Resultate im Südbezirk

Im Land der roten Erde

d'Lëtzebuerger Land vom 17.06.2004

Als die Wahlergebnisse des Südbezirks am Sonntagabend feststanden, fiel der LSAP ein Stein vom Herzen. Dabei waren die Umstände auf den ersten Blick gar nicht so erfreulich. Im Minetterevier, der Wiege der Luxemburger Arbeiterbewegung, war die LSAP wieder nicht mehr stärkste Partei. Dort, wo jahrzehntelang, wenn am Tresen des Gewerkschaftsheims jemand „wir“ sagte, niemand wusste, ob damit die Partei, die Gewerkschaft oder die Gemeindeverwaltung gemeint war. Unter besonderen historischen Bedingungen war es der CSV schon für eine Wahl gelungen, die LSAP im Süden zu übertreffen, wie 1945 oder 1974. Aber diesmal sieht es eher nach einem Trend aus als nach einem Ausrutscher. Denn der Vorsprung von einem halben Prozentpunkt 1999 hat sich am Sonntag auf dreieinhalb Prozentpunkte vergrößert, die CSV hat sogar einen Sitz mehr als die LSAP. In sozialistischen Hochburgen, wie Bettemburg, Esch oder Düdelingen, wo die Wähler 1999 ihren Unmut über die anhaltende Regierungspräsenz der LSAP und wohl auch deren Rentenpolitik ausgedrückt hatten, wurde wieder disziplinierter rot gewählt. Im inzwischen liberal  geführten Differdingen verlor die LSAP dagegen noch ein Prozent, dort wo die DP ihre Verluste auf ein Prozent begrenzen konnte. Traumresultate erzielt die LSAP in Düdelingen mit fast 50 Prozent der Stimmen –  eine der wenigen Gemeinden, wo die CSV Stimmen verlor – und den Bergarbeitergemeinden Kayl und Rümelingen. Sie verbesserte sich in Randgemeinden des Minettebeckens, wo der Einfluss der Arbeiterbewegung traditionell geringer ist, und in ländlichen Gemeinden des Kantons Capellen, wo eher Angestellte und Beamte wohnen. Die CSV gewann fast überall ihre durchschnittlich fünf Prozent hinzu, während die DP im Süden, wo sie am schwächsten ist, proportional die größten Verluste hinnehmen musste: ein Drittel ihrer Stimmen und Sitze. Auf der DP-Liste schnitt der junge Differdinger Bürgermeister Claude Meisch besser ab als Umweltstaatssekretär Eugène Berger. Den größten Einfluss hat die DP im Süden in ländlichen Gemeinden wie Kopstal, Mamer, Leudelingen, Roeser, Küntzig, Kehlen, Garnich und Dippach. Der Stein fiel den Sozialisten vom Herzen, weil sie nach einer Zitterpartie am Abend zumindest im Süden einen Sitz wiedergewannen, mit dem sie irgendeinen Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung anstelle der abgewählten DP plausibel machen wollen. Daneben blieb der Partei eine weitere Blamage erspart, die sich in den Politbarometern des Tageblatts abgezeichnet hatte: Präsident Jean Asselborn schaffte es nämlich im Endspurt bis auf den zweiten Platz im Süden. In den letzten Monaten hatte die Partei befürchtet, dass ihr Spitzenkandidat abgeschlagen landen würde und so im Fall einer Regierungsbeteiligung nicht einmal Anspruch auf einen Ministerposten erheben könnte. Aber es scheint Asselborn während der letzten Wochen des Wahlkampfs gelungen zu sein, vermehrt auf sich aufmerksam gemacht zu haben, während der ehemalige Umweltminister und Hoffnungsträger der Partei Alex Bodry, der Erste von 1999, nur noch dritter wurde. Nicht unzufrieden ist man bei der LSAP auch mit dem Abschneiden von OGB-L-Präsident John Castegnaro. Er