Bil 2020 heißt die neue Zukunftsstrategie der Bil. Sie macht einige der Entscheidungen aus dem Vorläufermodell Bil 2015 rückgängig

New new Bil

d'Lëtzebuerger Land vom 29.05.2015

Als Hugues Delcourt François Pauly vor acht Monaten an der Spitze der Banque internationale à Luxembourg (Bil) ablöste, löste das doch größere Überraschung aus. Pauly selbst hatte den Chefposten erst drei Jahre zuvor übernommen, seine Nomination, die Umbenennung der Bank von Dexia zurück zur altbekannten Bil, Farbenschema und Kinderkonto Billy-Club inklusive, sollten unterstreichen, dass die Jahre zu Ende seien, in denen Belgier und Franzosen das Geschehen in Luxemburgs ältester Bank ferngesteuert und das Mutterhaus gegen die Wand gefahren hatten. Pauly hatte damals in der Geschäftssprache Englisch die Alliteration „Bil is back“ gefunden, um zu verdeutlichen, dass die Fremdherrschaft vorbei sei, die Entscheidungen nun wieder in Luxemburg getroffen würden, und eine Neuausrichtung der Bank angekündigt.

Nun hat Hugues Delcourt eine neue Neuausrichtung versprochen, die manchen Punkt aus Paulys Programm rückgängig macht, und die, wie Delcourt selbst sagt, schon vor einigen Monaten, also ziemlich schnell nach seinem Wechsel zur Bil, festgelegt wurde. Eine angekündigte Zusammenarbeit mit dem Dienstleister Avaloq wurde nicht vollzogen. Der Schwesterbank KBL, die dem Mehrheitsaktionär der Bil, dem Fonds der katarischen Herrscherfamilie, Precision Capital, gehört, hat Bil ihre Schweizer Filiale ab- und die eigene belgische Zweigstelle verkauft. Die 1982 eröffnete Filiale in Singapur, der Pauly eine besondere Bedeutung für einen Ausbau der Aktivitäten in den Wachstumsmärkten Asiens beimaß, wird geschlossen. Für das abgelaufene Geschäftsjahr zahlt die Bank ihren Aktionären, Precision Capital (90 Prozent) und dem Luxemburger Staat (zehn Prozent) rund 150 Mil­lionen Euro Dividenden aus, eine Summe, die den Nettojahresgewinn der Bank von 122,5 Millionen Euro übersteigt. Deshalb stellt sich im Bankenmilieu manch einer die Frage, ob die Entscheidungen statt in Paris oder Brüssel nun in Doha getroffen werden, und ob die Mehrheitsaktionäre dabei sind, sich ihre Investition zu versilbern.

„Es ist keine Revolution, sondern eine Evolution“, sagt Hugues Delcourt, über die strategische Neuausrichtung. „Ich bin seit acht Monaten hier und wir haben viel gearbeitet“, fährt er fort. Er spricht von Kooperation und Zusammenarbeit mit beiden Aktionären, doch „ein Aktionär erstellt keine Strategie, er heißt sie gut“, unterstreicht er. Für Delcourt geht es darum, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Deshalb will Bil einerseits den Marktanteil auf dem Heimatmarkt Luxemburg ausbauen. Und hat andererseits frisch definiert, wo neue Kunden für das internationale Private Banking Geschäft angeworben werden sollen.

