Der #Luc aus Mamer

Luc Feller ist der neue Schlossherr
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 08.12.2023

Seit einer Woche wird die Bronzeskulptur des stockkonservativen Hofdichters und Kriegschronisten von Karl V., Nicolaus Mameranus, vor dem vor 20 Jahren zum Rathaus umgebauten Mamer Schloss von der Winterbühne des Weihnachtsmarkts verdeckt. Pünktlich zur Eröffnung des in der kosmopolitischen Speckgürtelgemeinde „Winter Moments“ getauften Markts hat der Gemeinderat den 49-jährigen Juristen Luc Feller zum neuen Bürgermeister gewählt, nachdem der bisherige, Gilles Roth (56), Finanzminister der neuen CSV-DP-Regierung wurde. Roth leitete fast ein Vierteljahrhundert die Geschicke der flächenmäßig viert- und nach Bevölkerung neuntgrößten Gemeinde im Südbezirk, davon 16 Jahre als député-maire. Sein designierter Nachfolger, der heute von CSV-Innenminister Léon Gloden vereidigt wird, wurde 2005 erstmals in den Gemeinderat gewählt (nachdem er bei seiner ersten Kandidatur 1999 erfolglos geblieben war), 2011 wurde er Schöffe, 2017 wurde er zwar wiedergewählt, nahm das Schöffenamt jedoch nicht an, weil Premierminister Xavier Bettel (DP) ihn ein Jahr zuvor zum Hochkommissar für nationale Sicherheit ernannt hatte. Im Januar 2021 rückte Feller dann doch in den Schöffenrat nach.

Dieses Comeback erfolgte ausgerechnet in der Zeit, als die Europäische Arzneimittel-Agentur den Impfstoff von Pfizer und Biontech gegen das Coronavirus zuließ und die Regierung nach Standorten suchte, um Massenimpfungen durchzuführen. Luc Feller war einer der Hauptprotagonisten, als Hochkommissar und Co-Präsident der Covid-19-Krisenzelle koordinierte er mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und Premierminister Bettel die logistisch sehr aufwändige Impfkampagne. Trotzdem nahm er die Herausforderung als Schöffe für die Ressorts Sport, Kultur, Schule und Kinderbetreuung an.

Als Bürgermeister kommen nun neue Aufgaben auf ihn zu. Unter anderem muss er sich den Finanzen der hochverschuldeten Gemeinde widmen und die Arbeit des Schöffenrats koordinieren. Es ist eigentlich ein Vollzeitjob: Gesetzlich stehen ihm 40 Stunden congé politique zu (doppelt so viel wie als Schöffe), seit der Gemeinderat im Juni von 13 auf 15 Räte aufgestockt wurde, weil Mamer in der letzten Legislaturperiode die 10 000-Einwohner-Marke überschritten hat. Im Gespräch mit dem Land ist Luc Feller zuversichtlich, dass er beide Aufgaben unter einen Hut bringen kann: „Wo steht denn, dass man nicht mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten darf?“ Schon sein Vorgänger Gilles Roth war Erster Regierungsrat im Finanzministerium, bevor er 2007 in die Abgeordnetenkammer nachrückte; seit April 2021 war er Co-Fraktionspräsident der CSV im Parlament.

Bei Luc Feller stellt sich jedoch nicht nur dir Frage nach dem Zeitmanagement bei zwei Vollzeitjobs, sondern auch die nach potenziellen Interessenkonflikten. Claire Delcourt von der LSAP etwa konnte ihr Gemeinderatsamt in Contern im Juni nicht annehmen, weil es gesetzlich nicht vereinbar war mit ihrer beruflichen Tätigkeit bei der Spurensicherung der Kriminalpolizei. Für Schöffen und Bürgermeister sieht das Gemeindegesetz inzwischen eine ganze Reihe an Inkompatibilitäten für Beamte in öffentlichen Verwaltungen vor, das Haut Commissariat à la Protection nationale (HCPN) gehört nicht dazu. Trotzdem können Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen werden: Der Hochkommissar ist zuständig für die Ausarbeitung und Umsetzung von Sicherheitsplänen im Falle von terroristischen Attacken, Cyberangriffen und Naturkatastrophen wie Dürren, Tornados und Überschwemmungen, von denen jede Gemeinde potenziell betroffen ist. Er arbeitet eng mit CGDIS, Armee und Polizei sowie dem Geheimdienst zusammen und hat Einblick in sämtliche staatliche Verwaltungen. Der LSAP-Abgeordnete Georges Engel stellte in dieser Woche eine parlamentarische Anfrage an den Minister für den öffentlichen Dienst, Serge Wilmes (CSV), in der er darauf hinweist, dass Beamte gesetzlich zu Verfügbarkeit, Unabhängigkeit und Neutralität verpflichtet sind. Er erwähnt Feller nicht namentlich, doch seine Anfrage ist ein Wink mit dem Zaunpfahl. Im Mamer Gemeinderat haben die beiden Oppositionsparteien sich bei Fellers Wahl zum Bürgermeister enthalten: Die DP, weil sie sich einen Vollzeitbürgermeister wünscht, wie Rat Sven Bindels dem Land bestätigt; die Grünen, weil für sie das Mamer Bürgermeisteramt mit dem des Hochkommissars nicht vereinbar ist, sagt Rätin Djuna Bernard, die als Jugendliche Babysitterin von Luc Fellers Kindern war.

