Luxair

Funkstille

d'Lëtzebuerger Land vom 31.01.2008

Lieber heute als morgen streiken, so beschreibt Hubert Hollerich vom OGBL den Gemütszustand der Luxair-Angestellten nach deren Versammlung in Sandweiler vergangne Woche. Immer wieder scheint es, als ob Funkstille herrscht zwischen der Firmenleitungund den Mitarbeitern. Schon bevor 2006 das SanierungsprogrammBuilding a new airline angekündigt wurde.

Weil das Programm, das bis Ende 2008 geplant war, den Abbau von 190 Stellen vorsah. Und auch jetzt, weil man keine Tarifeinigung findet. Und das, wo die Firmenleitung ankündigt, schneller als geplant die gewünschten Resultate zu erreichen. Ein Jahr früher, um genau zu sein, schreibt der Fluglinienbetrieb schwarze Zahlen, oder hängt zumindest nicht mehr in den Miesen. Das ließ die Firmenleitung letzte Woche verlauten. Dabei war eigentlich für das laufende Jahr noch ein Verlust von 5 bis 6 Millionen Euro eingeplant.

Dem Unternehmen geht es besser. Freut das auch die Beschäftigten? Sie bringen wenig Freude zum Ausdruck. Vor kurzem erst hatte der OGBL eine Pressemitteilung verschickt, um die Öffentlichkeit auf die festgefahrenen Kollektivvertragsverhandlungen aufmerksam zu machen und anzuprangern, dass im gut gehenden Cargocenter über die Wochenenden bis zu 800 Zeitarbeiter Dienst schieben würden. Das Sanierungsprogramm habe den Flugbetrieb behindert, hieß es. Weil zu viel Personal abgebaut worden sei, habe man sogar Flüge absagen müssen; es habe keine Crew gegeben. 

Fragt man bei den Verantwortlichen der Luxair nach, nennen sie verschiedene Gründe, weshalb die Sanierung schneller als gedacht ihre Früchte trägt. Natürlich habe die gute konjunkturelle Lage dabei geholfen, sagt Generalsekretär Michel Folmer. Die vollzogenen Änderungen in der Tarifstruktur der Airline und die neuen Produkte von Luxair-Tours seien sehr erfolgreich, fügt Unternehmenssprecher Marc Gerges hinzu. Der Tour-Operator schickte 2007 über 200 000 Kunden in den Urlaub, ein Zuwachs von stolzen zehn Prozent. Auch wenn im Linienverkehr mit rund 704 000 Passagieren 40 000 weniger transportiert wurden, ist dies nicht nur negativ zu sehen. Im gleichen Zeitraum nämlich nahm die Airline einige Flugziele aus dem Angebot und führte zwölf Prozent weniger Flüge durch. Die Auslastung stieg um fast sieben Prozent auf 58,2 Prozent. 

Fast scheint es, als ob die Firmenleitung selbst von den guten Resultaten überrascht wurde. Sie hat wieder auf Expansion umgestellt. Teils über Codesharing, teils mittels Zwischenstopps will die Gesellschaft auf neuen Flügen die masse critique an Fluggästen erreichen. Entscheidend zur positiven Entwicklung in derAirline-Sparte beigetragen hat vor allem der Flottenumbau. Die neuen Turboprops fliegen billiger – auf der Strecke nach Frankfurt um 30 bis 35 Prozent, bei voll besetzter Maschine. 

Flotte ist überhaupt ein gutes Stichwort. Die sollte eigentlich um dreiFlugzeuge reduziert werden, eine Boeing und zwei Embraer. Diese Entscheidung wurde rückgängig gemacht. Alle Boeing werden nun bei Luxair-Tours bilanziert, für die sie im Einsatz sind. Für den Tour-Operator steigen dadurch die Kosten im Vergleich zu 2006 um 19 Prozent, trotzdem könne man Dank der starken Passagierzahlen mit einem Vorsteuergewinn von 4,5 Millionen Euro rechnen. Auch die Embraer bleiben. Das, und nicht so sehr die durch die Umstrukturierung bedingten Abgänge von Piloten hätte zum Personalmangel geführt. Acht Piloten hätten von dem im Rahmendes Sanierungsprogramms gemachten Angeboten profitiert, sagtGerges. Weitere acht wechselten zu anderen Airlines. Und das während die Crews für die Einführung der neuen Bombardier Q400 trainierten. Das habe ebenfalls zur Personalknappheit beigetragen, so der Unternehmenssprecher, nicht nur das Reformprogramm.

