaterfestival schafft es mit seinen eindrucksvollen Einzelstücken einen gleichermaßen zu verzaubern und im Streifen von zum Teil bitteren politischen Realitäten aufzurütteln.

Ma Nostalgie von Julien Bissla und Richard Mahoungou. Mit: Richard Mahoungou. Inszenierung: Jean de Pange und Claire Cahen. Monolabo: Mam Punto op Peking, eine Installation von Elsa Rauchs; Alter Ego von Anne Simon; Herzstück (nach Heiner Müller) von Tom Dockal mit Catherine Janke. Die Stücke wurden im Rahmen des Monodrama Festivals 2017 am 17. Juni in der Banannefabrik gespielt.

Anina Valle Thiele
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