Studie zum Lohnvergleich

Und was verdienst Du so?

d'Lëtzebuerger Land du 22.09.2017

Bei Donald Trump sind es die zu kleinen Hände und andere Körperteile, die wir lieber nicht kennen wollen – Menschen vergleichen sich ständig mit ihren Mitmenschen. Besonders häufig vergleichen Erwerbstätige ihren Lohn. Davon leben inzwischen Plattformen im Internet, wo Neugierige ihren Beruf eintippen können und sodann Referenzlöhne erhalten. Einige Aufschlüsselungen sind raffinierter gemacht; da werden neben dem Beruf Alter, Region und Land als Rechengrößen hinzugezogen. Gehaltsrechner heißt das, oder etwas ehrlicher: Neidrechner.

Das Luxembourg Institute of Socio-economic Research (Liser) hat gemeinsam mit der Universität Kent in Ohio/USA untersucht1, mit wem sich ArbeitnehmerInnen hierzulande vergleichen. Dafür wurden zwischen März und Juni 2013 eine repräsentative Stichprobe von 3 606 Luxemburgern, 462 Einwanderern und 9 240 Grenzgängern, die mindestens sechs Monate ununterbrochen in einem Unternehmen gearbeitet haben, zu ihren Vergleichs-Vorlieben befragt. Zur Auswahl standen Kollegen und Kolleginnen, Mitarbeiter aus anderen Unternehmen mit vergleichbaren Berufen, Familienmitglieder, Nachbarn oder Freunde. Auch die Antwort, sein Gehalt gar nicht zu vergleichen, konnte man ankreuzen.

Frühere Studien hatten ergeben, erklärt Laetitia Hauret, Leiterin der Studie bei Liser auf Land-Nachfrage, dass demografische Faktoren eine Rolle spielen, wenn sich Arbeitnehmer untereinander vergleichen. In der Regel tun sie das nicht mit Kollegen, wenn unter ihnen viele nicht dieselbe Herkunft haben, also der Anteil unterschiedlicher Nationalitäten hoch ist.

In der sehr heterogenen Stichprobe der Luxemburger Studie, die auf der Liser-Webseite nachzulesen ist, war dies gleichwohl nicht der Fall: Ein Großteil gab an, sein Gehalt gar nicht mit anderen zu vergleichen. Bei denen, die ihren Lohn mit anderen verglichen, stieg die Wahrscheinlichkeit, sich im direkten Arbeitsumfeld zu vergleichen, wenn es einen höheren Anteil an älteren Kollegen im Unternehmen gab. „Es ist anzunehmen, dass die Arbeitnehmer ihre Lohnsituation mit der älterer Kollegen vergleichen, weil diese ihnen einen Hinweis über potenzielles Lohnwachstum in Zukunft bieten“, sucht Hauret nach einer Erklärung. Nach Geschlecht aufgeschlüsselt wurden diese Ergebnisse nicht weiter.

Zudem nahm das Interesse, das eigene Gehalt mit dem von Mitangestellten zu vergleichen ab, wenn das Betriebsklima als gut beschrieben wurde. Eine Erklärung für diesen Zusammenhang lieferten Hauret und ihr Team nicht. Auch diese Ergebnisse waren nicht weiter nach Geschlecht aufgeschlüsselt.

Dabei ist Geschlecht als Untersuchungsgegenstand durchaus relevant, und zudem nicht ohne politische Brisanz: Männer scheinen ihre Entlohnung eher nicht mit der ihrer weiblichen Kollegen zu vergleichen, vorausgesetzt, ihr Anteil im Betrieb ist hoch. Offenbar interessierte es sie nicht, sich mit der Lohnhöhe von Frauen zu messen. Bei den Frauen war es umgekehrt: Sie verglichen ihre Entlohnung mit der männlicher Kollegen. Die Wissenschaftler analysierten und interpretierten das Ergebnis nicht weiter, doch es überrascht nicht wirklich: Frauen bekommen heutzutage oft immer noch für die gleiche Arbeit weniger Lohn gezahlt als ihre männlichen Kollegen, obwohl das Arbeitsrecht Lohndiskriminierung verbietet. Da lohnt es sich für sie, genauer hinzugucken.