„Die Verankerung in Luxemburg und der Luxemburger Markt sind für uns fundamental“, sagt Delcourt. Dahinter steckt keine Sentimentalität, sondern reine Fakten: Die Bil-Gruppe, die Bank und die Filialen in Belgien, Bahrain, Dänemark, Frankreich, Singapur, der Schweiz und in Dubai verbuchten 2014 ein Nettoeinkommen von 169 Millionen Euro. Davon wurden 172,8 Millionen Euro in Luxemburg erwirtschaftet; einige der Filialen im Ausland waren defizitär, wie aus dem Jahresbericht 2014 hervorgeht. In Luxemburg will die Bil deshalb die vier Geschäftsaktivitäten entwickeln: die Schalterbank, den Handelsraum, die Geschäfts- und die Privatbank für die lokal ansässige Kundschaft. „Wir haben einen Vorteil, den wir hoffentlich besser ausspielen können: Wir sind eine komplette Bank“, erklärt der CEO. Im Gegensatz zu manchem starken Konkurrenten auf dem heimischen Private Banking Markt verfüge die Bil über eine Corporate-Banking-Abteilung, deshalb könne man Unternehmer sowohl als Privatkunden als auch als Firmenkunden bedienen. Die Bil hat sich in den vergangenen Monaten von einigen Filialen und Beteiligungen getrennt. Letztes Jahr hat sie die Versicherungsgesellschaft Bil Re verkauft, Anfang 2015 ihre Anteile am Tranditionsfonds Luxempart abgegeben. Pläne, die Beteiligungen an Luxair und der Luxemburger Börse zu veräußern, gebe es aber derzeit keine, heißt es bei der Bil.

Zu den defizitären Filialen gehörten in den vergangenen Jahren sowohl die Schweiz als auch Belgien. Die Schweizer Niederlassung schloss das Jahr 2013 mit einem Verlust von 8,5 Millionen Euro ab und verbuchte 2014 einen Vorsteuergewinn von 4 000 Euro. Die belgische Zweigstelle machte in den vergangenen zwei Jahren insgesamt rund 8,4 Mil­lionen Euro Verlust. Das mag Hugues Delcourt so nicht direkt sagen. Er erklärt die Übernahme der KBL-Aktivitäten in der Schweiz und den Verkauf der belgischen Bil-Zweigstelle an die KBL-Tochter Puilaetco lieber so: „Unsere Filiale in der Schweiz war nicht sehr groß, die von der KBL war nicht sehr groß. Indem wir sie zusammenlegen, können wir eine kritische Größe erlangen, die uns erlaubt, die Kunden besser zu bedienen und die Rentabilität in Zukunft zu sichern.“ Die neue kombinierte Einheit – die beiden Transaktionen in der Schweiz und Belgien, die zu Marktpreisen abgeschlossen werden, müssen noch von den zuständigen Behörden genehmigt werden – wird laut Delcourt ein Kundenvermögen von 4,5 Milliarden Euro verwalten. Viel ist das immer noch nicht. Das weiß auch Delcourt. „Aber Rom wurde nicht an einem Tag gebaut.“ Die Präsenz in der Schweiz brauche die Bil, um die neue Zielkundschaft zu bedienen, welche die Bank vor allem in Osteuropa und dem Mittleren Osten gewinnen will. „Diese Kunden haben eine besondere Affinität zur Schweiz“, sagt er. Die internationale Privatbankkundschaft, die ihre Bankgeschäfte „off-shore“ erledigt, will die Bil demnach von Luxemburg, von Dubai, wo sie vergangenes Jahr eine neue Präsenz eröffnet hat, und aus der Schweiz heraus bedienen. Die Eröffnung einer Niederlassung im Katar sei derzeit nicht geplant. Dabei mag Delcourt den Begriff „off-shore“ kaum noch verwenden, wegen der negativen Assoziationen. Off-shore heiße nicht, dass die Gelder nicht deklariert seien, unterstreicht er deshalb.

