„The Conference of the Parties takes note of the Copenhagen Accord of 18 December 2009.“ Die Vollversammlung nimmt das Papier, über das sich die Vertreter von 25 Ländern in der letzten Verhandlungsnacht geeinigt haben, lediglich „zur Kenntnis“. Damit ist in Kopenhagen kein rechtsverbindlicher Vertrag entstanden, sondern es steht jedem Land frei, um wieviel es seine Emissionen reduzieren kann.
Die Summe der Reduktionsziele, die die Industrieländer vor und in Kopenhagen vorgeschlagen haben, läuft auf 13 bis 19 Prozent Reduktion bis 2020 auf der Basis von 1990 hinaus. Dies wird noch durch Schlupflöcher relativiert: durch die Anrechnung der „heißen Luft“ aus den ehemaligen Ostblockstaaten (6%) und der eh vorhandenen Speicherfähigkeit der Wälder (5%), sowie das Nichtanrechnen der Emissionen des Flug- und Schiffsverkehrs (6%).
Das ergibt zusammen 17 Prozent (laut www.climatenetwork.org/eco vom 10.12.09). Dadurch werden aus den angebotenen 13 bis 19 Prozent faktisch minus zwei bis plus vier Prozent „Reduktionen“; minus 25 bis 40 Prozent sind aber laut IPCC notwendig. In dieser Hinsicht ist das „Ergebnis“ von Kopenhagen katastrophal, vor allem für die Menschen in jenen Länder des Südens, die schon jetzt unter dem Klimawandel leiden, und für unsere Kinder.
Es ist katastrophal, kam aber nicht unerwartet, sondern passt zu den bisherigen Erfahrungen der Entwicklungsländer: Trotz des Reduktionsziels von - 5,2 Prozent im Kyoto-Protokoll sind die Emissionen der westlichen Industriestaaten von 1990 bis 2007 – auch ohne die USA – um 3,4 Prozent gestiegen. Und die Vorschläge der USA und Australiens liefen darauf hinaus, das Kyoto-Protokoll durch ein neues Abkommen zu ersetzen, das es den einzelnen Staaten überlässt, ihre eigenen Ziele zu definieren – egal, was in der globalen Summe dabei herauskommt. Die beiden Vorbereitungstreffen in Bangkok Anfang Oktober und in Barcelona Anfang November blieben weitgehend ergebnislos. Infolgedessen mehrten sich im November die Stimmen aus dem Süden, die dem Westen die Absicht vorwarfen, „to kill the Kyoto Protocol“. Stellvertretend sei hier das South Center, ein Think tank der Regierungen der Entwicklungsländer, zitiert: „Die Indus-trieländer scheinen gewillt zu sein, Kyoto zu verlassen und keine völkerrechtlich verbindlichen Folgeziele, sondern nur politische Willenserklärungen und nationale Einzelziele zu erstreben; (...) sie versuchen, immer mehr Verantwortung für den Klimawandel auf die Entwicklungsländer abzuwälzen.“ (www.southcentre.org, Pressemitteilung vom 06.11.2009). Welch treffende Prognose!
Tatsächlich geriet China im vor dem Kopenhagener Gipfel in der westlichen Presse immer mehr zum zweiten bösen Klimabuben, dem Bösewicht Nr. 1, den USA, gleichrangig zur Seite gestellt. Die ganze vertragliche und historische Komplexität des Problems wurde auf die absolute Menge der Emissionen als einzige Kennziffer reduziert. Die beiden größten Luftverschmutzer lieferten sich denn auch in Kopenhagen einen Showdown, der sich bremsend auf den ganzen Prozess auswirkte.
