Wie die SNCT-Tarife beinah gestiegen wären

Index- und Verfassungsbedenken

d'Lëtzebuerger Land du 27.01.2011

Beinahe wären zum 1. Januar nicht nur die Krisenabgabe eingeführt, die Krankenkassenbeiträge gestiegen und in vielen Gemeinden die Wasserpreise auf ein kostendeckendes Niveau gehoben worden. Beinah wären auch die Tarife der SNCT, der Société nationale de contrôle technique, gestiegen – um gleich 15 Prozent im Schnitt.

Doch wie gesagt: nur beinahe. Denn die großherzogliche Verordnung, die die Preiserhöhung in Kraft setzen sollte, ist bis heute noch nicht im Memorial veröffentlicht. So dass an der Kontrollstatioun vorerst alles beim Alten bleibt. Ehe die Regierung einen neuen Anlauf nimmt, würden erst ein paar „Anpassungen“ am Service der Stationen in Sandweiler, Esch/Alzette und Wilwerwiltz vorgenommen, erklärt Nachhaltigkeits- und Infrastrukturminister Claude Wiseler (CSV): Autobesitzer sollen ihren Kontrolltermin künftig via Internet ändern oder selber aussuchen können, und die Öffnungszeiten der Stationen würden „verbessert“.

Mit diesen Maßnahmen will Wiseler vermeiden, dass sich beim zweiten Anlauf zur Tariferhöhung derselbe Protest erhebt wie beim ersten Mal. Das war im Oktober/November letzten Jahres gewesen, und es hatte gehörig gekracht. Natürlich nicht öffentlich: Die Regierung hütete sich, den Verordnungsentwurf, dem das Kabinett am 10. September seine Zustimmung gab, an die große Glocke zu hängen. Den Zorn der Autofahrer hätte eine solche Veröffent­lichung vielleicht nicht mal erregt: Der Preis für eine turnusgemäße PKW-Durchsicht sollte von zurzeit 25 Euro auf 28,75 Euro steigen. Die SNCT-Tarife hätten jedoch leicht in die Mühlen der großen Politik geraten können.

Denn diese Tarife gehören zu den staatlich festgesetzten Preisen, und die hatte die Regierung in der Tripartite 2006 möglichst im Stillstand zu halten versprochen, um die Infla-tionsentwicklung zu dämpfen. Weil bei der Verabschiedung der neuen Tarife durch das Kabinett weder über das Sparpaket, noch über einen neuen Indexkompromiss, noch über die Zukunft der Tripartite entschieden war, reichte es schon, lediglich die Berufskammern und den Staatsrat um Gutachten zum Verordnungsentwurf zu bitten, damit es Ärger gab.

Die Handelskammer nannte die geplante Tariferhöhung „eindrucksvoll“ und rechnete vor, dass die Behauptung, die Preise würden im Schnitt um 15 Prozent steigen, irreführend sei: Nur ein einziger SNCT-Tarifposten solle um 10,8 Prozent angehoben werden, dafür jedoch gleich mehrere um 25 Prozent. Die Handelskammer monierte, dass schon die steigenden Wasserpreise auf dem Index-Warenkorb lasteten, und lehnte die SNCT-Tarifanpassung ab.

Die Handwerkskammer hätte gerne gewusst, was die SNCT unternommen habe, um ihre Produktivität zu verbessern, und beklagte, dass der Verordnungsentwurf darüber ebenso wenig Auskunft gebe wie über die Auswirkungen der Tariferhöhung auf den Index. Anzüglich wies sie darauf hin, wie es ihrem Heizungs-Kontrolldienst vor drei Jahren gelungen sei, dank eines neuen Informatiksystems seine Preise um sechs Prozent zu senken und dass sie noch immer auf diesem Stand seien. Grü­nes Licht für neue Kontroll-Tarife erhalte die Regierung erst, wenn die SNCT produktiver werde, schrieb die Handelskammer dem federführenden Minister Wiseler.

