Digitaler Fahrtenschreiber

Little Brother für Trucker

d'Lëtzebuerger Land vom 24.01.2002

Nach jahrelangem Hin und Her steht der Einführung des digitalen Tachografen grundsätzlich nichts mehr im Wege: Die letzen Hürden, die bislang eine Veröffentlichung des technischen Anhangs 1B im EU-Amtsblatt verhinderten, wurden in der zuständigen Arbeitsgruppe des EU-Ministerrates ausgeräumt. Somit müssen aller Voraussicht nach ab März oder April 2004  alle neu zugelassenen Lkw mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgestattet sein.

Der Wunsch nach einer Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit durch effektivere Kontrollen der Lenk- und Ruhezeiten von Lkw- und Busfahrern sowie die Schaffung harmonisierter Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU waren ausschlaggebend für die Entwicklung der neuen Fahrtenschreiber-Generation. Außerdem bietet die Nutzung der gespeicherten Daten für ein effizienteres Fuhrparkmanagement eine willkommene Zweitverwertung der digitalen Informationen für die Transportunternehmen.

Einigten sich die europäischen Verkehrsminister bereits 1999 auf die eigentliche Verordnung, entwickelte sich die Ausarbeitung der technischen Spezifikationen im Anhang 1B jeoch zu einer wahren Sisyphusarbeit. Insgesamt 260 Seiten wurde der technische Anhang schließlich lang, im Gegensatz zu den sieben Seiten, auf denen der bisher benutzte Diagrammfahrtenschreiber erläutert wird. Die Übersetzungsarbeiten in die elf EU-Amtssprachen nahmen alleine fast ein ganzes Jahr in Anspruch.

Der Grund für die Verzögerungen der Veröffentlichung des Anhangs 1B aber waren inhaltliche Lücken, die eine langwierige Änderung der Verordnung notwendig gemacht hätten. So kritisierten einige Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, dass die neue Verordnung ur-sprünglich keine Verpflichtung zum Abspeichern und Aufbewahren der Daten vorsah, sondern das den Mitgliedstaaten freistellte. Diese Gesetzeslücke hätte unweigerlich unerwünschte Wettbewerbsnachteile für die Transportunternehmen jener Mitgliedstaaten zur Folge gehabt, die sich für eine Abspeicherungspflicht entschieden hätten: Dort können bei Betriebskontrollen alle Angaben genau überprüft werden.

In der Fachgruppe des EU-Ministerrates verständigten sich die Mitgliedstaaten nun grundsätzlich darauf, die Abspeicherungsverpflichtung in der Verordnung über die Lenk- und Ruhezeiten festschreiben zu wollen. Außerdem soll diese Verordnung um eine Verpflichtung zur manueller Eingabe bestimmter Angaben des Fahrers ergänzt werden. Somit kann der Anhang 1B voraussichtlich im März oder April diesen Jahres ohne Änderungen im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden und die Verordnung in Kraft treten.

Der Fahrtenschreiber wurde in erster Linie als Kontrollgerät der Lenk- und Ruhezeiten von Berufskraftfahrern eingeführt. Die von der EU-Kommission inzwischen vorgeschlagene Änderung der Verordnung über die Lenk und Ruhezeiten soll unter anderem die Entwicklung von Computerprogrammen ermöglichen, mit denen die zahlreichen Aufzeichnungen über die Lenk- und Ruhezeiten unmittelbar kontrolliert werden können.

Ende Dezember vergangenen Jahres wurde auf EU-Ebene zudem eine Einigung über die Arbeitszeit von Berufskraftfahrern erzielt. Neben den Lenk- und Ruhezeiten umfasst die Arbeitszeitrichtlinie auch Aktivitäten wie das Be- und Entladen, Säubern und Warten der Fahrzeuge sowie administrative Tätigkeiten. Nach Ansicht von Wim Smolders, Head of Social Affairs der Vertretung der Internationalen Straßentransportunion IRU in Brüssel, ist jedoch die Verwendung des Fahrtenschreibers für die Kontrolle der Arbeitszeitrichtlinie beispielsweise bei Straßenkontrollen kaum zweckmäßig. So übersteigen die Ausgleichszeiten bei der Arbeitszeit weit die vom Fahrtenschreiber registrierten Zeiträume. Auch dürften Abweichungen, die national im Bereich von Arbeitszeit und Nachtarbeit eingeführt werden können, ausländischen Straßenkontrolleuren nicht bekannt sein. Die IRU ist deshalb der Ansicht, dass das Kontrollgerät für Lkw-Unterwegskontrollen der Arbeitszeiten generell nicht geeignet ist und deshalb auch nicht durchgeführt werden sollte. Bei Betriebskontrollen dürfte sich die Kontrollmöglichkeiten aber erheblich verbessern.

 

Gleich zwei "digitale Gehirne" sollen den Tachografen leistungsfähig und manipualtionssicher machen 

 

Der neue Tachograf verfügt mit einem Massenspeicher und Chipkarten über zwei "digitale Gehirne", auf denen Informationen gespeichert werden können: Herzstück ist die Black Box mit dem Massenspeicher, in die der Fahrer seine Chipkarte einführt. Der Tachograf zeichnet wie bisher Fahrt- und Ruhezeit sowie die Geschwindigkeit des Lkw auf. Letztere wird doppelt registriert - zum einen im Sekundentakt für die letzten 24 Stunden (unter anderem für Unfallanalysen), zum anderen werden fahrzeugklassenabhängigen Geschwindigkeitsübertretungen von mehr als einer Minute Dauer erfasst. Außerdem registriert die Black Box die Fahrtzeit der letzten 365 Tage, ohne dass nachgeprüft werden kann, welcher Fahrer wann am Steuer saß. Auf der so genannten Fahrerkarte sind Fahrt- und Ruhezeiten der letzten 28 Tage aufgezeichnet. Eine generelle Pflicht zum Austausch traditioneller Fahrtenschreiber gegen den Tachografen gilt nicht. Nur Altfahrzeuge, die nach dem 1. Januar 1996 zugelassen wurden und deren Fahrtenschreiber nach Inkrafttreten der Tachografen-Verordnung einen Defekt aufweist, müssen die neue Bordelektronik nachrüsten.

Die manipulationssichere Erfassung der Fahrtparameter wird durch einen intelligenten Geber gewährleistet. Das heutige Panzerkabel entfällt. Der digitale Tachograf DTCO von Siemens VDO ermöglicht über eine Schnittstelle den Anschluss zusätzlicher Module für moderne verkehrstelematische Funktionen, wie Ortung per GPS, mobile Datenkommunikation über GSM, Erfassung von Frachtdaten, Übermittlung von Verkehrsinformationen, etc. In der Flottenzentrale können die Daten beispielsweise für das Flottenmanagement, die Lohnkosten-abrechnung oder für die Schulung der Fahrer durch die Auswertung des registrierten Fahrverhaltens genutzt werden.

Generell wird damit gerechnet, dass sich der Kaufpreis eines neuen Lkw durch den Einbau des digitalen Tachografen nur unwesentlich erhöhen wird. Bei einer Nachrüstung dürften sich die Kosten, ersten inoffiziellen Informationen zufolge, auf rund1 000 Euro belaufen, wobei der Großteil für Lohnkosten aufgewandt werden müsste. Der Preis pro Fahrerkarte wird auf mindestens 50 Euro geschätzt. 

 

Der Autor arbeitet als freier Verkehrsjournalist in Brüssel.

 

Christian Dahm
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