Hinzu komme, dass derzeit alle Airlines Flugpersonal brauchen.Allein die Lufthansa sucht 4 300 neue Mitarbeiter, davon 360 Pilotenschüler. Deswegen zieht man auch bei der Luxair mittlerweile wieder in Erwägung, jungen Pilotenanwärtern bei der Studienfinanzierung zu helfen. Vergangenes Jahr wurden, den Angaben Folmers zufolge 51 Piloten eingestellt (feste und saisonbedingte Verträge zusammengezählt), dieses Jahr sollen es 20 sein. 

Die Gewerkschaft macht derweil den Vorwurf, die Firmenleitung hätte sich bei der Umstrukturierung nicht auf das Gutachten der Firma McKinsey verlassen dürfen. Dieses sei von Anfang mit Fehlern behaftet gewesen. „Sogar wenn die Flotte reduziert worden wäre, hätte man eine Übergangsphase mit einberechnen müssen“, sagt Hollerich mit Hinweis auf die Crews. Hätte also überhauptkein Personal abgebaut werden dürfen? Folmer macht da allerdings nur kleine Zugeständnisse: „Vielleicht haben wir die positive Entwicklung nicht früh genug erkannt“, sagt er. Allerdings, meint Gerges, man habe ja eigentlich auf eine Reduzierung der Flotte hingearbeitet, die Umstrukturierungsmaßnhamen hättenihreWirkung gezeigt. Und nun müsse man sich von der Gewerkschaft vorwerfen lassen, dass man wieder Personal einstelle.

In dem in Sandweiler angenommenen Resolutionspapier fordern dieOGBL-Mitglieder den „offiziellen Abbruch des 2006 begonnenen Umstrukturierungsprozesses“. Damit gemeint ist der Abbau von 190 Mitarbeitern, der, das betonen die Luxair-Verantwortlichen, ohne Kündigungen durchgeführt wurde. Bisher, sagt Gerges, haben 160 Mitarbeiter von einem der im Plan vorgesehenen Angebote Gebrauch gemacht. Bei dieser Zahl wird es wohl auchbleiben, denn die festgelegten Quoten für die Abfindungspakete und auch für die eigens von Luxair erfundenen extra frühen Pensionierung mit 55 sind erfüllt. Und zwar schon lange. Laut Hollerich gab es schon im September 2006 mehr Anfragen für die Abfindungspakete alsvorgesehen waren. Der Gewerkschafter beschwert sich allerdings,seit sieben Monaten versäume es die Firmenleitung, die Gewerkschaft über den Verlauf des Plan de réduction des effectifs zu informieren. 

„Wir wissen nicht woran wir sind.“ Haben sich die Luxair und McKinsey also völlig vertan in ihren Berechnungen? Das auf jeden Fall wirft die Gewerkschaft ihnen vor. Dementsprechend sauer ist sie auch, dass ausgerechnet McKinsey einen Bericht über das Cargocenter erstellen soll. Dass dort 800 Leiharbeiter malochen,stimmt nicht, sagen die Luxair-Verantwortlichen kategorisch. Während der Engpässe vor Weihnachten seien es maximal bis zu 55 pro Schicht gewesen, mit drei Schichten pro Tag also 165. Hollerich steht weiterhin zu seiner Aussage. Gerges kündigt an, im März würden 60 neue Mitarbeiter eingestellt. Diese Arbeitsplätze sollensolchen Zeitarbeitern angeboten werden, die immer wieder in derLuftfrachtzentrale Dienst tun. Insgesamt sollen dieses Jahr 200 neue Arbeitsplätze dort besetzt werden.

Die Studie, präzisieren Generalsekretär und Sprecher, solle nicht nuranalysieren, wie im Center gearbeitet wird. Sie soll Orientierungshilfe sein. Wie wird sich der Markt der Luftfracht insgesamt entwickeln und wie soll sich das Cargocenter in diesem Umfeld weiterentwickeln? Im April ist der Ausbau betriebsbereit.Dann beträgt die Kapazität 1,2 Millionen Fracht im Jahr. „Das wirdkeine 20 Jahre reichen“, sagt Folmer. Wie ist das in Einklang zu bringen, mit den Aussagen des Transportministers, der Anfang letzten Jahres sagte, das Limit sei schon bei 950 000 Tonnen erreicht? Dazu meinen Gerges und Folmer: „Wir lassen jetzt die Studie machen, die wird dem Verwaltungsrat vorgelegt werden.Dort ist auch das Transportministeriumvertreten.“

In einem rezenten Interview sagte Luxair-Chef Adrien Ney, 2007 habe man eine Basis geschaffen für die weitere Entwicklung der Gesellschaft. Darauf müsse 2008 aufgebaut werden. 2008 ist auch das Jahr der Inbetriebnahme des neuen Flughafengebäudes, und das bringt so manche Veränderung für die Fluggesellschaft mit sich. Viele der Dienstleistungen, welche die Luxair am alten Terminalausübt, wurden jetzt ausgeschrieben.  

