Christliche Großherzigkeit

Hufeisen in der Pasta

d'Lëtzebuerger Land vom 01.03.2013

Heute loben wir die christliche Großherzigkeit. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer hat eine revolutionäre Idee, wie der Pferdefleischskandal aus der Welt zu schaffen wäre. Die massenhaft aussortierten Lasagne-Packungen sollen nicht etwa vernichtet, sondern an Bedürftige verteilt werden. Was er unter „Bedürftigen“ versteht, führt er nicht näher aus. Wir dürfen allerdings annehmen, dass er nicht von eingefleischten Pasta-Junkies im permanenten Rauschzustand spricht. Sondern von Menschen, die in ihrem leidvollen Leben nichts zu reißen und zu beißen haben.

Hier macht ein bekennender Christ endlich Nägel mit Köpfen. Und zwar nicht nur auf der rein humanitären Ebene. Sein Einfall ist auch von bestechender politischer Qualität, sozusagen ein echter Wirtschaftswundergeistesblitz. Ja, es stimmt: Die Entsorgung der falsch etikettierten Lebensmittel kommt weitaus teurer zu stehen als deren Verfütterung an Hunger leidende Obdachlose. Der Bedürftige wird sozusagen zur lebenden Mülltonne erklärt. Er mampft unentgeltlich, was andere maschinell mit großem Kostenaufwand von der Bildfläche verschwinden lassen. Wenn schon etwas weggeworfen werden muss, was wir empfindlichen Feinschmecker nicht mögen, muss es ja nicht unbedingt in den Abfallkübel wandern. Das schlägt unverhältmäßig ins Geld und ist auch technisch viel zu aufwändig. Man kann den zum Dreck erklärten Fraß ja auch in die Bedürftigen hineinstopfen. Diese Menschen brauchen unbedingt von Zeit zu Zeit eine warme Mahlzeit.

Völlig unverständlich ist, wieso die Bedürftigen jetzt fast unisono gegen das kulinarische Geschenk des Himmels protestieren. Warum denn so pingelig? Jahraus, jahrein ist kein Schwein bereit, den Obdachlosen eine saftige Lasagne zu spendieren, und jetzt, wo die Spezialität mit ganzen Lastwagenladungen angekarrt wird, verziehen die Beschenkten auf einmal das Gesicht? Ja, seid ihr denn plötzlich alle überkandidelte Gastronomen, verehrte Bedürftige? Natürlich ist Pferdefleisch in den sonderbaren Brei gemischt worden, aber was habt ihr denn gegen die armen Pferde? Wollt ihr Gottes Kreaturen verleumden? Hat ein Pferd etwa nicht das elementare Recht, stilvoll in einer Lasagne zu verenden?

Ihr solltet auch keine dummen Fragen stellen. Zum Beispiel die, wieso Herr Fischer die konfiszierte Ware nicht in die Backröhre seiner eigenen Familie schiebt. Vielleicht hat der edle Herr Fischer ja Kinder, die soeben rosarote Bücher mit allerliebsten Pferdegeschichten lesen. Mit glühendem Kopf vertiefen sich die Kleinen in ihre Hükoko-Romantik, sie strahlen vor Begeisterung über die niedlichen Abenteuer in den Reitställen der Bessergestellten. Man zerstört doch nicht den edukativen Wert einer solchen Lektüre, indem man sozusagen parallel die sterblichen Überreste liebenswerter Ponys vom Teller putzt. Von solch traumatischen Erziehungskonflikten haben die Bedürftigen leider keine Ahnung. In ihren Kreisen wird nicht gelesen, also können diese literarisch Unbeleckten auch nicht wissen, wie tief unseren Jüngsten das Schicksal knuddelig anrührender Pferdchen zu Herzen geht.

Herr Fischer ist ja auch in politischer Hinsicht ein hartgesottener Kerl. Er weiß genau, woher das frevlerische Pferdefleisch stammt: aus dem bedürftigen Rumänien. In diesem politischen Tollhaus, dieser europäischen Mafiahöhle, können keine gesunden Pferde gedeihen. Wahrscheinlich sind die rumänischen Pferde längst auch schon angesteckt vom Virus des Zwiespalts und der Niedertracht. Ihr Gift wirkt in der Lasagne fort, trügerisch umhüllt das Pastakleid die Ekelfüllung. Rumänische Pferde kommen uns nicht ins Haus, wird wohl Herr Fischer denken. Der Mann liegt richtig. Wer intelligent ist, boykottiert die suspekte Lieferung aus dem zerrissenen Land. Davon sollten sich die Bedürftigen aber in keinster Weise betroffen fühlen. Ihr Trumpf ist die eigene Bedürftigkeit, höher sollten sie gar nicht zielen. Also jetzt mal im Ernst: Wieso wird die Pferdefleischlasagne abgelehnt? Die Pastafabrikanten haben doch keine Hufeisen in ihren leckeren Fresspaketen verscharrt. Sind wir nicht ein bisschen intolerant, liebe Obdachlose? Wenn es darauf ankommt, ist sogar Hufeisenknabbern immer noch gesünder als die desolate Nahrungssuche in stinkenden Mülltonnen.

Der christlich aufgelegte Herr Fischer ist übrigens auch Afrika-Experte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Da eröffnet sich ein weites Feld. Wir wissen ja, dass auf dem afrikanischen Kontinent besonders zahlreiche Bedürftige vegetieren. Sollten unsere mitteleuropäischen Bedürftigen also weiterhin störrisch bleiben und Herrn Fischers nahrhafte Spende verweigern, könnte das ganze Lasagne-Desaster kurzerhand auf dem schwarzen Kontinent beendet werden. Herr Fischer kann ja den Negern – Pardon, den anders Pigmentierten – aus Transportflugzeugen ganze Container voller Pferdefleischlasagne in ihre verrotteten Dörfer abwerfen lassen. Die Heidenkinder werden dankbar mit den Kopf nicken. Da strahlt Herrn Fischers christliche Partei.

Guy Rewenig
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