landete auf dem fünften Platz, das heißt weder zu weit hinten, um sich und die Partei lächerlich zu machen, noch zu weit vorn, um in der Partei das große Wort führen und einem verdienten Député-maire den lang ersehnten Regierungsposten streitig machen zu können. Angesichts des Spitzenkandidaten der CSV geben sich die anderen Parteien sowieso mit kleinen Freuden zufrieden. Jean-Claude Juncker konnte sein Ergebnis noch einmal um fast die Hälfte verbessern und erhielt 65 467 Stimmen bei insgesamt 77 176 gültigen Stimmzetteln, auf denen er jeweils maximal zwei Stimmen erhalten konnte. Die Zahl seiner persönlichen Stimmen stieg um 48 Prozent von 34 693 bei den letzten Wahlen auf 51 407. Ebenso beachtlich ist aber das Abschneiden des Zweitgewählten, von Arbeitsminister und Parteipräsident François Biltgen, der diesmal knapp mehr Stimmen erhielt als Juncker 1999. Schlechter schnitt Innenminister Michel Wolter ab, der mit 28 837 Stimmen nur auf den vierten Platz kam, so dass der besser platzierte Abgeordnete Jean-Marie Halsdorf Ansprüche auf Wolters Ministerposten stellen kann. Der Sohn des nicht mehr kandidierenden Kammerpräsidenten Jean Spautz, LCGB-Funktionär Marc Spautz, kam gleich auf den fünften Platz, vor dem ehemaligen LCGB-Präsidenten Marcel Glaesener. Schwarze Hochburgen im Südbezirk mit jeweils über 40 Prozent der Stimmen sind Hobscheid, Dippach und Mamer im Capellener Kanton und Leudelingen im Escher Kanton. Die anderen Wahlsieger, die Grünen, schnitten erwartungsgemäß in den ländlichen Gemeinden des Kantons Capellen oder zwischen dem Minetterevier und der Hauptstadt besser ab als in den Arbeiterstädten des Südens. Trotz oder wegen der Schöffenratsbeteiligung stagnierten sie sogar in Esch. Mit Abstand populärster Grüner im Süden bleibt Veteran Muck Huss. Die Nachfolgerin des grünen Abgeordneten Robert Garcia, die Sassenheimer Gemeinderätin Dagmar Reuter-Angelsberg, schaffte nicht mehr die Rückkehr ins Parlament. Denn der Escher Schöffe Félix Braz rückt nach, wenn der Europaabgeordnete Claude Turmes in Straßburg bleibt. Garcias Tochter Núria schaffte es immerhin auf den achten Platz, sieben Plätze vor ihrer Mutter, der Düdelinger Gemeinderätin Colette Kutten. Das ADR verlor ein Prozent seiner Stimmen im Süden, konnte aber seine beiden Sitze halten. Eine Kandidatin, die im Wahlkampf durch ihre Mitwirkung in einem Pornofilm von sich reden gemacht hatte, konnte keinen weiteren Nutzen daraus ziehen. Dafür wurde die Tochter von Fraktionspräsident Gast Gibéryen Dritte, gleich hinter den beiden Südabgeordneten der Partei. Die diesmal getrennt kandidierenden KPL und déi Lénk erhielten insgesamt 63 926 Stimmen gegenüber 76 105 bei den vorigen Wahlen. Bei der KPL kam Parteipräsident Aly Ruckert nur auf den dritten Platz, hinter seinem Vorgänger, den ehemaligen Abgeordneten Aloyse Bisdorff und  Zénon Bernard. Bei déi Lénk erhielt der Escher Schöffe André Hoffmann fast dreimal so viele Stimmen wie der Abgeordnete Serge Urbany. In fast allen Gemeinden erhielt déi Lénk mehr Stimmen als die KPL, Ausnahmen bildeten einige Gemeinden mit einer Tradition kommunistischer Kommunalpolitiker, wie Differdingen, Kayl oder Rümelingen.

Romain Hilgert
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