Saar-Lor-Lux-Sondergipfel zur Atomenergie in Metz

Minimalkonsens

d'Lëtzebuerger Land vom 21.04.2011

Dass beim ersten Sondergipfel der Großregion Saar-Lor-Lux zum Thema Atomenergie nicht sehr viel Konkretes herauskommen kann, hätte man sich denken können. Als die Vertreter von Deutschland, Luxemburg, Belgien und Frankreich bei strahlendem Sonnenschein in der Metzer Präfektur mit ernsten bis düsteren Gesichtern vor die zahlreich versammelte Presse traten, ahnte man es schon: Viel zu verkünden haben sie nicht. Ob es und wie es mit dem Atommeiler in Cattenom weiter gehen wird, entscheiden nicht sie. Sondern Paris.

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte zwar im Kontext des weltweiten Schocks über die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima angekündigt, auch sein Land werde sich den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Stresstests für Atomkraftwerke (AKW) unterziehen. Und sollte dabei herauskommen, dass ein französischer Reaktor nicht den vorgegebenen Sicherheitsstandards entspricht, so versicherte Sarkozy, würde dieser selbstverständlich sofort abgeschaltet.

Nun ist es bei den Brüsseler Kriterien für die AKW-Stresstests jedoch zugegangen wie so oft, wenn die 27 Mitgliedstaaten sich einigen müssen: Es reichte nur zum Minimalkonsens. Die europäischen Regierungschefs hatten sich bereits Ende März auf einen Prüfkatalog verständigt, die Kontrollen selbst werden von den nationalen Behörden vorgenommen, die ihre Ergebnisse der Kommission melden. Brüsseler Experten bewerten anschließend die nationalen Ergebnisse, die bis Jahresende vorliegen sollen. Der Katalog umfasst Szenarien wie Erdbeben, Überschwemmung oder auch Stromausfall. Die für ältere europäische Meiler heiklere Frage nach dem Berstschutz vor Flugzeugabstürzen und Terroranschlägen ist darin aber nicht enthalten.

Sie wurde nun von den politischen Verantwortlichen der Großregion wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Darüber hinaus aber wollten vor allem die Regierungen aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Luxemburg in der Resolution festhalten, dass Cattenom nach den in der Region höchsten Standards für Atomreaktoren, den deutschen, überprüft werde und die Kontrollen von den Anrainerstaaten eingesehen werden können. Auch die Frage der Laufzeitverlängerung wollten Deutschland und Luxemburg neu diskutieren. Man habe in diesem Punkt keine Einigung erzielen können, so Saarlands Ministerpräsident Peter Müller. „Das bedauere ich.“

In ihrer Resolution verlangen die Unterzeichner „absolute Transparenz“, wenn über die Ergebnisse der Stresstests beraten werden soll. Dafür will die Großregion im Herbst einen weiteren Gipfel einberufen. Aber auch wenn der Präsident des lothringischen Regionalrates, Jean-Pierre Masseret, betonte, die Sorgen der Bevölkerung stünden im Mittelpunkt der Erörterungen, und der luxemburgische Premier noch einmal eindringlich vor den Folgen warnte, die ein Atomunfall in Cattenom für Luxemburg haben würde – das Land wäre „wirtschaftlich und sozial gefährdet“ – klar ist: Die Franzosen sind trotz Fukushima nicht bereit, ihre Atomenergiepolitik grundsätzlich zu hinterfragen, sondern wollen ihre Atomkraftwerke länger am Netz halten. Weil die Kontrollen von denselben Behörden vorgenommen werden, die auch die jährlichen Inspektionen verantworten, befürchten Atomkraftgegner, wie die französischen Grünen, die Stresstests würden keine neuen Ergebnisse bringen und alles bliebe beim Alten.

Luxemburgs Innenminister Jean-Marie Halsdorf fand vor Journalisten dennoch nur Lob für die Veranstaltung: „Das ist schon viel“, sagte Halsdorf nach der Sitzung. Wichtig sei schließlich auch die politische Signalwirkung für die Großregion.

Aber nicht einmal dafür taugte die Metzer Veranstaltung wirklich. Dafür waren die Positionen zu unterschiedlich. So waren sich die Teilnehmer aller Regionen zwar einig, „koordinierte Aktionen“ im Bereich der Energiepolitik zu ergreifen. Was damit aber genau gemeint ist, wie sie geplant und bezahlt werden, darüber schweigt sich die Resolution aus. Außer Spesen nichts gewesen?

Auch auf die versprochene verbesserte Informationspolitik werden die Bewohner der Großregion warten müssen. Details über die engere Zusammenarbeit im Katastrophenfall wurden nicht bekannt, noch immer ist der Berichte über die letzte Katastrophenübung in der Region von vor einem Jahr nicht veröffentlicht. Auch die Inspektionsberichte von Cattenom sind nicht auf deutsch erhältlich. Das wird sich ändern, versprach Cattenom-Direktor Stéphane Dupré-La-Tour kürzlich bei einem Besuch von Saarlands Umweltministerin Simone Peter. Die grüne Politikerin hatte nach ihrem Besuch im AKW Cattenom übrigens ein weitere Schwachstelle der Anlage kritisiert, nämlich, dass sich das Abklingbecken für radioaktive Brennelemente außerhalb des mit Berstschutz gesicherten Bereiches befindet und lediglich mit einem Blechdach abgesichert sei. „Es würde auch bei einem Flugzeugabsturz keinerlei Sicherheit gewährleisten“, so Peter gegenüber dem Deutschlandradio.

Um den Druck auf Paris zu erhöhen, rufen Atomkraftgegner am Ostermontag zu einer grenz- und parteienübergreifenden Großdemonstration in Cattenom auf. Es werden mehrere tausend Teilnehmer erwartet. Am Dienstag dann wollen luxemburgische Atomkraftgegner auf der Place Clairefontaine für die sofortige Abschaltung von Cattenom demonstrieren.

Ines Kurschat
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