Facebook-Chef in Berlin

Ein neues Emoji

d'Lëtzebuerger Land du 05.04.2019

Er hatte sich extra in Schale geworfen, gar eine Krawatte umgebunden. Er wirkte darin etwas tapsig und konnte dem forschen Vorangehen von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) nicht so richtig Schritt halten. Mark Zuckerberg weilte am Montagabend in Berlin, um der deutschen Politik seine Aufwartung und um Gehör zu bitten, Buße zu verkünden und Sünden einzugestehen – vor allem auch in Hinblick auf Europa. Barley ist schließlich auch Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten und wird demnächst nach Brüssel wechseln. Egal, wie die Europawahl Ende Mai auch ausgehen mag.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass das Verhältnis zwischen Facebook und der Europäischen Union ein gänzlich anderes. Auf der einen Seite ein hippes, aufstrebendes Unternehmen, das es mit einer simplen Idee binnen weniger Jahre zu einem der größten und wertvollsten Konzerne der Welt geschafft hat. Beinahe jeder Mensch nutzt es, beinahe jeder Mensch lässt seine Daten da. Ein Unternehmen, das das Internet besser verstanden hatte als jeder Politiker in Europa. Auf der anderen Seite die Europäische Union mit 27 bis 28 Mitgliedsstaaten, diversen Institutionen, 24 Amtssprachen, unterschiedlichen Interessen und unüberschaubar vielen Hinterzimmern. Ein Gebilde, kompliziert in der Entscheidungsfindung, behäbig zudem in deren Umsetzung. Es war klar, wer von den beiden im digitalen Zeitalter die Nase vorn hat.

Doch nach diversen Datenskandalen bei Facebook hat sich das Miteinander verändert. Selbst im Heimatmarkt USA steht das „soziale Netzwerk“ mittlerweile unter Druck, besseren Datenschutz garantieren zu müssen. Die EU wiederum hat mit Vorschriften wie der sperrigen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vor einem Jahr oder der Änderung des Urheberrechts vor wenigen Tagen unter Beweis gestellt, dass sie sehr wohl handlungsfähig genug ist, um auch Weltkonzerne wie Facebook in die Mangel zu nehmen. Davon zeugte letztendlich auch Gang nach Canossa-Berlin von Mark Zuckerberg.

Und Barley ließ sich nicht lange bitten. Waren die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bei der Befragung vom Facebook-Chef im Mai letzten Jahres noch zurückhaltend und muteten dabei teilweise eingeschüchtert ob der schieren Unternehmer-Persönlichkeit an, die da vor ihnen stand. Die deutsche Justizministerin schlug andere Töne an: „Facebook hätte bereits heute alle Möglichkeiten, um, unabhängig von staatlicher Regulierung, höchstmöglichen Datenschutz für die User zu garantieren“, konterte Barley Zuckerbergs Forderung nach einheitlichen Regelungen weltweit. „Stattdessen vergeht kaum ein Monat ohne einen neuen Sicherheitsskandal.“

Sie sei deshalb „überrascht“ von den Vorschlägen des Facebook-Bosses gewesen. Er hatte unter anderem gefordert, die DSGVO global anzuwenden und einen einheitlichen Umgang mit Hasskommentaren zu implementieren. Auch Tankred Schipanski, digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, wollte Zuckerberg dessen neue Besorgtheit in Sachen Datenschutz nicht abkaufen: „Für besonders glaubwürdig halte ich den Sinneswandel nicht, solange den Worten keine Taten folgen.“ Das Unternehmen habe sich schließlich jahrelang gegen jedwede Regulierungen und Einschränkungen gesträubt. Manuel Höferlin, digitalpolitischer Sprecher der FDP, bezeichnete Zuckerbergs Vorschläge als „vergiftetes Angebot“. Diese Einschätzung teilt auch Daniel Zimmer, ehemaliger Chef der Monopolkommission. Er sagte gegenüber der Tageszeitung Handelsblatt, dass es Facebook um „das Wohl des eigenen Unternehmens zulasten anderer“ ginge. Schließlich sei ein juristischer Flickenteppich ein Kostentreiber. „Internationale Standards würden Facebook viel Geld sparen.“

Berlin wird eine kommende Destination für Mark Zuckerberg werden. Denn er ließ noch ein Geschenk für die Stadt zurück. Sein Unternehmen werde im Juni in Berlin Wissenschaftler und Experten zu einer Diskussion über ein unabhängiges Aufsichtsgremium zusammenbringen, so Zuckerberg gegen über dem Fernsehsender ARD. Ein derartiges Gremium könne die letzte Entscheidung darüber fällen, welche Inhalte auf der Plattform blieben. Dies könne aber auch bedeuten, dass fälschlicherweise gelöschtes Material wieder ins Netz gestellt werde.

Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) schimpft zwar immer ein wenig über die Datenschutz-Verstöße bei Facebook, postete aber am Montagabend ein Selfie von sich mit „Zuck“ bei Instagram, das auch zu Facebook gehört. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Anfang Februar ihre Facebook-Seite geschlossen. Sie begründete damals die Löschung damit, dass sie nicht mehr CDU-Vorsitzende sei. Über den genauen Zusammenhang zwischen Amt und Account machte sie keine Angaben. Immerhin hatte sie mehr als zweieinhalb Millionen Follower. Ihr Abschiedspost, ein halbminütiges Video, wurde von 1 600 Menschen kommentiert.

Doch Zuckerberg ist nicht Zuckerberg, hätte er nicht noch einen Pfeil im Köcher: Deutsche Zeitungsverlage lassen kaum eine Gelegenheit aus, über Digitalkonzerne wie Facebook zu schimpfen, weil diese das Geschäftsmodell der Presse zerstörten. Nun machte Zuckerberg ihnen eine Offerte und überweist zwei Millionen „Lokalzeitungsentwicklungshilfe“ nach Deutschland. Dies sei Teil der angekündigten 300-Millionen-Dollar-Initiative, wie verschiedene Nachrichtendienste meldeten. Verlage wie DuMont und Funke Mediengruppe, aber auch die Tageszeitung Rheinische Post nahmen das Angebot dankend an. Es ist dies die Kunst, Gegner zu Freunden zu machen.

Martin Theobald
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