Automobile der Zukunft müssen nicht nur vernünftig sein, sondern dürfen auch an Emotionen appellieren

Elektrisch, aber mit „Benzin im Blut“

d'Lëtzebuerger Land vom 27.01.2012

Die Zukunft des Elektro-Autos ist derzeit noch ebenso offen wie vielfältig. Natürlich: Schadstofffrei müssen sie sein, die E-Mobile. Wirtschaftlich zumindest einigermaßen verträglich, also preiswert im Rahmen des Machbaren. Und darüber hinaus sollen sie auch die gleichen Anforderungen erfüllen wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren: Alltagstauglichkeit, Sicherheit, viel Platz und Komfort sollen sie bieten. So wie das Millionen Autofahrer eben derzeit gewohnt sind.

Und dennoch sei die Frage erlaubt: Dürfen – oder sollen – Fahrzeuge mit Elektroantrieb auch Spaß machen im Sinne von Authentizität und Emotionalität? Der Sportwagen von der Steckdose, ein echter „Brüller“ mit jeder Menge Leistung und echtem „Kick“ auf dem Highway. Ist so etwas überhaupt noch angesagt im Zeitalter der ökologischen Reinheit? Offensichtlich ja, wie aktuelle Beispiele beweisen.

Audi etwa fährt seit Jahren permanent auf der Überholspur, jagt mit Erfolg die eigenen Absatzrekorde. Eine Bilanz, die auch daraus resultiert, dass die einstige „Wackel-Dackel-Marke“ längst das verstaubte Image abgelegt hat und mittlerweile Fahrzeuge produziert, die an die sportlichen Gene ihrer Besitzer appellieren. Audi TT, die „S“-Baureihe, der R8: das sind Automobile, die sich größtenteils über den Bauch und nicht über den Kopf verkaufen lassen. Die Klientel dafür möchten die Ingolstädter natürlich nicht verlieren, wenn langsam, aber sicher auf E-Antrieb umgestellt wird.

Der auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main enthüllte rote Prototyp Audi e-tron war vor etwas mehr als zwei Jahren der erste von einem Volumenhersteller präsentierte Elektrosportwagen. Inzwischen hat sich einiges auf diesem Gebiet getan. Nicht nur bei der Marke mit den vier Ringen.

Vier Elektromotoren mit insgesamt 313 PS beschleunigen den adorablen Zweisitzer, wenn es denn sein muss, in nur 4,8 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer. Zwar ist die Höchstgeschwindigkeit des Audi e-tron aufgrund der Reichweitenverlängerung auf 200 km/h begrenzt. An diesen Umstand müssen sich Freunde schnittiger Automobile beim E-Antrieb jedoch gewöhnen. Mittlerweile verspricht Audi immerhin eine Reichweite von knapp 250 Kilometer mit diesem Fahrzeug. Aufladen kann man den Lithium-Ionen-Akku problemlos mit normalem Haushaltsstrom. Bei vollständig entladener Batterie dauert das allerdings bis zu acht Stunden.

Das Gesamtgewicht des Fahrzeugs von 1 600 Kilogramm wurde durch extrem teuren Leichtbau erzielt, da allein die Batterie des e-tron bereits 470 Kilogramm auf die Waage bringt. Die gesamte Struktur der Karosserie basiert auf der Audi-eigenen Space Frame-Technologie. Dabei sind Türen, Dach und die Seitenwände allesamt aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff gefertigt. Das hört sich verdammt leicht, aber leider auch ziemlich teuer an.

Das Konzept des Elektrosportwagens aus Ingolstadt erinnert an die Vorgehensweise der Quattro GmbH; die für die sportlichen Audi-Modelle zuständig ist. Jedenfalls verspricht die Gewichtsverteilung von 42:58 (vorne nach hinten) und eine Verteilung der Antriebskräfte von circa 30:70 ziemliches Fahrvergnügen. Außerdem ist der Elektroantrieb des Audi e-tron so ausgelegt, dass er die Fahrdynamik des flotten Flitzers entscheidend beeinflussen kann: Sollte der Wagen einmal über- oder untersteuern wollen, greifen die vier separaten, aber zentral gesteuerten Motoren ein und korrigieren diese Tendenzen.

Zudem ermöglicht die Bremsanlage mit Keramik-Bremsscheiben die Rückgewinnung der beim Bremsen auftretenden Energie. Diese so genannte Rekuperation ist indes längst zum gängigen technischen Hilfsmittel geworden.

Die Entwicklung des Elektrosportwagens aus dem Hause Audi ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass mit der Auflage einer Kleinserie gegen Ende dieses Jahres zu rechnen sein dürfte. Da die Konkurrenz von Mercedes-Benz mit Hochdruck an einem konzeptionell ähnlich ausgerichteten Fahrzeug arbeitet, werden der Audi e-tron und der Elektro-Flügeltürer der Schwaben im Kampf um die Gunst der (betuchten) Kunden gegeneinander antreten.