Unter anderem wohl deshalb ist die Zweigstelle in Belgien kein Erfolg geworden. Als die Zweigstelle 2013 eröffnet wurde, hieß es in der Pressemitteilung: „L’arrivée de la BIL sur le marché belge résulte d’une réflexion approfondie et d’une évaluation méticuleuse des besoins de la clientèle privée, de la structure du marché et des autres acteurs présents sur le marché. L’ouverture de cette nouvelle succursale à Bruxelles s’inscrit également dans le cadre du plan d’expansion stratégique que le Groupe s’est fixé d’atteindre à l’horizon 2015. Tournée résolument vers l’international, la banque entend ainsi s’appuyer sur sa présence au cœur des grandes places de banque privées et proposer ses compétences à tous ceux dont la situation familiale, professionnelle ou patrimoniale traverse les frontières.“ Vor allem aber sollte die belgische Zweigstelle all jenen Kunden eine Anlaufstelle sein, die ihr zuvor in Luxemburg gelagertes Schwarzgeld im Hinblick auf die Einführung des automatischen Informationsaustauschs zurück nach Belgien bringen wollten. Doch diese Bewegung, stellt Delcourt heute fest, habe nicht in dem Maß stattgefunden, wie vorgesehen. „Viele Leute haben ihre Situation geregelt, aber beschlossen, ihre Konten in Luxemburg zu behalten. Deshalb hatten wir Verspätung auf die im Business-Plan vorgesehene Entwicklung“, so der CEO. Der Wettbewerb in Belgien sei hart, fügt er hinzu, deshalb sei es schwierig, neue Kunden zu gewinnen. „Niemand hat darauf gewartet, dass die Bil Belgien entdeckt.“

Dass die neuen Zielgebiete, in denen die Bil verstärkt auf Kundensuche für ihr internationales Privatbankgeschäft gehen will, mit „Osteuropa und Mittlerer Osten“ recht vage formuliert sind, lässt Delcourt nicht gelten. Er findet es schon relativ präzise, weil damit Lateinamerika und Asien ausgeschlossen werden. Auf diese Entscheidung führt er die Schließung der Niederlassung in Singapur zurück. Er kenne den asiatischen Markt gut, betont Delcourt, der dort 17 Jahre gelebt und gearbeitet hat. Der Markt sei groß und stark umkämpft und deshalb stellt sich für ihn wieder die Frage nach der kritischen Masse. „Ich bin überzeugt, dass man 20 Milliarden an Kundenaktiva braucht, um eine Basis für eine gewisse Rentabilität zu haben und eine gewisse Qualität an Kundenservice gewährleisten zu können“, sagt er. Davon ist die Bil in Singapur weit entfernt. Der CEO spricht von „hunderten Millionen“ an Kundenvermögen, „und eigentlich reden wir hier nicht mal im Plural“, räumt er ein. Zum Vergleich: Die großen Player wie UBS oder Crédit Suisse verwalten laut Bloomberg in Asien 245 beziehungsweise 146 Milliarden Dollar an Kundenvermögen. Die Bil-Gruppe insgesamt verwaltet ein Kundenvermögen von 30 Milliarden Euro. Ihre Kunden in Singapur wird sie an andere Banken überweisen oder sie ab Luxemburg bedienen. „Wir verkaufen diese Einheit nicht, dazu ist sie nicht groß genug.“

„Die Dividende von 2014 darf man nicht als Dividende für ein Jahr betrachten, denn seit 2012 wurde keine Dividende ausgezahlt“, erklärt Delcourt. Wie großzügig sie in Zukunft ausfallen wird, will der CEO nicht sagen. Nur so viel: „Die Dividendenpolitik, die in der Strategie Bil 2020 vorgesehen ist, wird extrem auf einer Linie sein mit dem, was man klassischerweise bei anderen Firmen sieht. Es wird wesentlich weniger sein als im vergangenen Jahr.“ Man werde auf keinen Fall die derzeit guten Solvenzraten der Bank durch das Ausschütten von Gewinnen gefährden und die Dividendenpolitik von den Investitionsentscheidungen abhängig machen. Die zeitlich unbegrenzte Wandelanleihe über 150 Millionen Euro, welche Bil letztes Jahr ausgegeben hat, die erste ihrer Art in Luxemburg und so viel, wie an Dividenden ausgezahlt wurde, habe indirekt der Mehrheitsaktionär gekauft, erklärt Delcourt. „Es gibt also einen Willen zum Investieren. Man kann nicht sagen, dass die Aktionäre dabei wären, der Bank die Substanz zu entziehen.“

Michèle Sinner
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