Aber wer von beiden schlug denn zuerst? Fast 30 Prozent der Emissionen, die uns bis jetzt den Klimawandel beschert haben, stammen aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten und nur acht Prozent aus dem Reich der Mitte, obwohl es über viermal mehr Einwohner hat. Auch heute noch belastet ein Amerikaner die Luft viermal so stark wie ein Chinese. In der UN-Klimarahmen-Konvention, der Basis des Kyoto-Protokolls, verpflichteten sich die Industrieländer, beim Klimaschutz in Vorleistung zu treten, und auf diese „gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung“ haben die Chinesen immer wieder hingewiesen. Ohne Vorleistungen erbracht zu haben, erwartete der Westen von den Schwellenländern bis zum Jahr 2020 eine Reduktion um 15 bis 30 Prozent unter ihrem business as usual. Dem kamen die Chinesen mit ihrer Ankündigung, ihre Emissionen um 40 bis 45 Prozent pro Bruttoinlandsprodukt bis 2020 auf der Basis von 2005 zu senken, sehr nahe. Man kann der jungen Supermacht lediglich vorwerfen, dass sie dem Streit mit der alten nicht aus dem Weg gegangen ist.
Die USA haben erreicht, was sie wollten: kein verbindliches Abkommen und nur eine politische Willenserklärung. Zunächst setzten sie alles daran, eine Situation zu schaffen, in der ein rechtsverbindliches Abkommen immer unmöglicher erschien, dann präsentierte Hillary Clinton ein Bonbon mit ihrer Zusage, die USA würden sich auch für das Ziel 100 Milliar-den US-Dollar pro Jahr für Anpassungs- und Reduktionsmaßnahmen in den Entwicklunsgländern einsetzen – in einem Abkommen ohne verbindliche Reduktionspflichten. In diesem Augenblick wäre es möglich gewesen, das Verhandlungsklima wieder ins Positive zu kehren, aber zwei Tatsachen verhinderten dies.
Schon am 9. Dezember. hatte Ian Fry, der trocken-brilliante Sprecher von Tuvalu, für die 43 kleinen Inselstaaten und unterstützt von den 48 ärmsten Staaten durchzusetzen versucht, dass in einer offenen so genannten Kontaktgruppe über die Reform des Kyoto-Protokolls und das langfristige Ziel von 1,5 Grad Celsius (weil diesen Ländern das Risiko bei zwei Grad Erwärmung zu hoch ist) entschieden werden solle. In diesem Gremium hätten alle Staaten ein Stimmrecht haben und auch die NGOs als Beobachter zugelassen werden sollen. Die Sitzungspräsidentin, die dänische Klimawandel-Ministerin Connie Hedegaard, musste das Plenum zwar unterbrechen, aber letztlich erreichten die kleinen Staaten doch nicht ihr 1,5-Grad-Ziel.
Gemäß dem Aktionsplan von Bali wurde an der Reform des Kyoto-Protokolls und seiner Weiterführung nach 2012 in zwei parallelen Kontaktgruppen weitergearbeitet. Doch dann zog die dänische Sitzungsleitung einen völlig neuen Vertragsentwurf aus dem Ärmel, der sofort auf offene Ablehnung vieler Entwicklungsländer stieß, weil er nicht dem demokratischen UN-Verfahren entsprang. Auch die Beobachter wurden im Laufe der Konferenz immer mehr ausgeschlossen. Als dann schließlich nur noch 25 Länder den finalen Vertragsentwurf ausarbeiteten und sich der dänische Ministerpräsident Rasmussen, der seine Ministerin für das Finale mit den Staatschefs abgelöst hatte, als unfähiger Versammlungsleiter entpuppte, brachte Angélica Navarro, die Sprecherin Boliviens, die Vorgänge auf den Punkt: „Wer entschied eigentlich, dass 30 handverlesene Länder für 190 entscheiden? Dieser Mangel an Demokratie und Transparenz beunruhigt mich.“ Auch der Sprecher der G77+China, der Sudanese Lumumba Di-Aping, warf Gastgeber Dänemark vor, „einseitig und undemokratisch“ zu handeln.