Sie hat trotz „großer Bemühungen“ nicht alle Verträge wieder gewonnen. Die Restaurants übernimmt im neuen Gebäude Sodhexo, und wie Gerges betont, das Personal der Luxair auch. Die Sicherheitsaktivitäten wurden von der Betreibergesellschaft Lux-Airport übernommen, auch hier geht das Luxair-Personal mit. DenBetrieb der Parkflächen hat Luxair schon länger abgeben müssen. Die Informatik wird Lux-Aiport selbst in die Hand nehmen ebenso den Unterhalt des Gebäude.

Finanziell ins Gewicht fallen, warnt Folmer, würden allerdings die höheren Mieten für Check-in Counters, Schalter und für die drei Airportshops, die Luxair betreibt. Auf dem sozialen Plan ist es eher die Entscheidung von Lux-Airport, einen zweiten Handling agent ins Gebäude zu holen. Bisher gehen 70 Prozent der Aktivitäten des Bodenpersonals von Luxair Services auf den eigenen Betrieb zurück. 

Die Gesellschaft riskiert demnach maximal 30 Prozent vom Geschäftandie neuen Konkurrenten zu verlieren, die ab September 2008, sosteht es in der Ausschreibung, ihren Service in der neuen Abflughalle an bieten sollen. Es geht also – laut Folmer – auch um 30 Prozent des Personals, das in diesem Bereich tätig ist.  Über 200 Leute arbeiten am Check in, schleppen Koffer, reißen Bordkartenab, begleiten die Leute zum Flugzeug. Laut Ausschreibung musstendie Angebote bis zum 4. Januar vorliegen. 

Und es liegen welche vor, bestätigt Frank Reimen, Präsident vonLux-Airport. Da es sich um eine procédure négociée handelt, wird der Gewinner in mehreren Verhandlungsrunden ermittelt. Das Lastenheft sei derzeit in Ausarbeitung. Die Übernahme von Personal, das bei der Luxair durch die Konkurrenz überflüssig zu werden droht, „könnte“ Bestandteil davon werden, sagt Reimen.Vor dem Sommer soll dann klar sein, wer der Neue ist. Eigentlich können die aktuellen Luxair-Kunden erst dann dort Preisverhandlungen führen. Solange ist ungewiss, wer von den anderen Fluggesellschaften Luxair-Kunde bleibt und wer wechselt.Hubert Hollerich sagt, die Firmenführung habe die Gewerkschaft noch nicht darüber ins Bild gesetzt, was mit den Leuten passieren wird, die in den Bereichen arbeiten, die die Luxair abgeben muss. Das, findet er, ist so knapp vor der Inbetriebnahme des neuen Flughafens, blanker Hohn. 

Vielleicht aber hat der bittere Ton, den die Luxair-Sozialpartner anschlagen, wenn sie mit Dritten übereinander reden, auch damit zu tun, dass bei den ersten Sozialwahlen nach Beschluss des Einheitsstatut nächstes Jahr, Arbeiter und Angestellte fast paritätischaufeinander treffen? Es wird künftig nur noch eine Delegation mit einem Präsidenten geben, dabei hat die Luxair in der Öffentlichkeiteinen hohen Bekanntheitsgrad. Welche Gewerkschaft auch immer hierzu etwas sagt, kann sich des Wiederhalls in den Medien fast sicher sein. 

Hollerich vom OGBL allerdings betont, mit der aktuellen Direktionhabe sich der Dialog erheblich verschlechtert. Beispiel: Die Tarifvertragsverhandlungen. Eine Einführung eines leistungsbezogenen Systems neben linearen Lohnerhöhungenkomme nicht in Frage. „Das System kann Herr Ney in seinenBanken einführen. Aber nicht hier, wo es eine andere gewerkschaftliche Kultur gibt.“

Michèle Sinner
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