Kommunalplanung

Manche sind gleicher

d'Lëtzebuerger Land vom 17.04.2008

Er gilt als Stein des Anstoßes – und ginge es nach Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV), gehört er deshalb abgeändert. Gemeint ist der Artikel 34 des Kommunalplanungsgesetzes von 2004, demzufolge bauwillige Grundstücksbesitzer bis zu einem Viertel ihrer innerhalb eines Teilbebauungsplans (PAP) liegenden Baufläche an die jeweilige Gemeinde abtreten müssen. Macht eine Gemeinde von der Fläche nicht Gebrauch, kann sie stattdessen eine Entschädigung in Höhe von bis zu 25 Prozent geltend machen. So war es jedenfalls bisher. 

„Die Vorschrift führt dazu, dass die Bodenpreise weiter steigen“, so das vernichtende Urteil von Georges Krieger. Der Präsident der Eigentümervereinigung, Rechtsanwalt und Autor des juristischen Standardwerkes Le nouveau régime des plans d‘aménagement et permis de bâtir hatte direkt nach Erscheinen des 2004-er-Gesetzes besagten Artikel scharf kritisiert. Umso positiver bewertet der Anwalt die Änderungsvorschläge, die derzeit im Ministerium vorbereitet werden und unter Architekten, Planern und Gemeindepolitikern für hitzige Diskussionen sorgen. 

Künftig soll die 25-Prozent-Regelung nur noch für größere Bauprojek­te gelten. Eine Unterscheidung zwischen PAP „quartier existant“ und PAP „nou­veau quartier“ macht es mög­lich. Für Bauprojekte, die innerhalb eines erschlossenen Gebiets stattfänden, stün­de der Gemeinde indes nur noch bis zu zehn Prozent der Bruttofläche als Entschädigung zu. Die inoffizielle Begründung aus dem Innenminis­terium: Man wolle der Baulandverteuerung entgegenwirken.

„Das ist Unsinn“, meint dagegen Camille Gira, grüner Bürgermeister aus Beckerich. Die derzeitigen Baulandpreise seien ohnehin „rein spekulativ“. Die neue Regelung sei deshalb ungerecht, weil sie dem Eigentümer größere Gewinne bescherten, während der Handlungsspielraum der durch die Infrastrukturkosten belasteten Gemeinden beschnitten werde, schimpft Gira. 

Tatsächlich sieht der Vorentwurf vor, dass Kommunen Entschädigungszahlungen nur noch im Fall und für den Zweck geltend machen dürfen, wenn sie auf der betreffenden Fläche keine Infrastrukturen realisieren können und sie deshalb in der unmittelbaren Umgebung Ersatzflächen kaufen müs­sen. Somit würde jene Auslegung Gesetz, die Innenminister Halsdorf bereits 2005 per Rundschreiben durchzusetzen versucht hatte – und womit er vor Gericht kläglich gescheitert war. Anders als vom Minister damals behauptet, sei das Gesetz völlig klar formuliert und die Lesart nicht einfach durch ministerielle Rundbriefe zu ändern, rügten die Richter in ihrem Urteil (siehe d’Land vom 22.06.07). Sollte die Vorschrift politisch nicht mehr opportun sein, sei es am Gesetzgeber, sie zu ändern.