Der von Weggefährt/innen vor allem wegen seiner Intelligenz und seines Ehrgeizes geschätzte Feller kann neben seinem kommunalpolitischen Engagement auf eine lange Karriere als hoher Staatsbeamter zurückblicken. In Echternach aufgewachsen, zog er im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern und seiner zwei Jahre älteren Schwester nach Mamer. Sein Vater Robert arbeitete beim Batterienhersteller Amer-Sil in Kehlen und beim Glasproduzenten Lux-Guard in Bascharage. Nach dem Abitur am LGL studierte Luc Feller Jura in Strasbourg, absolvierte einen Hochschulabschluss in Management des affaires européennes in Paris und einen Master in European Public Policy in London. 1999 trat er der CSV bei und wurde Mitglied des CSJ-Nationalvorstands. Seine Eltern seien nicht politisch aktiv, aber sehr interessiert gewesen, die CSV passe gut zu seinem „liicht konservativen Trait“, sagt Feller. Dass er sich in der Folge nur auf kommunalpolitischer Ebene, nicht aber in nationalen Parteigremien engagierte und nie bei Kammerwahlen kandidierte, habe daran gelegen, dass er stets Verantwortungsposten beim Staat bekleidet hat.

Noch während er seinen Master abschloss, absolvierte er unter François Colling (CSV) beim Europäischen Rechnungshof ein Praktikum, aus dem ein befristeter Arbeitsvertrag wurde. 1999 wechselte er zur CSSF, bevor er 2001 Attaché im Staatsministerium von Jean-Claude Juncker (CSV) wurde. 2004 beförderte Juncker ihn zum Stellvertreter des Generalsekretärs des Regierungsrats, Marc Colas, vier Jahre später zum Ersten Regierungsrat. Im Zuge der Srel-Affäre, die 2013 zu vorgezogenen Neuwahlen führte, tauchte Luc Fellers Name in Medienberichten auf, weil er und Finanzkontrolleur Patrick Gillen eine Entschädigung bezogen, die mutmaßlich Srel-Agenten vorbehalten war. In einem Land-Artikel von damals wurde deswegen die Unabhängigkeit der hohen Beamten angezweifelt, die für die finanzielle und juristische Kontrolle des Geheimdienstes zuständig waren. Heute sagt Feller, die Ausbezahlung der Entschädigung sei nicht ungewöhnlich gewesen und vom Gesetz sogar vorgesehen.

Nach dem Regierungswechsel besetzte Xavier Bettel das Generalsekretariat des Regierungsrats mit eigenen Vertrauensleuten; Luc Feller versetzte er ins Département des Cultes, wo er sich um die Konventionen mit den Religionsgemeinschaften kümmern sollte. An der Trennung von Kirche und Staat, die vor allem Innenminister Dan Kersch (LSAP) umsetzte, war er nur am Rande beteiligt. Drei Jahre später löste er Frank Reimen an der Spitze des HCPN ab, das er auf neue Herausforderungen vorbereiten sollte.

Teile des Regierungsrats stimmten Fellers Nominierung zum Leiter des 1959 im Kalten Krieg als Nato-Einrichtung gegründeten Hochkommissariats damals nur unter dem Vorbehalt zu, dass er sein Schöffenmandat, das er seit 2011 bekleidete, aufgebe. Als er 2017 in Mamer, wo seit 1968 die Nato Support and Procurement Agency (frühere Namsa) angesiedelt ist, Zweitgewählter auf der CSV-Liste wurde, überließ er dieses Mandat Marcel Schmit, blieb aber Mitglied des Gemeinderats. Dieser Verzicht beruhte angeblich auf einer mündlichen Vereinbarung mit dem Premierminister. Weil Schmit sich 2021 zurückzog und Feller zwei Jahre vor den Wahlen doch wieder Schöffe wurde, ist strittig, ob Feller die Vereinbarung brach oder ob sie überhaupt existierte.

