Gespräch mit Wohnungsbauminister Marco Schank (CSV)

"Ich bin Überzeugungstäter"

d'Lëtzebuerger Land vom 01.10.2009

d’Lëtzebuerger Land: Vier Jahre ist es her, dass Premier Jean-Claude Juncker sein großes wohnungspolitisches Mea culpa gesprochen hatte. Nun haben Sie das Kommando in der Wohnungspolitik übernommen – keine Angst, Sie könnten dem nicht gewachsen sein??

Marco Schank: In der Politik tritt man an, um Vorstellungen zu verwirklichen, mit Angst kommt man da nicht weit. Aber ich bin mir schon bewusst, dass vor mir große Herausforderungen liegen.

Die Situation am  Wohnungsmarkt hat sich, jüngsten Zahlen zufolge, trotz Wirtschaftskrise nicht sonderlich entspannt.

Das ist richtig, das belegen Daten des Observatoire de l’habitat, die ich im Rahmen meiner Pressekonferenz vorgelegt habe. Es gibt eine gewisse Wartehaltung: Die potenziellen Käufer warten ab, dass die Preise tatsächlich sinken, während die Eigentümer, die vorher zu einem bestimmten Preis gekauft haben, abwarten, bis die Flaute vorüber ist, so dass Angebot und Nachfrage nicht zueinander finden. Inzwischen hat athome.lu Daten veröffentlicht, wonach eine leichte Baisse bei den Preisen laut Wohnungsanzeigen für dieses Jahr zu verzeichnen ist. Aber der Markt bleibt nach wie vor angespannt. Wir müssen da sicherlich noch einige Anstrengungen machen.

Ihr Vorgänger und Parteikollege Fernand Boden hat noch kurz vor den Wahlen 3 000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen. In der Wohnraumbedarfsanalyse ist von 3 400 jährlich Wohnungen die Rede, die benötigt werden, um der Wohnungsknappheit beizukommen. Was ist Ihr Ziel??

Im neunten Fünf-Jahresplan über den subventionierten Wohnungsbau, den ich Ende des Jahres präsentieren werde, gehen wir von einer Bauleistung allein der öffentlichen Träger von 9 000 Wohnungen aus. Darüber hinaus sind die privaten Promotoren und natürlich die Gemeinden als wichtigste Partner gefragt.

Die besondere Bedeutung einer engen Partnerschaft zwischen Staat und Gemeinden haben Sie auch bei Ihrer Antritts-Pressekonferenz im August betont. Aber wie soll die Zusammenarbeit konkret aussehen??

Den Wohnungsbaupakt zwischen Staat und Gemeinden haben inzwischen 101 Gemeinden unterschrieben. Damit verpflichten sich die Gemeinden zu einem gewissen Bevölkerungswachstum, und ich wünsche mir, dass sie dort bald aktiv werden. Ich werde in den kommenden Monaten die Gemeinden aufsuchen, um mit ihnen darüber zu beraten, wie sie die darin verankerten Ziele am besten erreichen können. Darum plane ich eine regelrechte Kampagne. Ich möchte sie auffordern, unsere Dienste, unser Know-how voll in Anspruch zu nehmen. Schließlich gibt es neue Instrumente im Wohnungsbaupakt.

.... von denen noch niemand mit Sicherheit sagen kann, wie sie greifen werden.

Ja, aber ich möchte betonen, dass die Gemeinden auch schon vor dem Wohnungsbaupakt bauen konnten. Das Gesetz von 1979 über die Wohnbeihilfen sieht zahlreiche staatliche Subventionen vor, wenn Gemeinden beispielsweise bezahlbare Wohnungen bauen wollen. Es wird ein Teil der Infrastrukturkosten übernommen, wer für Studenten bauen will, bekommt sogar hundert Prozent der Baukosten zurückerstattet. In der Gemeinde Heiderscheid, wo ich Bürgermeister war, haben wir auf diese Weise zwei Wohnsiedlungen bauen können. Ich wäre froh, wenn solche Beispiele die Runde machen würden. 

Der Wohnungsbaupakt ist umstritten. Die Grünen haben die fehlende Nachhaltigkeit kritisiert und offenbar geben Experten ihnen Recht: Im Vorentwurf des Sektorplans Wohnungsbau ist die Rede von schärferen Vorgaben, was die Baudichte, die Neuausweisung von Bauland und damit die Nachhaltigkeit angeht.

Am Pakt ist auch unberechtigte Kritik geübt worden. Ich halte am Prinzip auf jeden Fall fest: Wir brauchen den öffentlichen Partner, die Gemeinden, im Boot, wenn wir in der Wohnungsfrage weiterkommen wollen. Ich bin da Überzeugungstäter. Nun geht es darum zu überlegen, wie wir ihn umsetzen und was er konkret bringt. Deshalb werden wir den Pakt von Anfang an begleiten und ihn pa-rallel auswerten, nicht erst nach drei Jahren, wenn längst Fakten geschaffen und vielleicht Fehlentwicklungen geschehen sind. Von den Gesprächen mit den Gemeinden erhoffe ich mir auch ein Feedback über die Instrumente, wie gut sie sich einsetzen und nutzen lassen.

