Gut geht's

Im Auto zur Bastille

d'Lëtzebuerger Land vom 17.05.2013

Es wird unheimlich schlimm, es wird noch schlimmer, wo sind die Bucheckern und die Brennnesseln, kann man Hasenbrot essen, ich glaube ja, Filzläuse sowieso. Es wird unheimlich schlimm, Juncker hält eine Grabrede zur Lage der Nation. Er sitzt bei einem Philosophen, der seine eigene Marke ist, und beichtet. Mitten in der Nacht öffnet er sein Herz, das keineswegs rabenschwarz ist. Dass alles so richtig schlimm wird, noch schlimmer, das Schlimmste kommt erst noch. Er ist gramgebeugt, man spürt, dass er Steine auf dem Herzen hat, Sysiphus-Wackersteine, mindestens. Er ist nicht zynisch, er serviert nicht ein einziges Lügenwitzchen. Die Lage ist ernst. Er trägt das Hemd des Büßers. Er ist ein Gewerkschafter, ein Marxist, ein wahrer Christ, ein Mensch sogar. Ein bisschen ein Schalk natürlich auch, wie er Weltherrscher spielt, ganz kurz aber nur. Das Böse würde er verbieten, aber nicht radikal, aus dem Bösen kann nämlich auch das Gute entstehen. Juncker ist kein Weltherrscher, eher ein bekümmerter Gottvater, der weiß, dass seine Kinder aus dem Bankenparadies vertrieben werden.

Der Philosoph versenkt seine Augen in den Augen seines Gastes. Der wendet sie nicht ab. Er hat ja nichts zu verbergen.

Es wird schlimm. Es wird noch schlimmer werden.

In einen Sack gehört der Finanzminister gesteckt und in die Petruss geworfen. Das ist nicht von mir, das ist von Face Book. So schreibt das Volk, wenn man es lässt. Das gefällt vielen, sie steuern auch noch allerhand Einfälle und praktische Vorschläge bei, da kann einem schon mulmig werden. Wer hätte das gedacht, von einem so netten Volk, das bisher immer zufrieden war, wenn es nur profitieren konnte. So schnell schäumt es, vor Wut, wollen die wirklich auf die Bastille? Eben wollten die doch noch in Trier einkaufen gehen, oder sich unter einer Palme die Zehen massieren lassen.

Sie sind zur Automesse gepilgert und haben Katzen gepostet, die sich auf Sofas räkeln. Das Volk hasst sich aber auch selber und beschinpft sich selber, es verachtet sich sogar. Das Volk nennt sich selber ein verwöhntes Volk, ein Faulpelz-Volk, und es geschehe ihm alles ganz recht. Eines schrecklichen Tages würde es, das verwöhnte Faulpelz-Volk aufwachen, und dann garelabox.

Vor allem, wenn die Tram kommt. Das wird der Supergau, der Superstau. Ein leistungsstarkes Transportmittel zur kollektiven Personenbeförderung mit speziellen Fahrzeugen, die sich schienengebunden auf eigenen Fahrschienen fortbewegen. Und sowas in unserer Stadt! Mitten unter uns. Da fährt die Straßenbahn drüber. Wer fährt denn schon in so einem Transportmittel, das sich auf Schienen fort bewegt, und in unserm schönen Stater Himmel hängen Drähte rum? Das kann man sich ja lebhaft vorstellen, welche Sorte das ist, wohin, wofür. Die Luxemburgerin sicher nicht, die verkehrt nicht öffentlich, pfui. Diese Transportierten, Transporttiere kann man sich ja lebhaft vorstellen. Arbeitwegnehmerinnen, Grenzgangster, oder solche, die es sich in der Fixerstube gemütlich machen. Die waren doch immer flott in der Busflotte unterwegs, hat man sie bisher nicht immer zufriedenstellend in ihre diversen Ein- und Aussatzgebiete geschafft?

Bimmelbimmelbummel. Tritratram. Ein Horror-Kinderbuch. Colette und Fernand singen, wir zuckeln hinter der Horrorkinderbuchbahn her und zucken aus. Wir dürfen nicht mal hupen. Da kann man ja nur noch Amok laufen, zwischen Kirchberg und Guar. Da kann man ja nur noch von einer Brücke springen, oder von einer anderen, wenigstens da haben wir einen Choix. Da kann man ja nur noch eine Bombe legen, oder werfen, bitte, ich zitiere nur.

Sie vertreiben uns aus dem Bankenparadies. Sie wollen uns unsere heilige Kuh nehmen. Wir sollen auf Drahteseln unterwegs sein. Auf Schusters Rappen. Sie wollen uns in eine Tram stopfen und uns das Maul stopfen.

Sie nennen es urbanes Projekt.

So schaut’s aus, für die kleinen Leute in den großen Autos.

Das Volk fährt im Auto zur Bastille, wo ist die eigentlich?

Michèle Thoma
© 2023 d’Lëtzebuerger Land