Ein Papierstapel aus der Schublade in Buchform

On Playwriting (mostly)

Larisa Faber
Foto: Jeanine Unsen
d'Lëtzebuerger Land vom 27.08.2021

Der vierte Band der Reihe Theatrical Talks des CNL stammt aus der Feder der Theatermacherin, Schauspielerin und Drehbuchautorin Larisa Faber. Geboren in Rumänien, aufgewachsen in Luxemburg, wurde sie am Drama Centre London ausgebildet. Sie hat unter anderem in der sehr erfolgreichen Serie Capitani (2021) oder in Bad Banks (2017) mitgespielt, und schreibt seit 2013 Stücke auf Englisch, die in Luxemburg inszeniert werden. In ihrer diesjährigen Residenz am Mierscher Kulturhaus arbeitet sie an ihrem Stück Papercut, das die Schlüsselfiguren der sogenannten School-Leaks-Affäre von 2015 in Szene setzt. Damals ging es unter anderem um die unerlaubte Weitergabe von Textbögen durch Lehrpersonal (Genaueres wieder in der Inszenierung!) – und von den Erfahrungen dieses Schreibprozesses geht On Playwriting (mostly) aus.

In dem 70-seitigen Band hinterfragt Larisa Faber ihre Rolle als Schreibende, überblickt ihre Arbeitsweise und Inspirationen im eigenen Schaffensprozess. Sie stellt sich der Frage nach der Sprache, in der sie schreibt, im Vergleich zu den Sprachen im Alltag in Luxemburg, der Sprache der Kindheit oder der Lektüren usw. Eine schöne und immer wieder spannende Betrachtung in der vielsprachigen Kunstwelt Luxemburgs: Wie viele verschiedene Motivationen, Gründe oder Bauchgefühle die Sprachen unserer Autor/innen unterscheiden, könnte Seiten füllen und bietet sehr persönliche Einblicke in das Werk, den Werdegang und die Motivation der Schreibenden.

Vor allem aber, eher als dass sich eine Theatertheorie oder ein Überblick über die eigene Praxis entspinnt, behandelt Larisa Fabers Text die Schreibblockaden und Hürden im kreativen Schaffensprozess und stellt das Nicht-Vorankommen in ihrem Text geradezu performativ dar. „Dear Agony Aunt, I am in agony. I was supposed to write a play, but find myself stuck in a straightjacket of my own making.“

Das Stück ist eine Auftragsarbeit, die im Voraus bezahlt wurde, doch die Schreibende sitzt vor einem leeren Blatt Papier. Die Inspiration fehlt, die Sätze scheinen alle gleich zu beginnen, etwas klemmt. Ihre Gedanken fliegen zu Virginia Woolf und ihrem Grundstein legenden A Room of One’s own, zu den sich überschneidenden oder in Konflikt geratenden Rollen der Künstlerin und Mutter, zum Zeitmanagement. Sprunghaft und getrieben ist der Text, wie niedergeschrieben in den Pausen zwischen den alltäglichen Aufgaben, und tritt doch auf der Stelle. Er wirkt, als wäre er bei allen erdenklichen Gelegenheiten zwischendurch verfasst worden, wie die immer wieder zwischeneingeführten Uhrzeiten belegen – und das will er auch ausdrücken. Man merkt, wie der Stift und die Gedanken immer wieder neu ansetzen, und doch Blockaden besprechen. Denn inhaltlich hat er keinen Rahmen als die Hürden bei diesem Auftragswerk, und so wird er zur Collage (multimedial im Sinne von eingefügten Schwarz-Weiß-Fotos und einem QR-Code), zum freien Gedankenfluss, der Lektüren auf der Suche nach der Struktur für den Theatertext überblickt. Und bindet auch Texte von anderen englischschreibenden Theaterschaffenden in Luxemburg ein, Tara Jaffar, Catherine Kontz, Simone Mousset and Xavier de Sousa, die sich ähnlichen (und anderen) Herausforderungen widmen.

Also? Vielmehr Gedankenfluss oder Momentaufnahme, ist es keine Methodik, keine Theatertheorie, es ist ein Logbuch an Schreibansätzen und Schreib-Absetzen, zwischen Inspiration und persönlichem Werk; es ist ein Papierstapel aus der Schublade in Buchform, das Zwischendurch als Text. Es bleibt die Spannung auf das Stück, das in den Auslassungen dieses Theatrical Talks steckt.

Larisa Faber: On Playwriting (mostly). Theatrical Talks n°4. CNL 2021. Englisch. 71 Seiten. 5,00 Euro

Claire Schmartz
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