Die Luxembourg Friends in London bringen etwas „Heemechtsgefill“ unter die Ausgewanderten

Among the Brits

d'Lëtzebuerger Land vom 11.10.2024

Auf einem Tisch im Liberty Bounds, einem Pub in der Nähe des Tower of London, steht eine kleine luxemburgische Tischfahne. Sie gilt als Wegweiser für die Luxembourg Friends in London, die sich an diesem Septemberabend hier verabredet haben. Genau wie sie das schon seit fast 20 Jahren monatlich machen. „Es geht darum, sich als Expats auszutauschen und wieder ein bisschen Luxemburgisch zu sprechen“, so Eddie Bohnert, ein Escher, der seit mehr als 50 Jahren im Vereinigten Königreich lebt. Ihm gehört die Tischflagge, denn er ist Mitgründer der Treffen, die er mit Freunden 2005 startete. Einladungen zu den Kneipenabenden werden über eine Mailingliste verschickt, auf die sich jeder, der sich mit dem Großherzogtum auf irgendeine Weise verbunden fühlt, einschreiben kann. Die Liste hat heute mehr als 200 Mitglieder.

Es gibt kein luxemburgisches Café in London, und so musste man für den kontinentalen Charme auf Nachbarländer zurückgreifen: Man traf sich damals also im Lowlander Grand Café, einer belgischen Bar in Covent Garden. Die Stammpubs hat man über die Jahre gewechselt, und einige der Mitgründer sind weggezogen, doch Eddie organisierte die Treffen weiter. „I am left holding the baby“, sagt er. „Ich trage die Fahne“, fügt er auf Luxemburgisch hinzu.

Die Friends sind auch an diesem lauwarmen Septemberabend eine vielfältige Gruppe von Leuten. Es gibt warme Begrüßungen zwischen denen, die sich schon kennen, andere wirken ein wenig schüchterner. Doch die Atmosphäre ist locker und einladend, die erste Runde Bier wird bestellt. Leonard, ein junger DJ und Komponist, saß schon öfter am Tisch der Luxembourg Friends. Er lebt in London, hat aber immer noch Kontakt mit Familienmitgliedern in Luxemburg. Seine Mutter zog aus Vietnam ins Großherzogtum, als sie 20 Jahre alt war. „Als ich ein Kind war, verbrachten wir Weihnachten jedes Jahr dort“, sagte er. Leonard findet es gut, dass die Treffen inklusiv sind und man nicht unbedingt Luxemburger sein oder spezifische Sprachkenntnisse haben muss, um teilzunehmen. Zu den Abenden komme er normalerweise mit seinem Vater, und er sieht sie als Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen.

Lynn, eine Luxemburgerin aus Wiltz, die bereits seit 17 Jahren in London lebt, freut sich, neue Leute kennenzulernen. Dies war ihre zweite Pub Night. „Ich habe all die Jahre eigentlich nie andere Luxemburger in London kennengelernt“, so die Kommunikationsberaterin in einem schriftlichen Interview. „Wir hören immer nur ‘You’re the first person from Luxembourg I meet!,’“ Ihr gefällt es, dass sich hier Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen treffen, auch sei es „cool, in London mit Leuten auf Luxemburgisch zu sprechen“.

Die Meilensteine der Friends werden mit luxemburgischen Leckereien gefeiert: Zum zehnten Jahrestag gab es Bamkuch im Pub, und das 150. Treffen feierte man im Jahr 2018 auf Fuesdënschdeg mit hausgemachten Verwurrelter. Im Februar dieses Jahres gratulierte sogar Georges Friden, Luxemburgs Botschafter in London, der Gruppe zum 200. Treffen. Getrunken wurde allerdings kein Luxemburger Crémant, sondern Schaumwein aus Surrey, der von anonymen Stammgästen spendiert wurde. Im Liberty Bounds haben einige Abendessen bestellt, andere bleiben bei Bier und Snacks. Pizzen und Hähnchengerichte werden zum Tisch gebracht.