Wahrscheinlich werden sich nicht viele Gemeinden finden, welche die  Freiwilligkeit der Spekulationstaxe kritisieren werden. Im Sektorplan aber wird vor allem bei Leerständen in so genannten Wohnvorranggemeinden eine verpflichtende Strafsteuer gefordert.

Ich bin persönlich auch nicht so froh über die Freiwilligkeit, insbesondere in IVL-Gemeinden, auch wenn das einige in meiner Partei vielleicht anders sehen. Aber der Pakt ist so, wie er ist, und nun geht es darum, zu schauen, was er tatsächlich bringt und wie die Instrumente Vorkaufsrecht, Erbpachtvertrag und so weiter eingesetzt werden können. Dabei sind auch die Gemeinden in der Verantwortung, denn mit dem Pakt haben sie sich zu einem bestimmten Wachstum verpflichtet.

Aber auch die pauschale Wachstumsquote von 15 Prozent in zehn Jahren steht in der Kritik. Vorgeschlagen wird überdies, bei neu ausgewiesenem Bauland Verträge zwischen Stadt und Eigentümer abzuschließen, die Letztere zur Bebauung verpflichten. Müssen Sie den Pakt nicht nachbessern?

Zum Bau verpflichten können Gemeinden auch jetzt schon. Wie gesagt, ich werde das alles mit den Gemeinden beraten. Weiter kann ich mich dazu noch nicht äußern. Die Gemeinden überarbeiten derzeit ihre PAGs (Flächennutzungspläne, d. Red.), wichtig ist, dass wir diese im Vorfeld mit den Paktvorgaben und den unterschiedlichen Sektorplänen abstimmen, damit es später nicht Heulen und Zähneknirschen gibt.

Die Wohnraumbedarfsanalyse stellt eine einseitige eigentümerorientierte Wohnungsbaupolitik fest. Dadurch würden vor allem höhere und mittlere Einkommensgruppen gefördert. Was werden Sie für die unteren Einkommensschichten tun??

Das Regierungsprogramm sieht die location-vente vor, wonach Mieter, wenn sie lang genug Miete bezahlen, ihre Wohnung über die Jahre kaufen können. Das halte ich für ein gutes Modell. Der Pakt sieht zudem den Erbpachtvertrag vor, um Menschen mit weniger Geld eine Chance auf eine eigene Wohnung zu geben. Und dann ist da die soziale Immobilienagentur...

... die Anfang der Woche eingeweiht wurde und mittelfristig 500 Wohnungen an Einkommensschwache vermitteln will. Warum hat die Regierung nicht den Weg eines generellen Mietzuschusses für Menschen mit niedrigem Einkommen eingeschlagen? Ohne den Umweg über eine Vermittlungsagentur?

Die soziale Immobilienagentur wurde von vielen verlangt und ich halte sie für einen wichtigen Anreiz gerade auch für Eigentümer, die ihre Wohnungen sonst leer stehen lassen würden. Die Betreuung durch die Agentur erlaubt ihnen, diese ohne großen Aufwand und Risiko an Menschen mit geringerem Einkommen zu vermieten. Außerdem planen wir das zeitlich begrenzte Wohngeld für Menschen, die in der Krise, aufgrund von Kurzarbeit und Jobverlust, nicht mehr ihre Miete bezahlen können. 

Dennoch: Der soziale Mietwohnungsmarkt in Luxemburg ist, trotz Fonds du logement, mit 3,6 Prozent geradezu ein Stiefkind. Auch der Anteil an Mietwohnungen am Wohnungsmarkt ist bescheiden. Im Budget 2010 ist die Kreditlinie für den Erwerb und den Bau von Mietwohnungen gesunken. Ist es nicht höchste Zeit, den Mietwohnungsbau stärker auf die Agenda zu setzen??

Das Gesamtbudget des Ministeriums erklärt sich durch die sinkenden Bankzinsen, außerdem ist es ein crédit non limitatif. Sicher muss die öffentliche Bautätigkeit auch im Mietwohnungsbau verstärkt werden, wobei die genauen Bedarfe noch zu bestimmen sind. Wer den Pakt unterschrieben hat und Bauprojekte von einem Hektar und mehr plant, muss zehn Prozent bezahlbaren Wohnraum schaffen. Wobei Gemeinden auch schon nach dem 1979-er Gesetz eine substanzielle Unterstützung bekommen, wenn sie sich bereit erklären, 60 Prozent subventionierten Wohnraum zu schaffen.

