Theater

Schmarotzkowitsch zu Grousbutzki

Nach einer Stunde nimmt die anfangs etwas fade Inszenierung Fahrt auf
Foto: Schankemännchen Asbl
d'Lëtzebuerger Land vom 28.07.2017

Die Männer tragen lange Rauschebärte, Pelzmützen und grobe Mäntel, die Frauen gleichen in ihren bunten Kostümen Babuschkas. Dazu ertönen Kasatschok-Klänge, fidel und schwermütig. Die Kulisse könnte kaum pittoresker sein! Ein idyllischer Bauernhof im Norden Luxemburgs: Rechter Hand der hölzernen Bühne marschieren Gänse neben einem Heuhaufen umher und schnattern, dahinter blickt man auf einen alten Gutshof. Wir sind in einer russischen Kreisstadt um 1836 oder aber in Grosbous, zu Grousbutzki ... Russische Folklore vermischt sich in Claude Mangens Inszenierung von Nikolai Gogols berühmten Stück um Korruption in einer russischen Kleinstadt, in der die Furcht vor der Staatsmacht, den provinziellen Mikrokosmos bestimmt, mit der Landschaftsidylle von Grosbous.

Zum 13. Mal findet das Freilichtspektakel der Schankemännchen Asbl in diesem Jahr statt. Alle zwei Jahre präsentiert der Verein eine neue Inszenierung. Nach Jemp Schuster und Clod Thommes hat in diesem Jahr Claude Mangen die Regie übernommen. Das eigens für das Stück gecastete Amateur-Ensemble besteht aus rund 30 Darstellern.

Die Kunde, dass ein Revisor in die Stadt kommt macht schnell die Runde. Mit weit aufgerissenen Augen verbreiten die trägen Beamten in dem verschlafenen Provinznest die Neuigkeit. Doch plätschert die Inszenierung von De Revisör die erste Stunde weitgehend ohne dramaturgische Höhepunkte vor sich hin, liegt das Augenmerk auf dem Text, der von den Laiendarstellern anfangs noch recht zäh wiedergegeben wird. Dennoch wird schnell klar, dass der Schwerpunkt gerade im Wortwitz liegt, und das funktioniert.

„Wat fir eng Karriere huet den wuel beim Staat, Wladimutz?“, fragen sich die Bewohner der Kleinstadt, bevor sie alle nacheinander auf die vermeintliche Obrigkeit hereinfallen, um die Gunst des hohen Staatsfunktionärs buhlen und ihm Geldscheine zustecken werden. Einige Dialoge scheinen ironisch auf Lëtzebuerg zugeschnitten: „Ze vill Verstand ass schlëmmer wéi guer keen“, heißt es da etwa. Auch die Rivalität zwischen St. Petersburg und dem Land und das Misstrauen gegenüber den als versnobt geltenden Hauptstädtern funktioniert bezogen auf Luxemburg wunderbar. Gelungen auch die Figuren-Besetzung, setzt Mangen doch auf schräge Typen, wie etwa einen Pfarrer, der monoton verständnisvoll aus der Wäsche blickt und bei dessen Anblick man schmunzeln muss.

In seiner phantasievollen Übersetzung hat Mangen, der nah an Gogols Ursprungstext geblieben ist, lediglich die Namen humoristisch verfremdet. Seine Figuren, samt und sonders krumme Gestalten, heißen Boris Drecksakow, wie der Bürgermeister, Nikotin Krätzdiwi, Leiter des Armenhospizes, der Richter Konstantin Krommasoff, der Briefträger und Postmeister Oleck Stibitzki, und sie verkörpern allesamt den blinden Glauben an Staat und Autoritäten. Bis mit Iwan Schmarotzkowitsch ein Beamter aus Petersburg (Marc Pletschette) und Scharlatan eintrifft und die Meute aufmischt.

Nach einer Stunde nimmt die anfangs etwas fade Inszenierung Fahrt auf, als jäh der falsche Revisor, ein geleckter, exaltierter Aufschneider, der ungelenk die hauptstädtische Arroganz verkörpert und sich mit Werken aus fremden Federn schmückt, in die Kleinstadt platzt und der Tochter des Bürgermeisters Kamelotti (Zoé Kneip) den Hof macht: „Eng adorabel Kreatur, wéi Dir et sidd!“ bevor er es erst mit der Mutter, dann mit der Tochter treiben will, die sich ihm gleichermaßen naiv und willig hingeben.

„Im Revisor beschloss ich alles Schlechte in Russland, was ich damals kannte, auf einem Haufen zu sammeln und mit einem Mal zu verspotten“, soll Gogol selbst einst über seine beißende Satire auf das russische Provinzbeamtentum gesagt haben. Auch in Mangens Inszenierung ist Gogols Message unverkennbar: Alle habt ihr Dreck am Stecken! Die einzig ehrliche Persönlichkeit im Revisor ist das Lachen. Die Bestechung von Beamten wie die blinde Hörigkeit vor Obrigkeiten erscheint zeitlos; der Traum von Privilegien bestimmt das Handeln der verkommenen, aufstiegsversessenen Figuren. Nicht nur Bürgermeister Drecksakow träumt von einem besseren Leben und schimpft schon mal gewöhnt an die staatlichen Zuschüsse auf die „Schäiss-Liberalen“!

Die malerische Kulisse beeindruckt. Die Symbolik so mancher Requisiten liegt im Detail: so dienen schlichte Holzhocker dazu, die Machtphantasien eines Jeden zu symbolisieren. Jeder möchte darauf thronen, um einmal im Mittelpunkt zu stehen, und als sich am Ende alles als Farce herausstellt, purzeln die Hocker den korrupten Beamten aus den Händen.

Leider fallen die Frauen in Mangens Inszenierung vor allem durch einfältiges Geplapper und schrilles Geschrei auf. Gogols Text mag nicht gerade für ein emanzipiertes Frauenbild herhalten, doch wirken seine Frauenfiguren in der Inszenierung De Revisör, vor allem die Gattin des Bürgermeisters Olga Drecksakow (Marie-Jeanne Jacobs), wahlweise in roten oder knallgelben Stiefelchen und mit rotem Kussmund, reichlich schrill und unbedarft.

Als eindrucksvoll bleiben hingegen die in Handarbeit gefertigten Kostüme (Sylvie Hamus/
Henriette Hengen) in Erinnerung. Am Ende werden die Damen mit hochtoupierten Haaren und glitzernden Hüten auftreten. Die letzte halbe Stunde der Inszenierung, die zwischen gelungenem Unterhaltungsstück und Provinzposse mäandert, wird musikalisch und tänzerisch zum folkloristischen Augenschmaus. Das Publikum quittierte das Spektakel mit rauschendem Applaus.

De Revisör – eine Groteske in fünf Akten von Nikolai Gogol ins luxemburgische übertragen und inszeniert von Claude Mangen. Produktionsleitung: Christiane Thommes. Die Premiere war am 20. Juli. Weitere Spieltermine: am 28. und 29. Juli um 20.30 Uhr am Prommenhof in Grosbous. Informationen unter: www.schankemaennchen.lu

Anina Valle Thiele
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