Brayden, aus dem amerikanischen Bundesstaat Indiana, hat ihre Verbindung zum Großherzogtum erst vor kurzem entdeckt. Sie fand heraus, dass ihre Familie aus Wormeldange stammt. Ihre Vorfahren wanderten nach St. Donatus in Iowa aus, ein Township, das von Luxemburgern besiedelt wurde. Nach ihrer Recherche beantragte sie die Staatsbürgerschaft – sie ist nun seit einem Jahr offiziell eine Luxemburgerin. Als sie ihren Pass abholte, besuchte sie den Heimatort ihrer Vorfahren. Begeistert zeigt sie sonnige Fotos von sich und ihrem Partner auf der Koeppchen in Wormeldange. „Wir konnten einfach so über den Fluss nach Deutschland spazieren, das war sehr cool“, sagt Brayden. Auch sie ist hier, um Kontakte zu knüpfen. „Ich finde es wichtig, eine verantwortungsvolle Bürgerin zu sein. Ich kann eine verantwortungsvolle Amerikanerin sein, weil ich das Land sehr gut kenne. Doch Luxemburg kenne ich nicht so gut, und ich möchte Leute von dort kennenlernen und lernen, was es heißt, luxemburgisch zu sein.“

Viele der Anwesenden sind Expats oder Familienmitglieder von Ausgewanderten. Andere haben geplant, wieder nach Luxemburg zurückzukehren. Sabrina, eine Luxemburgerin, die in Paris lebt, ist gerade bei Paul, ihrem britischen Partner, zu Besuch. Die beiden haben sich entschieden, nach Luxemburg zu ziehen. „Seit Brexit muss Paul seine Aufenthaltstage immer zählen, und es ist einfacher für uns, in Luxemburg zu leben“, sagt Sabrina. Paul freut sich sehr auf den Umzug. „Ich mag es, wie sauber und effizient Luxemburg ist, und dass man sich darauf verlassen kann, dass alles funktioniert. Die Leute dort scheinen sich sehr um einander zu kümmern“, erzählt Paul, der von Großbritanniens EU-Austritt sehr enttäuscht ist. „Brexit hat meine Sicht auf mein eigenes Land sehr verändert,“ klagt er. „Ich bin sehr misstrauisch gegenüber dem, was hier passiert.“

Gruppen wie die Luxemburg Friends spielen vor allem für Neuankömmlinge in Großstädten eine wichtige Rolle, denn das Stadtleben kann anfangs einsam sein. „Wir sind eine erweiterte Familie, die sich immer gegenseitig aushelfen,“ sagt Eddie. Die Gruppe hat zwar keine formellen Strukturen, doch das gelassene Networking kann wichtige Ressourcen bieten. Denn um die luxemburgische Tischfahne sammeln sich Leute mit unterschiedlichen Erfahrungen: Menschen jeden Alters, dabei sind Professoren, Rechtsanwälte, Musiker, Interpreten, Studenten und viele mehr.

Auf die Vielfalt der Gruppe ist Eddie Bohnert sehr stolz. Über die Jahre hat sich ein diverses Netzwerk von Freunden erstellt, das nie wirklich stagnierte. Junge Menschen – oft Studierende – kommen stets hinzu. Viele ziehen zwar wieder weg, einige bleiben jedoch, wie Eddie und Lynn, für längere Zeit in Großbritannien. So findet man Freunde fürs Leben. „Normalerweise, wenn man älter wird, fallen Freunde weg,“ sagt Eddie. Aber mit den Luxembourg Friends „gewinnt man immer wieder neue hinzu“.

Die Kneipenabende finden nun alle zwei Monate statt. Das nächste Treffen ist für den
12. November geplant. Mehr Infos und die Mailingliste findet man auf

Claire Barthelemy
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