Lohnvergleich: jetzt wird’s politisch

In Deutschland ist die sozialdemokratische Familien- und Gleichstellungsministerin Manuela Schwesig wegen der anhaltenden Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern aktiv geworden. Im März dieses Jahres verabschiedete die schwarz-rote Koalition in Berlin das Entgelt-Gleichstellungsgesetz, wonach Mitarbeiter einer Firma über den Betriebsrat Informationen zum Lohnniveau des jeweils anderen Geschlechts anfordern können. Mit dem anonymen Lohnvergleich bekommen insbesondere Frauen (Männer können bei Verdacht auf schlechtere Entlohnung ebenfalls Informationen über den Lohn des anderen Geschlechts anfordern) ein Instrument an die Hand, mit dem sie Lohndiskriminierung aufdecken und beheben können. Allerdings gilt dies nur für Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten, das sind in Deutschland rund 18 000 Firmen mit 14 Millionen ArbeitnehmerInnen (insgesamt sind in Deutschland rund 43,6 Millionen Menschen erwerbstätig).

Anfragen für einen – anonymisierten – Lohnvergleich können seit dem 6. Juli an den Betriebsrat gestellt werden, der wiederum die Daten von der Firmenleitung bekommt. Das hat den Vorteil, dass die Chefin/der Chef nicht erfährt, wer den Lohnvergleich beantragt hat. Dabei geht es nicht um individuelle Gehälter, sondern Daten zu einer Gruppe von Angestellten mit vergleichbarer Tätigkeit, aus denen dann ein Durchschnittsgehalt errechnet wird. Liegt die Zahl der vergleichbaren Kollegen unter sechs, kann die Unternehmensleitung den Vergleich jedoch verweigern.

Um das Gesetz war erbittert gerungen worden, vor allem die Unternehmensverbände waren strikt dagegen. Laut Statistischem Bundesamt beträgt der Lohnabstand zwischen Männer und Frauen beim deutschen Nachbarn pauschal 21 Prozent, Frauen verdienen dort durchschnittlich knapp 4,50 Euro die Stunde weniger als ihre männlichen Kollegen. Ursache hierfür sind Teilzeitarbeitsverhältnisse oder geringer entlohnte Vollzeitjobs, die häufiger von Frauen besetzt werden. Auch arbeiten sie öfters in kleineren Unternehmen. Rechnet man diese Faktoren heraus, ergibt sich allerdings immer noch eine Lohnlücke von bis zu sieben Prozent.

Ob jedoch das Gesetz den Gender pay gap wird schließen können, bleibt abzuwarten: Zum einen gibt es keine Sanktionen für Unternehmen, die für die gleiche Arbeit ungleiche Löhne bezahlen, sondern lediglich, wenn sie sich weigern, Auskunft zu geben. Zum anderen gilt nach wie vor: Frauen müssen sich trauen, den Lohnvergleich aktiv einzufordern – und dann, sollten sie ein Gefälle feststellen, selbst bessere Konditionen aushandeln... das kann ihr männlicher Kollege natürlich ebenfalls tun.

Übrigens hatte eine andere Studie vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln herausgefunden, dass vieles dafür spräche, dass die Offenlegung von Vergleichslöhnen viele Beschäftigte unzufrieden und nur wenige glücklich machen würde. Demnach riskierten Mitarbeiter, die weniger verdienen als der Median (also die Gehaltsschwelle, die von der Hälfte der Beschäftigten in dem Job überschritten wird, während die andere Hälfte darunter bleibt), dass sie danach unzufriedener sind als vorher. Nicht auszudenken, wenn sie gegen ihre Unzufriedenheit auch noch etwas unternehmen würden.

1 Laetitia Hauret und Donald R. Williams, Choice of colleagues as reference group for wage comparison: does group composition matter?; Juni 2017;
Liser Working Papers Nr. 2017-10; 17 Seiten.

Ines Kurschat
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