Automarkt Luxemburg

Immer noch mehr

d'Lëtzebuerger Land vom 27.01.2011

Nein, die Luxemburger Autohändler hatten im Großen und Ganzen bei ihrem traditionellen Empfang zwei Wochen vor Beginn des Autofestivals, im Rückblick auf das vergangene Jahr keinen Grund zur Klage. Um 5,2 Prozent hatten die Neuzulassungen 2010 zugelegt. Nach dem Einbruch um fast elf Prozent im Krisenjahr 2009 war das kein so schlechtes Ergebnis, und mit insgesamt 52 826 PKW, Mehrzweck-KFZ und Kleintransportern wurde wieder beinah so viel abgesetzt wie 2005 mit 53 771 Fahrzeugen. Im Europa-Vergleich, den der Automobilherstellerverband Acea regelmäßig anstellt, sieht der heimische Automarkt ebenfalls recht positiv aus: Der über fünf Prozent starke Zuwachs im Großherzogtum steht einem Einbruch um 5,5 Prozent im Schnitt der EU-27 gegenüber.

Doch wer sich die Zulassungsstatistiken ein näher besieht, kann zu dem Schluss kommen, dass der stellvertretende Direktor der Société nationale de contrôle technique, Armand Biberich, nicht Unrecht hat, wenn er feststellt, der Markt sei schon seit ein paar Jahren „gesättigt“: Seit 2002 oszilliert die Relation der PKW und Mehrzweck-KFZ pro Einwohner um 0,66. Das heißt, auf drei Einwohner kommen zwei solcher Fahrzeuge.

Eine gewisse Hoffnung der Händler lautet deshalb, dass die Bevölkerung hoffentlich weiterhin so dynamisch wachsen werde wie in der Vergangenheit. Denn wenn die Bevölkerungsprognosen sich bewahrheiten, die das Statistikamt Statec im Herbst ver-gangenen Jahres gemacht hat, dann gibt der Markt auch künftig noch man-ches her. Während Ende 2010 rund 504 000 Einwohner und 337 251 PKW und Mehrzweck-KFZ gezählt wurden, könnten fünf Jahre später auf 544 000 Einwohner 359 000 solcher Gefährte kommen; im Jahr 2020 auf 573 000 Einwohner 378 000 Fahrzeu-ge. 2030 schließlich, wenn Luxemburg mit 644 000 Seelen schon fast zum 700 000-Einwohnerstaat geworden sein könnte, wären 425 000 PKW und Mehrzweck-KFZ im Fuhrpark – rund doppelt so viele wie 1994.

Diese Rechnung ist nicht nur hypothetisch, weil sie bis zu zwei Jahrzehnte in die Zukunft reicht. In der Mikroperspektive war der 5,2-Prozent-Zuwachs an Neuzulassungen im vergangenen Jahr weniger auf PKW-Verkäufe zurückzuführen, als auf den Absatz von Mehrzweck-Fahrzeugen: Mit 27 151 lagen die PKW-Neuzulassungen 500 Einheiten unter denen von 2009. Dagegen wurden im letzten Jahr 22 575 Mehrzweck-KFZ neu immatrikuliert. 2009 waren es nur 19 612 gewesen. Vielleicht lag das daran, dass 2009 die Abwrackprämie zu so vielen PKW-Neukäufen anregte, dass im Jahr danach geradezu zwangsläufig weniger gekauft wurde. Oder daran, dass die Neuzulassungen von Firmenwagen derzeit stagnieren: Nachhaltigkeitsminister Claude Wiseler (CSV) bezifferte ihren Anteil an den Neuimmatrikulationen des vergangenen Jahres auf 33 Prozent – so viel wie 2009, während der Anteil 2008 noch bei 44 Prozent gelegen hatte.

Es könnte aber auch sein, dass der Bedarf, sich individuell zu moto-risieren, sich ändert. Vor allem dieser Faktor wird entscheidend dafür sein, ob der Pro-Kopf-Anteil der Fahrzeuge in 20 Jahren tat-sächlich dem heutigen entsprechen wird. Der Bedarf an individueller Mobilität der heutigen Bevölkerung ist bereits kleiner als jener der Leute in den Achtzigerjahren. Die heutigen Verhältnisse fort-zuschreiben auf eine Bevölkerung von an die 650 000 Einwohnern, hieße, die derzeitige Verteilung von Stadt- und Dorfbevölkerung auf eine um 30 Prozent größere Gesamtbevölkerung zu projizieren. Es unterstellt, in Luxemburg gebe es genug Platz, um weiterhin so verstreut zu wohnen, dass der Besitz eines Autos ziemlich unab-dingbar ist für die Fortbewegung über Land. Weil Luxemburg aber klein ist, werden zumindest einige Händler sich in der Zukunft Sorgen machen müssen um ihr Geschäft. Denn die Erfahrung lehrt zumindest bisher, dass Platzmangel, auch wenn er sich in erhöhten Baulandpreisen äußert, relativ wenige zum Wegzug über die Grenze veranlasst. Zwangsläufig wird das Wohnen in den Städten zunehmen müssen – da, wo man seltener ein Auto braucht.

Peter Feist
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