Jean-Michel Basquiat. Now! Luxembourg

Basquiat als Juwel

d'Lëtzebuerger Land du 27.05.2016

Bei nur wenigen Künstlern besteht ein derart großer Widerspruch zwischen dem hohen Grad an Bekanntheit und der Unsichtbarkeit der Werke in öffentlichen Sammlungen oder Institutionen wie bei Jean-Michel Basquiat. Tatsächlich befindet sich ein Großteil seiner Kunstwerke in Privatsammlungen. Basquiat, der schon mit Anfang 20 als junger New Yorker Underground-Künstler gehypt wurde, bevor er im Alter von 27 Jahren viel zu früh starb, erzielte mit seinen Arbeiten schnell hohe Preise. Aus diesem Grund, aber auch wegen seines Drogenkonsums und seines afroamerikanischen Hintergrunds, interessierten sich in den 1980er Jahren nur wenige Museen für seine Werke. Heute sind sie für öffentliche Institutionen unerschwinglich. So wurde sein Gemälde Ohne Titel (1982) bei einer Auktion von Christie’s am vergangenen 10. Mai für rund 51 Millionen Dollar (ohne Prämie) versteigert.

Die Ausstellung Jean-Michel Basquiat. Now! Luxembourg in der Galerie Zidoun & Bossuyt ist die erste Schau des Künstlers in Luxemburg und vereint 20 Gemälde und Zeichnungen aus belgischen, französischen und luxemburgischen Privatsammlungen. Bei der Präsentation legt die Galerie großen Wert darauf, die künstlerische Entwicklung und nicht – wie dies leider viel zu oft der Fall ist – das ungestüme und tragische Leben des Künstlers vorzustellen.

Der 1960 in Brooklyn geborene Basquiat war Autodidakt und begann seine Karriere, indem er mit seinem Schulfreund, dem Sprayer Al Diaz, unter dem Namen „SAMO“ (Abkürzung für same old shit) Graffiti auf Häusern im New Yorker Galerienviertel Soho anbrachte. Bald ging er zur Malerei über, behielt aber den wilden und spontanen Stil sowie den lockeren Umgang mit den Farbschichten der Graffiti bei. Seine Arbeiten bestechen insbesondere durch die Authentizität und Rohheit der Straße, den Einsatz starker Farben und ihr energetisches, fast aggressives Applizieren auf den Untergrund, der sowohl eine Leinwand als auch eine Holztür sein konnte.

Basquiat schuf komplex komponierte Bilder, die Künstler wie den ebenfalls zu früh verstorbenen Michel Majerus inspirierten. Im Desinteresse an den konzeptuellen oder formalen Problemen der Minimal oder Conceptual Art liegt die Stärke des gut gebildeten und frühen Museumsgängers. Er führte Motive aus den Bereichen Musik (insbesondere Jazz), Anatomie, Religion, (Kunst-)Geschichte und Sprache in seine Malerei ein und verband so Low und High Culture. Dank Künstlern wie Basquiat hat sich die Street Art heute als ein etablierter Strang der Kunstszene durchgesetzt.

Immer wieder kritisierte Basquiat in seinen Arbeiten unterschwellig die Konsumgesellschaft, den sich an ihr bereichernden Kapitalismus und auch den Rassismus, wie in Irony of Negro Policeman (1981). Neben der in Ölkreide und Acrylfarbe auf Holz gemalten Figur eines schwarzen Polizisten, dessen Gesicht einer grotesken Totenmaske ähnelt, hat er das Wort „Pawn“ auf die Bildfläche geschrieben. Übersetzt bedeutet es „Schachfigur“, oder besser „Bauer“, und verweist auf die Steuerung der Schwarzen durch eine weiße Gesellschaft – nicht zu vergessen, dass die Rassentrennung in den USA erst 1964 per Gesetz in allen Bereichen aufgehoben wurde. Kunstgeschichtliche Referenzen sind im Gemälde Jump King (1984) nachzuvollziehen, das einen Papst mit Mütze ähnlich dem eines Diego Velázquez und Francis Bacon zeigt. Farbspritzer und der Abdruck von Schuhsohlen auf der Oberfläche verweisen wiederum auf Basquiats Schnelligkeit und die für ihn Unheiligkeit des klassischen Tafelbildes.

Paul Klee oder den Vertretern von Dada gleich, gelang es Basquiat auf geschickte Weise Bild und Schrift zu kombinieren. Eingeschriebene Worte, wie „Rubber“ auf dem gleichnamigen Gemälde von 1985 oder „Shit“ auf dem Werk Thermopolae (1985), geben Aufschluss über Gedanken oder Ereignisse, die sich außerhalb des Bildraumes befinden, sich ihm aber überstülpen. In der Ausstellung Jean-Michel Basquiat. Now! Luxembourg werden auch zwei gemeinsame Arbeiten von Basquiat und Andy Warhol gezeigt: Collaboration No. 19 (1984-85) und Pe D G, Two Heads (1984-85), die den Umgang mit der Schrift, hier zum Teil mit weißer Farbe verdeckt, unterstreichen.

Im Untergeschoss zeigt die Galerie eine erlesene Auswahl an Zeichnungen, die Basquiats Ausprobieren unterschiedlicher Techniken und Träger hervorhebt. Die Zeichnung Car inside House wurde beispielweise auf braunem Packpapier angefertigt, Anatomy II (1982) mit Wachsfarbe und Bleistift auf einer Mylar-Polyester-Folie. Der Eingangsbereich der Galerie bietet Platz für ein Projekt von The Skateroom: Mit Motiven von Basquiat gestaltete Skateboards werden für einen guten Zweck verkauft.

Die Galerie Zidoun & Bossuyt verfolgt mit der Ausstellung nicht nur keinen Gewinnzweck, sondern möchte sich – ebenso wie Luxemburg – auch auf internationalem Niveau mit professionellem Standard positionieren. Die Ausstellung von Basquiat ist ein kleines Juwel unter den aktuellen Kulturangeboten und absolut sehenswert.

Die Ausstellung Jean-Michel Basquiat. Now! Luxembourg ist noch bis zum 4. Juni 2016 in der Galerie Zidoun & Bossuyt, 6, rue Saint-Ulric in Luxemburg-Grund zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, samstags von 11 bis 17 Uhr; www.zidoun-bossuyt.com.
Florence Thurmes
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