Die kleine Zeitzeugin

Serial City Shoppers

d'Lëtzebuerger Land vom 29.11.2019

Wenn der Black Fright Day dräut, gehe ich durch den Regen, ich spreche mit den Wolken oder mit mir. Ich stapfe durch den Schlamm, ich atme tief, ein, aus, alles wird gut. Ich schüttele den nassen Kopf, bis das schwarze Loch mit dem Weltraumschrott rausfällt. Du musst nicht! Du musst gar nichts! Sterben zwar noch, jaja, hab ich schon mitgekriegt, ihr kriegt mich noch. Aber sonst nichts. Nada. Kein Zwang. Du musst nicht beißen, an dich reißen, reißen. Du musst nicht mal ausreißen. Alles gut. Lass sie einfach. Warte, bis es vorbei ist, alles geht vorbei, wir sind nur Chimären, Illusionen, was wir an uns raffen, erst recht, alles nur Schein, für oder gegen einen Haufen Scheine. Lass die Wölf_innen und schlauen Schweinchen, lass ihnen die Freude, die Vorfreude, sitz’ im Mauseloch und mucks dich nicht. Mucksmäuschenstill. Nach dem Gelduntergang stehen alle wieder auf und zucke(l)n weiter. Erleichtert, beschwert, Zeug statt Zaster. Der Krieg geht vorbei. Die stille Zeit geht auch vorbei.

Peace, Om, warte, bis sie alles abgegrast haben, alles abgejagt haben, was und wem auch immer; vielleicht geht es ja noch gut, vielleicht gibt es Überlebende, nicht immer so negativ denken. Warte also, bis sie die Beute in der Autohöhle verstaut haben, sich selber im Stau, und dann alles in ihre Hölle gestopft. Wo sie es schnurrend umrunden, happy Rülpser werden ausgestoßen. Oder es verpacken, mit Schleifchen und Herzlein und es zu den Kerzlein legen. Und wie dann all das von den Beschenkten durch den Stau zurück gekarrt wird. An einem extranetten, extrafetten Konsumkampftag, alles back, vielleicht gibt es gar Cash, bar auf die Kralle.

Es ist gut. Es ist gut. Sag es dir, Mantra Mantra, es ist gut für den Konsum und die Wirtschaft, und das ist auch gut für uns. Dann kriegen die Armen, von denen Arte berichtet, was die Luxemburger Arte-Zuschauer_innen aufgerüttelt posten, einen Lohn statt einen Hohn, und vielleicht kann die Re-Gier-ung sogar Wohnungen kaufen für die schwer schuftenden sozialen Schwächlinge; immer können sie ja nicht im Stau wohnen, ist ja kontraproduktiv, auch für die Umwelt. Aber dafür ist ja Friday for Future da, die haben an dem Tag auch gebucht.

Also mach kein Drama draus, ist nur Shopping-Hopping, der Kaufrausch ist auch nur ein Rausch, nicht jede verfügt über das kulturelle Kapital, sich an Lysergsäurediethylamid zu laben. Manche wollen ein Sofa. Oder sie brauchen eines. Oder Hundefutter für ein Jahr. Oder einen Kinderzwinger. Sei nicht so elitär. So abgehoben. So in den Wolken. Nicht jede kann es sich leisten, im etwas aus der Mode geratenen Elfenbeinturm am Hungerbuch zu kauen. Außerdem ist Häppchen- und Schnäppchenjagd gesund, sehr therapeutisch für alle Kontaktgestörten, Attacke statt Panikattacke. All die Körper, die sich kontaktieren, die Menschen sind ja heute pathologisch kontaktscheu. Dauernd fühlen sie sich unangenehm berührt. Es hat was Archaisches, Mann gegen Mann und, schon gut, Frau gegen Frau gegen Mann, jedes gegen jedes, richtiges Leben, so Rock, Schweiß, Blut und Tränen, aber ohne Blut. Die meisten kommen gut heim, wie sie bestimmt auf RTL wünschen, irgendwann. Mit irgendwas. Endlich massenmenschlich werden!

Mann kann sich auspowern, ohne dass eine Tote nachher in der wirklich schönen Einrichtung liegt. Er kann sein Testosteron positiv einbringen, er schleppt Analoges nach Hause, Kücheneinrichtungen, Klomuscheln, Play Stations, frau freut sich, so einen zu haben. Viel cooler, viel hotter als online, was natürlich auch geht, für Fettis und Faulpelze und Angsthäsinnen.

City Shopping Luxembourg kündigt Black Out Fright Day als ein „huge event for serial shoppers“ an. Gruselhuch, in meinem Schulwörterbuch, so old school bin ich noch, finde ich nur die serial killers! Ist es so schlimm? Guggelguggel beruhigt, serial shoppers sind Menschen, die aus psychischen Gründen mindestens drei Tage hintereinander shoppen.

Finde ich dann doch wieder schön, Luxembourg City Shopping extra für Menschen mit psychischen Problemen. Gerade jetzt vor Weihnachten.

Michèle Thoma
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