Finanzminister Luc Frieden hat in seiner Rede zum Haushalt 2010 angekündigt, die Prämien für angehende Eigentümer weiter auszuzahlen. Experten schlagen dagegen ein Förderungssystem vor, wonach Bauprämien nicht mehr für klassische Einfamilienhäuser vergeben werden sollen, sondern nur für nachhaltige, verdichtete Bauformen.

Wir werden sämtliche Prämien und Subventionen ab dem nächsten Jahr genau prüfen. Die Hilfen bezahlen wir erst einmal weiter aus, weil sich viele sonst überhaupt kein Haus leisten können. Gerade in Krisenzeiten können wir die Gelder nicht einfach kürzen. Das wäre kontraproduktiv für die Wirtschaft.

Gemeinden klagen, ihnen fehle das nötige Geld, um Bauland zu kaufen. Die Regierungserklärung sieht eine Siedlungsentwicklungsgesellschaft vor, wofür der Fonds du Logement umgebaut werden soll. Wie weit ist das Projekt??

Einzelheiten hoffe ich gegen Ende des Jahres 2010 vorstellen zu können. Richtig ist, dass der Fonds zu einer Siedlungsentwicklungsgesellschaft umgebaut werden soll, die den Gemeinden bei der Finanzierung und Entwicklung von Siedlungsprojekten helfen soll. Über das Wie beraten wir derzeit intensiv.

Der Finanzminister will die öffentlichen Ausgaben drosseln. Inwiefern bedroht das Ihre Pläne um die Siedlungsentwicklungsgesellschaft? Das ist letztlich eine Frage des politischen Willens. Der Umbau des Fonds ist eine komplexe Angelegenheit, weil er eine Revision des 1979-er Gesetz bedeutet und wir auch die bisherigen Subventionen prüfen wollen. Vielleicht öffnen sich dann auch finanzielle Spielräume.

Ihrem Vorgänger, Fernand Boden, wurde oft eine Gegnerschaft zum nachhaltigen Wohnungsbau nachgesagt. Sie haben indes betont, Nachhaltigkeitskriterien stärker berücksichtigen zu wollen, zum Beispiel über die Grüne Hausnummer, die nachhaltiges Bauen belohnt.

Ja, wobei mit Nachhaltigkeit nicht nur Energieeffizienz gemeint ist, sondern der schonende Einsatz von Ressourcen insgesamt, also sowohl was die Fläche angeht, den Baustoff, den Energieverbrauch und die Wärmedämmung und so weiter. Da will ich in den nächsten Jahren Akzente setzen. Ich hoffe, wir können mit Hilfe der Gemeinden einige Pilotprojekte auf die Beine stellen, an denen sich andere inspirieren können.

Insidern zufolge war in der Vergangenheit ein Problem die schwierige Zusammenarbeit zwischen Wohnungsbau- und Landesplanungsministerium. Und heute??

Da ich den Bereich Landesplanung übernehmen werde, wird die Abstimmung wohl nicht allzu schwierig (lacht). Aber wenn Sie meinen Partei- und Ministerkollegen Claude Wiseler meinen: Die Chemie stimmt. An der Aufteilung der Ressorts wurde viel Kritik geübt, ich halte sie aber für einen entscheidenden Vorteil: Außer dem Plan zu den Aktivitätszonen sind alle wichtigen Sektorpläne bei uns angesiedelt. Das bedeutet kurze Wege. Ich bin, neben dem Sektorplan Wohnungsbau, auch für die Konversionsflächen in Belval, Wiltz, in der Nordstad und anderswo zuständig. Wir haben zudem ein transversales Gremium vorgesehen. Es sind immer dieselben Fragen, um die es geht: Mobilität, Wohnung, Arbeit – das muss besser aufeinander abgestimmt werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Bislang wurde, obschon in der Wohnraumbedarfsanalyse und im Sektorplan Wohnungsbau angemahnt, die ungerechte Verteilung von Wohnraum ausgeklammert. Gut verdienende Singles leben oft in großen Wohnungen, während kinderreiche Familien mit zu kleinen Wohnungen vorlieb nehmen müssen. Was werden Sie tun, um hier Umzugsanreize zu setzen?Das ist eine gute Frage, mit der wir uns ebenfalls in Zukunft werden beschäftigen müssen. Ich hätte auch immer gerne, dass alles ganz schnell geht. Aber ich bin erst seit drei Monaten im Amt, geben Sie mir eine Chance!

Nachhaltigkeit und bezahlbares Wohnen sind zwei Schwerpunktthemen der diesjährigen Semaine du Logement, die vom 2. bis 5. Oktober in den Messehallen auf dem Kirchberg stattfindet. Dort wird Minister Schank mit anderen Gästen über den europäischen und nationalen Kampf gegen die Wohnungsnot diskutieren. Infos unter www.logement.lu

Ines Kurschat
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