Emil

Patriotischer Lokalwestern

d'Lëtzebuerger Land du 06.01.2011

Der Zweite Weltkrieg ist, dramatisch und patriotisch, mit seinem festen Arsenal an Helden und Schurken, ein wenig der lokale Western des Luxemburger Films. Er wird in allen Formen aufgetischt: vom gefilmten Dorftheater über den ins Kino verirr­ten Fernsehdokumentarfilm bis zum prätentiösen Schinken. Seit die letzten Zeitzeugen verschwinden und die Regierung eine zuvor unmögliche Annäherung der Widerstands- und Zwangsrekrutiertenverbände organisiert, tauchen nun auch die ersten Wehrmacht-Deserteure als Filmhel­den auf.

Der an der Lehrernormalschule eingeschriebene Émile Schwirtz war von den Besatzern in die Wehrmacht eingezogen und in Wiesbaden für den Russlandfeldzug ausgebildet worden, ehe er 1943 während eines Heimaturlaubs desertierte. Zusammen mit einigen anderen jungen Männern versteckte er sich bis zum Kriegsende in Öslinger Wäldern und Gehöften, hatte oft mehr Glück als Verstand, wenn er den Besatzern entkommen konnte, erschoss bei Heiderscheid zwei deutsche Beamte und erkundete schließlich für die US-Truppen feindliche Stellungen.

Aus Schwirtzs ab 1994 veröffentlichten Erinnerungen Tagebuch eines Bunkerjungen machte Marc Thoma, bekannt durch die RTL-Sendung Den Nol op de Kapp als Robin Hood der Schrebergärtner, das nun bereits 5 000 Mal als DVD verkaufte Dokudrama Emil. Dokudramen heißen jene Fernsehserien, wo drei Statisten zu um so dramatischerer Musik immer wieder durch Nebelfetzen über einen Hügel rennen, um ganze römische Legionen darzustellen.

Emil sparte nicht an den Statisten. Thoma mobilisierte sogar die Rechtsberater von Den Nol op de Kapp und seine Kumpanen des gescheiterten Kueb TV. Ein CSV-Abgeordneter und ehemaliger Fernsehmoderator tritt regelmäßig mit finsterer Miene auf, um schlechte Botschaften zu verkünden. Nur an Schauspielern mangelt es, die eine banale Textzeile sagen können, ohne dass sie gleich unfreiwillig komisch wirkt.

Dafür sollen die Zuschauer auf gleich drei Erzählebenen eingebläut bekommen, was die Lieblingsvokabel der Modelleisenbahner, „Authentizität“, bedeutet: Ein unsichtbarer und allwissender Kommentator erzählt von höchster Warte aus die historische Wahrheit, dazu werden Interviewausschnitte des 80-jährigen ­Schwirtz als persönliche Erinnerungen eingeblendet und das Ganze illustrieren dann noch Laiendarsteller, welche die üblichen Kasperln wie „de Preis“, „den Amerikaner“, „de Bauer“ und „de Pasch­touer“ spielen.

Doch wie immer dient „Authentizität“ nur dazu, ein sehr konventionelles, konservatives Geschichtsbild zu vermitteln, der erwähnte patriotische Lokalwestern aus der Traumfabrik des CSV-Staats eben. Dass der Filmfonds sich weigerte, Emil zu bezuschussen, ist deshalb um so unverständlicher, als er oft nur wenig bessere Filme fördert.

Denn mit einem richtigen Drehbuch, einem richtigen Regisseur und einigen richtigen Schauspielern in der Hälfte der Spielzeit hätte das klappen können, ohne dass fast die ganze Heemecht gesungen, die Namen sämtlicher Erschossenen von Hinzert rezitiert worden wären und das Ganze sich in allerlei Exkursen verloren hätte. Schließlich hätte die Figur des vor drei Jahren verstorbenen Émile Schwirtz die Entwicklung vom Zwangsrekrutierten über den „Refraktär“ zum Widerstandskämpfer veranschaulichen können und damit auch die Konflikte, die während Jahrzehnten das Bild von der Besatzungszeit und damit einen Teil der Nachkriegspolitik prägten.

Emil (2010), Regie Marc Thoma, Drehbuch Pol Tousch, Produktion Télésparks; mit Yves Reuland (Emil), DVD, 114 Minuten, 19,80 Euro.
Romain Hilgert
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