Die kleine Zeitzeugin

Dazu ist die Jugend ja da

d'Lëtzebuerger Land vom 22.03.2019

Große Begeisterung unter den Oldies der netten Sorte: All die jungen frischen Menschen, die durch die Straßen ziehen, um die Welt zu retten. Welt retten, big project, war das nicht mal ihres? Klingt doch verdammt bekannt, aber dann kam einiges dazwischen. Job, Auto, irgendwie leben muss Mensch ja und von etwas. Einige kamen dazwischen. Unter anderem die, die jetzt so motiviert durch die Straßen ziehen. Eben haben sie noch Stockholm für 29 Euro gebucht, kleiner Wochenendaus-Flug, um einer Freundin, die da Erasmus macht, kurz mal Hallo zu sagen. Die sind ja Tausendsassas im Buchen, diese jungen Menschen, immer online, www-Schnäppchenjäger_innen, steigen in Flugzeuge wie unsereins in Busse. Also, wenn wir in Busse steigen würden.

Mit stolzgeschwellter Brust werden sie gepostet, Nachwuchs, yeah, Nachwuchs okay. Irgendwas vielleicht doch richtig gemacht, die We don’t need no education-Generation? Auch wenn sie, wie sie sich jetzt selbstanklagend an die Brust klopft, Nostra Culpa, schlappgemacht hat. Viel viel toller, Nostra Culpa, als man selber, die eigene Degeneration, sind diese jungen Menschen. Obschon man selber auch schon ziemlich toll war, bitte, Woodstock, und dann haben wir uns in der Großgasse gegen Atom auf den Boden gelegt.

Unterzeichnete gerät ins Sinnieren, wann war das? Mitte der Siebziger, als Busenfreundin auf der Terrasse des Café de Paris auf der Place d’Armes das Szenario eines, schluck, vom Meer verschluckten New York ausmalte. Während sie Eiskaffee löffelten, im Schatten der gescheckten Platanen. So um 2000 herum werde das sein, präzisierte Freundin. 2000, das klang so verlockend bedrohlich. Club of Rome, sagte die Freundin, keine Wahrsager also, echte Wahrsagerei, nämlich Wissenschaft. Puh, echt?, Wahnsinn. Dann bestellten sie noch einen Eiskaffee und träumten davon, wie es wäre, wenn es nicht so wäre, wie es war.

Die von anderen so genannten Hippies lebten zwar bio, manche gar orthodox. Einige hielten das lebenslänglich durch, ließen sich nicht beirren vom Spott der Nachgeborenen, den giftigen Punks, den zynischen Penthouse-Yuppies. Regenwasser sammeln, Humusklo, Käse und Klamotten selber machen. Aber irgendwann sattelten selbst Fundis von Schusters Rappen auf potentere Pferdestärken um. Andere konzentrierten sich auf Bio-Weine und darauf, die Kids im Allradwagen zur Waldorfschule zu bringen.

Die Vorfahren, die ausnehmend viel im Auto gefahren sind und ihren Sprösslingen einen monströsen ökologischen Fußabdruck hinterlassen haben, liken diese jetzt sehr. Welch tolle Jugend! Und so engagiert. Wo sie ja auch sonst schon so viele Probleme hat beziehungsweise haben wird. Anscheinend ist sie viel ärmer als ihre Alten, lesen die Alten betroffen, lebt in einem Europa, das nicht mehr weiß, wie lange es es noch gibt und warum, und werden bald von kompetenten Roboter_innen geschult werden. Und jetzt müssen sie auch noch klimaschwänzen.

Auf dem ganzen Erdball, und extra viele gerade in Luxemburg, wo der Fußabdruck ja besonders viel zertrampelt hat, unattraktive Mini-Lebewesen zum Beispiel, die kein Schwein kennt, aber anscheinend Amsel, Drossel, Fink und Star so gut schmecken. Und die schwänzen uns jetzt wegen Gestorbensein, bald Ausgestorbensein, selbst SUV-Fahrer und Monsanto-Lobbyistinnen finden das bedauerlich: Sie schätzen ein Gratiskonzert bei Bio-Wein an lauschigen Abenden. Gut, dass die Jugendlichen Gas geben! Dazu ist die Jugend ja da. Den Alten Stress machen, Forderungen stellen, möglichst grandiose, auch an sich selber. Klima-Askese, nicht fliegen, Wow!

Baby-Boomer_innen, überall zuhause, auf den Fidschi- Inseln und in den Kunstkathedralen, applaudieren gerührt. Top, postet Last-Minute-Greisin, gerade unterwegs zum Flughafen, leider schafft sie es nicht mehr im Nachen bis nach Südostindien oder auf der Drahteselin durch die Mongolei.

Hedonistischer Best Ager prostet den Klima-Kids zu.

Während die Sonne bei Capri versinkt.

Michèle Thoma
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