Vom Vorreiter Europa kamen keine Impulse mehr. Sie hatten die Chance, nach Clintons Auftritt mit einer bedingungslosen Zusage über 30 Prozent Reduktion (oder 25 Prozent) die Stimmung zu wenden – aber sie taten es nicht. Das mehrheitlich konservative Europa, das vor Wahlen gern von christlichen Werten und der Bewahrung der Schöpfung spricht, hatte in Kopenhagen nur noch die Bewahrung ihrer nationalen Wertschöpfungen im Kopf.
Immerhin wurden im Copenhagen Accord das Zwei-Grad-Ziel und das Prinzip „Gerechtigkeit“ festgehalten. Damit rücken der verbleibende Platz in der Atmosphäre und die Pro-Kopf-Emissionen als Verteilungsmaßstab ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Zeiten, wo sich das Industrieland mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen und einem der geringsten Kyoto-Zielerreichungsgrade als Zwerg mit Tarnkappe in der EU-Blase verstecken kann, sind vorbei. In Kopenhagen forderte sogar Australien, dass die EU ihre Länderanteile offenlege.
Bisher hat Luxemburg weder die Klimarahmen-Konvention noch das Kyoto-Protokoll ernst genommen und hat seine vertraglichen Pflichten in zwei Punkten nicht erfüllt: Erstens verstößt die Absicht, sich komplett durch den Einkauf von Emissionsrechten freikaufen zu wollen, gegen Artikel 3 (1) der Klimarahmenkonvention, laut dem die Industrieländer bei der Bekämpfung des Klimawandels Vorreiter sein sollen, sowie gegen Artikel 6 (1) d) des Kyoto-Protokoll, der besagt, dass der Zukauf nur „zusätzlich“ zu inländischen Maßnahmen stattfinden darf.
Zweitens hat Luxemburg der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC bisher keinen Bericht (National Communication and Report) über den Stand seiner Vertragserfüllung vorgelegt. Hierin muss jedes Land u.a. darlegen, inwieweit der Zukauf von Emissionsrechten zusätzlich zu inländischen Maßnahmen ist und inwiefern die inländischen Maßnahmen ein signifikantes Element seiner Anstrengungen, sein Kyotoziel zu erreichen, darstellen. Der Bericht sollte zum 1. Januar 2006 vorliegen – doch Luxemburg ist der einzige Unterzeichnerstaat, der dieser Vertragspflicht nicht nachkam (siehe http://unfccc.int/national_reports/annex_i_natcom/submitted_natcom/items/3625.php). Stattdessen beschäftigte man sich im Frühjahr 2006 im Entwurf zum Nationalen Allokationsplan 2008-2012 mit dem Nachweis, dass der Kyoto-Vertrag Luxemburg ungerechterweise „Auslandsemissionen“ durch den Tanktourismus anrechnen würde. Bisher konnte also das UNFCCC noch nicht überprüfen, ob Luxemburg auf dem Weg ist, seine Vertragspflichten zu erfüllen.
Bis zum 1. Januar 2010 soll nun der nächste Bericht vorliegen. Laut seinem diesjährigen Bericht an die EU wird Luxemburg in den Jahren 2008 bis 2012 jährlich Emissionsrechte in Höhe von 28,1 Prozent der Emissio-nen des Basisjahrs 1990 einkaufen, um sein Reduktionsziel von 28,0 Prozent zu erreichen (Projected EU-15 emissions for non-ETS sectors expressed as annual average 2008-2012). Man darf also gespannt sein, wie im Bericht an das UNFCCC die inländischen Maßnahmen „ein signifikantes Element“ seiner Anstrengungen darstellen. Luxemburgs bisheriges Verhalten enthält jedenfalls in konzentrierter Form den Mangel an Glaubwürdigkeit, den die Entwicklungsländer den Industrieländern vorwerfen.
Für uns in Luxemburg geht es nun darum, den Klimaschutz ernst zu nehmen und nicht länger zu versuchen, uns mit allen möglichen Tricks billig hindurchzumogeln. „Was müssen und was können wir selbst zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen?“ Diese Frage müssen wir beantworten.