Der Staatsrat fand, die Preiserhöhung erfolge „zu plötzlich“ in „zu großem Umfang“. Während die Handelskammer geklagt hatte, dass die Betriebe „staatlicher Willkür“ bei der Preisfestsetzung für die SNCT ausgesetzt seien, weil die ein Monopol auf die KFZ-Kontrolle habe, meinte der Staatsrat, das Monopol sei vermutlich EU-vertragswidrig.

Die Salariatskammer erinnerte daran, dass die staatlich festgesetzten Preise in Luxemburg von 2005 bis 2010 um 18,3 Prozent gestiegen waren – stärker als in den meisten anderen EU-Staaten. Und sie kritisierte die geplante Tariferhöhung bemerkenswerterweise noch aus Managersicht: Die Regierung hatte die Preisanpassung unter anderem damit begründet, dass seit der letzten Anpassung zum 1.1.2006 vier Indextranchen fällig wurden und neue Kollektivverträge für die SNCT ausgehandelt worden wären. Reguläre Gehaltsanpassungen für die Mitarbeiter gab es ebenfalls; außerdem wurde der Kontroll-Staff um neun Personen erweitert. Infolge all dessen stiegen die Personalkosten der SNCT um fast 30 Prozent. Was durch einen Teil der Tariferhöhung – 9,68 Prozentpunkte davon – kompensiert werden sollte.

Die Salariatskammer war damit nicht ohne Weiteres einverstanden: Erweiterungen der Belegschaft geschähen wegen gesteigerter Geschäftsaktivität, die zu mehr Umsatz und höheren Gewinnen führt. Die aber müssten, allem betriebswirtschaftlichen Verständnis nach, die erhöhten Personalkosten decken. So lange die SNCT „intransparent“ wirtschaften dürfe und ihre Gewinne und Verluste unbekannt seien, werde man keine Tarif­erhöhung mittragen.

Angesichts so großer Opposition überrascht es nicht, dass die Regierung einem zweiten Anlauf Service-Verbesserungen voranschicken will, damit zumindest die autofahrende Bevölkerung die Tariferhöhung so gut es geht akzeptiert. Dass die Affäre keine ganz einfache ist, zeigt auch, dass der für die staatlich festgesetzten Preise zuständige Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP) lieber keinen Kommentar zum Verordnungsentwurf vom Herbst machen will: Das sei Wiselers Dossier, lässt er auf Anfrage mitteilen. Der aber hatte den Entwurf im Regierungsrat gemeinsam mit Krecké vorgestellt.

Wie die Service-Verbesserungen aussehen und was sie kosten werden, wird ebenfalls interessant zu beobachten sein. Die öffentliche Meinung über die Produktivität der SNCT dürfte nach Bekanntwerden der Rückstände beim Umtausch der Gro Kaart Anfang des Jahres angeschlagen sein (siehe den Text auf S.8). Und dass der Kunde seinen Kontrolltermin künftig via Internet ändern oder selber aussuchen könne, und dass die Stationen in Sandweiler und Esch länger geöffnet bleiben sollten, hatte schon im Entwurf vom Herbst gestanden. Für diese Verbesserungen wollte die SNCT 13 neue Mitarbeiter einstellen. Damit begründete die Regierung den zweiten Teil der Preiserhöhung – um 5,26 Prozentpunkte.

Ausgerechnet in den Maßnahmen für verbesserten Service aber fand die Salariatskammer Kritikwürdiges: Die Regierung hatte geplant, einen Zuschlag von 4,35 Euro (ohne Mehrwertsteuer) einzuführen. Autobesitzer mit Kontrolltermin, die den Zuschlag zahlten, sollten in den SNCT-Stationen innerhalb einer Viertelstunde abgefertigt werden. Schaffte die SNCT das nicht, sollte sie dem Kunden nicht nur den Zuschlag rückerstatten, sondern pauschal 15 Euro auszahlen.

Dagegen protestierte die Salariatskammer: Alle Kontrollen, für die ein Termin vergeben wurde, sollten innerhalb einer Viertelstunde stattfinden, nicht nur die, für die extra bezahlt wurde. Alles andere sei zum Nachteil sozial Schwächerer und womöglich gar ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot in der Verfassung.

Peter Feist
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