Inzwischen hat Audi bereits eine zweite Auflage des e-tron in Form eines etwas kleineren Sportcoupés gezeigt. Dieses zweisitzige Modell wird angetrieben von zwei 102 PS starken Elektromotoren. Für den Sprint von Null auf 100 sollen nicht mehr als sechs Sekunden vergehen. Da für die Karosseriestruktur des Fahrzeugs ausschließlich Kunststoff und Aluminium verwendet werden, beträgt dessen Gewicht lediglich 1 350 Kilogramm. Die 400 Kilogramm schwere Batterie wurde vor der Hinterachse positioniert. Zudem arbeitet Audi inzwischen auch an einer seriennahen Elektro-Ver-sion des Kompaktfahrzeugs A1. Diese soll, angetrieben von einem Elektromotor mit 102 PS Leistung, eine Höchstgeschwindigkeit von circa 130 km/h erreichen.

Ähnlich wie beim R8, den Audi als Coupé oder offenen Zweisitzer anbietet, wird wohl auch bei der Elektro-Variante in absehbarer Zukunft eine Cabrio-Variante folgen. Auf dem Pariser Autosalon des Jahres 2010 präsentierten die Ingolstädter schon einmal einen atemberaubend schönen e-tron Spyder, der auf dem neuen Mittelmotor-Baukasten des Volkswagen-Konzerns basiert. Dieser Modular-Kasten soll in Zukunft die Basis kompakter Sportwagen von VW, Porsche und Audi bilden. Herz der Studie ist der Antrieb, bestehend aus einem im Heck angebrachten 300 PS starken V6 TDI-Motor und zwei zusammen 87 PS starken Elektromotoren. Das 1 450 Kilo leichte Cabrio der Superlative soll eine (limitierte) Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h erreichen können. Die reine elektrische Reichweite bei einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h liegt bei 50 Kilometern. Den Durchschnittsverbrauch des unterstützenden Selbstzünders gibt der Hersteller bei CO2-Emissionen von 59 Gramm pro Kilometer mit 2,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer an.

Die Fahrleistungen eines Rennwagens für die Straße mit den Abgas- und Verbrauchswerten eines Kleinwagens vereinte seinerzeit auch die Konzeptstudie des Porsche 918 Spyder Plug-in-Hybrid. Erstmals stellten die Zuffenhausener das Ergebnis ihrer Entwicklungen auf dem Genfer Salon 2010 vor. Im vergangenen Jahr hat Porsche aber schon mit dem Verkauf des Super-Rennwagens begonnen. Um die Exklusivität des Boliden zu sichern, wurde dessen Stückzahl auf 918 Einzelanfertigungen limitiert. Der schwäbische Sportwagen-Produzent verspricht eine Beschleunigung von Null auf 100 in atemberaubenden 3,2 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h.

Seine Umwelt-Vorzüge manifestieren sich in durchschnittlich drei Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer und einer Emission von 70 Gramm CO2 pro Kilometer. Der im Hybrid-Spyder verbaute V8-Mittelmotor ist eine technische Weiterentwicklung des im Rennwagen RS Spyder verbauten Antriebsaggregats. Er leistet mehr als 500 PS, wobei E-Motoren an der Vorder- und der Hinterachse mit einer Gesamtleistung von knapp 220 PS den Elektroantrieb übernehmen.

Wie bei Audi verfolgt man auch bei Porsche eine konsequente Politik der Gewichtsreduzierung. Ein Carbon-Monocoque sowie der Einsatz von Aluminium und Magnesium sorgen zum einen für hohe Verwindungssteifigkeit, aber auch für ein Gesamtgewicht – inklusive Lithium-Ionen-Batterien – von lediglich 1 490 Kilogramm. Was sich sicherlich nicht gerade verkaufsfördernd auswirken dürfte, ist der Preis des superschnellen Hybrid-Renners. Der liegt bei 768 000 Euro.

Was uns dieser Exkurs in die (teils noch virtuelle) Welt der elektrischen und hybriden Traumautos aufzeigen soll? Entwicklung und Produktion zukünftiger Fahrzeug-Generationen müssen sich in erster Linie am Umwelt-Konsens messen lassen. Was aber nicht bedeutet, dass es für unsere Enkel und deren Kindeskinder keine Autos mehr geben wird, die zu fahren Spaß bereitet. Und die auch bei allem Realitätssinn ein wenig Schwärmerei und Emotionalität für das Automobil erlauben. „Benzin im Blut“ zu haben, ist also auch beim Elektro-Renner durchaus noch statthaft.

Und das ist gut so.

Jürgen C. Braun
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