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Von der Theorie zur Praxis

d'Lëtzebuerger Land du 13.01.2011

Der Präsident des Handwerkerverbands, Norbert Geisen, konnte beim Neujahrempfang seiner Föderationen einen historischen Durchbruch vermelden: „Es ist aber das erste Mal, dass eine Regierung diese Problematik implizit zur Kenntnis nimmt. Sonst wurde bei einer Indextranche immer nur von den Auswirkungen auf den Staatshaushalt geredet und nicht von den Auswirkungen auf unsere Betriebe, die Arbeitslosigkeit und die Konkurrenz­fähigkeit. Das Handwerk bewertet diese Einsicht als ein ganz positives Signal, auf das man aufbauen kann.“ Nachdem sich die Regierung am 29. September mit OGB-L, LCGB und CGFP darauf geeinigt hatte, die nächste Indextranche bis zum 1. Okto-ber 2011 hinauszuzögern, hatte sie den Unternehmern sogar angeboten, die Kosten einer Indexanpassung bis Ende des Jahres zu kompensieren. Ein Teil der Regierung und der Sozialpartner befürchtete aber, einen Präzedenzfall bei der Verstaatlichung der Lohnkosten zu schaffen, und so wird stattdessen die Bezuschussung der Fortbildung erhöht.

Im Herbst hatten verschiedene Unter­-nehmervertreter die Abmachung über eine neue Indexmanipulation auf-gebracht eine „Frechheit“ genannt. Sie fühlten sich von Regierung und Gewerkschaften hereingelegt, weil zum Zeitpunkt der Abmachung der Statec damit rechnete, dass die nächste Indextranche ohnehin nicht vor Oktober fällig würde, die Betriebe also keinen Euro sparen würden. Aus diesem Grund konnten die Gewerkschaftsvertreter auch ihre Mitglieder beruhigen, dass die erneute Indexmanipulation ein taktischer Schachzug sei, um Schlimmeres zu verhüten, und mit etwas Glück bloß auf dem Papier existiere.

Doch nun könnte sich das Schicksal wenden. Die Inflation be-schleunigt sich wieder, vor allem unter dem Einfluss der Erdölpreise, die nicht nur in jedem Winter steigen, wenn die Nachfrage nach Heizöl zunimmt, sondern auch weil mit dem begonnenen Wirt-schaftsaufschwung der Anstieg fortgesetzt zu werden scheint, der durch die Krise vor zwei Jahren nur unterbrochen worden war. Nach einem Rückgang im November meldete der Statec vergangene Woche für Dezember eine nach nationalen Kriterien erstellte Inflationsrate von 2,8 Prozent.

Hatte der Statec Anfang November noch in seiner monatlichen Mitteilung vorhergesagt, dass die nächste Indextranche nicht vor dem vierten Quartal fällig würde, hieß es im Dezember, dass sie nicht vor dem dritten Quartal fällig und ihre Auszahlung auf Oktober aufgeschoben würde. Womit die anfangs als theoretisch angesehene Indexmanipulation praktisch würde und der Infla­tions­ausgleich mit zwischen einem und drei Monaten Verspätung aus-gezahlt würde. Um so erstaunlicher ist deshalb, dass die neuste Ausgabe der Statec-Mitteilung zur Preisentwicklung erstmals seit langem keine Prognose mehr veröffentlicht, wann die Preise seit der letzten Indextranche um 2,5 Prozent gestiegen sein werden.

Romain Hilgert
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