Zumindest das hat sich der Innenminister zu Herzen genommen. Allerdings ist eine andere, im Gerichtsverfahren erhobene Frage damit nicht vom Tisch: die der Gerechtigkeit. Im besagten Verfahren hatten die Kläger argumentiert, durch die ministerielle Lesart würden Bauherren bei größeren PAP an Infrastrukturkosten beteiligt, während dies bei kleineren PAP nicht der Fall sei. Diese Ungleichbehandlung würde nun gesetzlich festgeschrieben, so Gira. Andererseits kritisieren auch Gemeinden die alte Regelung als „nicht ideal“ und verbesserungsbedürftig. In Steinfort beispielsweise hatte ein Eigentümer von einem Promotor zum Tausch für sein Grundstück ein anderes überlassen bekommen. Wie vom Gesetz vorgesehen, trat er von der ersten Baufläche 25 Prozent ab. Weil der Eigentümer aber am Ersatzgrundstück kleinere Änderungen in der Vermessung vornehmen lassen wollte, wären laut Gesetz wiederum 25 Prozent fällig gewesen. Die Gemeindeverwaltung riet dem Eigentümer daher, seinen Plan fallen zu lassen. „Das kann doch nicht im Interesse des Gesetzgebers sein“, wettert Georges Krieger.

Nicht nur die Eigentümer und Promotoren fordern Nachbesserungen. Die Architekten- und Ingenieursinnung bemängelt zu strenge Zulassungskriterien für die Erstellung eines PAG (Flächennutzungsplan) oder ei­nes PAP. Weil sich immer mehr Architekten auf die Liste der zugelassenen Experten einzuklagen versuchten, ließ Halsdorf sie überarbeiten; die Kritik hörte trotzdem nicht auf. Das energische Lobbying hat sich offenbar gelohnt: Die aktuelle Regelung, wonach Landesplaner respektive Architekten eine gewisse (landesplanerische) Berufserfahrung und Quali­fikation vorweisen müssen, bevor sie einen PAG erstellen können, soll entfallen. Teilbebauungspläne sollen künftig neben Landesplaner und Architekten sogar Landvermesser aufstellen können. Mit dem ursprünglichen Vorhaben, durch ausgewiesene Spezialisten mehr Qualität in die Kommunalplanung zu bringen, hat das nicht mehr viel zu tun. 

Ähnliches gilt für die geplante Cellule d’évaluation, die für eine klare Aufgabenteilung sorgen soll: Nach aktueller Rechtslage prüft der Innenminister die Konformität eines PAP und erteilt auch die Genehmigung. Künftig obläge die Prüfung, ob ein PAP mit dem übergeordneten PAG konform geht, den – vom Minister genannten – Mitgliedern der Cellule.

Weitere Nachbesserungen betreffen verschlankte und präzisierte Prozeduren. So soll eine Gemeinde, die bis zur jetzt auf den 1. Juni 2008 verlängerten Frist ihren PAG ordnungsgemäß überarbeitet hat, unter vereinfachten Bedingungen auch Baugenehmigungen ohne PAP erteilen können. Wer seinen Flächennutzungsplan bis dahin noch nicht überarbeitet hat, braucht dennoch keinen Baustopp zu fürchten: Teilbebauungspläne vom Typ „nouveau quartier“ sind auch ohne aufwändige Étude préparatoire möglich, sofern die Änderung „s’avère indispensable pour améliorer la qualité urbanistique“ und die ministerielle Cellule d’évaluation dem zugestimmt hat.

Bei so vielen fundamentalen Änderungen wird Jean-Marie Halsdorf sich erklären müssen. Immerhin stammt das 2004-er-Gesetz aus der Feder von Ex-Innenminister Michel Wolter, ebenfalls CSV, – und der hat in der Vergangenheit einen grundsätzlichen Änderungsbedarf mehrfach verneint. Was Parteikollege Halsdorf nicht davon abhält, nach der Korrektur im Jahr 2006 und dem Wohnungsbaupakt, sich den Text ein weiteres Mal vorzuknöpfen. „Das läuft auf eine Totalrevision hinaus“, so Gira, der lieber „dem alten Text eine Chance“ gegeben hätte. Man darf gespannt sein, wie sich besonders CSV-Deputierte zur Reform positionieren werden. Nach dem Debakel um den Gesetzesvorschlag zur Euthanasie droht den Christlich-Sozialen eine neue Zerreißprobe. Gesichtsverlust nicht ausgeschlossen.

Ines Kurschat
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