Nach den Wahlen im Oktober ernannte Formateur Luc Frieden ihn zu seinem Sekretär bei den Koalitionsverhandlungen (wie schon Juncker 2004 und 2009). Dem Vernehmen nach war Feller auch im Gespräch, um Generalsekretär des Regierungsrats zu werden, doch die CSV braucht ihn in Mamer, wenn sie ihre Mehrheit dort behalten will. Bei den Gemeindewahlen im Juni blieb er nur 635 Stimmen hinter Gilles Roth und erhielt 400 Stimmen mehr als das LSAP-Urgestein Roger Negri, der seit 2000 als Junior-
partner mit im Schöffenrat sitzt. Der Drittgewählte auf der CSV-Liste, Ed Buchette, ersetzt nun Roth im Schöffenrat. Hätte der 68-jährige Radsportfunktionär verzichtet, hätte die CSV die fast 20 Jahre jüngere plastische Chirurgin Nadine Schmid aufbauen können, die nur eine Stimme weniger erhielt als Buchette. So bleibt der wegen des Bevölkerungszuwachses von drei auf vier Mandate erweiterte Schöffenrat aber größtenteils ein „Bro-Club“, wie Djuna Bernard ihn nennt, auch wenn mit der LSAP-Co-Parteipräsidentin Francine Closener im Juni erstmals eine Frau dazu kam (die ihr Mandat laut Koalitionsvertrag nach vier Jahren an die CSV abtreten muss).

Fellers gutes Wahlresultat bei den Gemeindewahlen ist nicht nur auf seine mediale Sichtbarkeit während der Pandemie zurückzuführen. Schon 2017 hatte er sich nur knapp hinter Gilles Roth platziert und war in Mamer dessen größter Konkurrent geworden. Hätte Feller bei den Gemeindewahlen Roth überholt, wäre der im Oktober wohl nicht Co-Spitzenkandidat im Süden und auch nicht Finanzminister geworden. Luc Feller ist im Dorfleben fest verankert, als Sport- und Kulturschöffe war er auf allen Veranstaltungen und Festen präsent. Seine Frau Michèle (die mit Mädchennamen ebenfalls Feller heißt) und seine Schwester Carole sind in Mamer Lehrer-innen, sein Schwager, der Triathlet Tom Carier, ist Bibliothekar an der Grundschule, für die Feller als Schulschöffe zuständig ist. Zusammen mit Gilles Roth und Roger Negri schmückte er regelmäßig die Titelseiten des Gemengebuet und war im Innern des Hefts auf unzähligen Fotos von Ehrungen, Einweihungen, Schecküberreichungen und Gedenkfeiern zu sehen. Auch im gemeindeeigenen Fernsehsender Mamer TV kam kaum eine Sendung ohne Roth, Feller und Negri aus.

Der Schöffenrat nutzt diese medialen Kanäle, für dessen Inhalt Luc Feller als Kommunikationsschöffe verantwortlich ist, fast ausschließlich, um für sich zu werben. Der Gemengebuet enthält zwar einen Bericht der Gemeinderatssitzungen in vier Sprachen, doch dieser umfasst häufig nur wenige Seiten und bietet lediglich einen oberflächlichen Überblick. Die Forderung der Opposition, die Gemeinderatssitzungen live auf Mamer TV und im Internet zu übertragen, hat die CSV-LSAP-Koalition bislang stets abgelehnt mit dem Argument, dass manche Anekdoten und Details dann nicht mehr in den öffentlichen Sitzungen preisgegeben werden könnten. Vielleicht haben diese Vorbehalte aber auch damit zu tun, dass der sehr selbstkontrolliert auftretende Feller der Öffentlichkeit vorenthalten will, dass er (wie sein Vorgänger) manchmal die Contenance verliert, wie es noch im Juli passierte, als die Grünen den Schöffenrat dafür kritisierten, dass er ein umstrittenes Immobilienprojekt aus „politischen und wahltaktischen Gründen“ erst nach den Wahlen präsentierte, obwohl es ihrer Ansicht nach schon vor den Wahlen fertig vorlag. Der Gemengebuet berichtet lediglich von einem „längeren und heftigen Wortwechsel“ sowie von „heftigen“ und „sehr lebhaften“ Diskussionen. Wie sie genau abliefen, verschweigen den Leser/innen die „Dichter“ und Chronisten vom kommunalen Service relations publiques, der sich zusammensetzt aus einer früheren Wort-Journalistin, einem langjährigen Jeudi- und Tageblatt-Redakteur sowie einem ehemaligen RTL-Reporter.

Luc Laboulle
© 2024 d’Lëtzebuerger Land