Verwaltungen sollen transparenter werden. Klappt das auch?

Aller Anfang ist schwer

d'Lëtzebuerger Land vom 29.06.2018

Es ist soweit. Nur der Abschlussbericht der DP-Abgeordneten und Berichterstatterin Simone Beissel soll Montag noch vom parlamentarischen Medienausschuss gutgeheißen werden, bevor das Transparenzgesetz verabschiedet werden kann. Seit Frühling 2016 hatten die Deputierten unter Leitung von Präsidentin Beissel den zehnseitigen Text diskutiert. Er regelt den Zugang zu öffentlichen Informationen: Künftig sollen staatliche und kommunale Verwaltungen und Einrichtungen (mit dabei: Parlament, Staatsrat, Berufskammern) Dokumente von sich aus und aktiv online zugänglich machen. Daneben erhalten Bürger das Recht, Verwaltungsinformationen anzufragen. Beamte müssen binnen einem, maximal zwei Monaten antworten. Lehnen sie ein Informationsersuchen ab, müssen sie es begründen, der Antragsteller kann daraufhin vor einer Kommission Einspruch erheben respektive vors Verwaltungsgericht ziehen. Die Mitglieder der Kommission werden vom Grand-Duc auf Vorschlag des Staatsministers ernannt.

17 Jahre Anlaufzeit

Mit dem Transparenzgesetz wird ein politisches Versprechen eingelöst, das der damalige Staatsminister Jean-Claude Juncker vor rund 15 Jahren gegeben, aber nie umgesetzt hatte. Luxemburg ist eines der letzten Länder in der EU, das den Zugang zu öffentlichen Informationen noch immer nicht geregelt hat. Die deutschen Nachbarn verfügen seit 2005 über ein Informationsfreiheitsgesetz, Belgien seit 1998 und in Frankreich können Bürgerinnen und Bürger sogar seit 1978 bei ihren Verwaltungen Informationen beantragen, die sie betreffen. Dass es so lange gedauert hat, bis der Zugang Wirklichkeit wird – ein Bürgerrecht, das der Europarat in Straßburg 2009 in einer gemeinsamen Willenserklärung festgehalten hatte –, liegt in erster Linie am mangelnden politischen Willen der Christlich-Sozialen. Der LSAP-Abgeordnete und Jurist Alex Bodry hatte 2000 einen eigenen Entwurf für eine transparentere Verwaltung eingebracht, die damals bei der schwarz-blauen Mehrheit keine Resonanz fand. Bei Vorgesprächen mit dem Presserat zu einem ersten Regierungsentwurf im Jahr 2005 wurde deutlich, dass Jean-Claude Juncker (CSV) es sich mit den Beamten nicht verscherzen wollte; der größte Widerstand kam von den Verwaltungen selbst: Dass sie vom Bürger bezahlt werden und dieser ein Beschwerderecht bekommen sollte, war damals undenkbar. Das zeigte sich auch beim Streit über den Ombudsmann. Beamte konnten sich lange nicht vorstellen, einer externen Stelle gegenüber Rechenschaft abzulegen.

Ombudsperson als Türöffner

Inzwischen ist mit Claudia Monti die dritte Generation von Ombudsmännern respektive -frauen im Amt, die Beschwerdestelle hat sich bewährt und ist zur festen Größe im Institutionengefüge herangewachsen. Vieles im Kontakt zwischen Bürger und Verwaltungen hat sich verbessert, es existieren Prozeduren, wie zu verfahren ist, wenn sich jemand von einem Amt falsch behandelt fühlt. Dazu trug bei, dass mit dem Juristen und Ex-Justizminister Marc Fischbach eine Person das Amt übernahm, der als ehemaliger Richter am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg die nötige Autorität mitbrachte.

Unter Fischbachs Nachfolgerin Lydie Err begannen Vorarbeiten für einen Verhaltenskodex, dem der DP-LSAP-Grüne-Regierungsrat im Januar vergangenen Jahres grünes Licht gab. Nachzulesen ist er im Tätigkeitsbericht der Ombudsfrau vom Jahr 2017 (www.ombudsman.lu). Der Kodex sieht Verhaltensregeln für Ämter im Umgang mit Bürgern vor, unter anderem das Recht auf einen leichten Zugang, auf zügige Bearbeitung, auf Angaben zur geschätzten Verfahrensdauer und auf Beratung, sollten beispielsweise weitere Dokumente und Folgeanträge nötig sein. Verwaltungen sind gehalten, so zu informieren, dass die Antworten auch für Menschen nachvollziehbar sind, die nicht gewohnt sind, juristische Texte zu lesen oder sich nicht in einer der Amtssprachen daheim fühlen. „Das ist in einem mehrsprachigen Land wie Luxemburg wichtig“, betont Monti. Es seien die Schwächeren der Gesellschaft, die sich schon jetzt mit Ämtergängen schwerer täten, sei es aus Unkenntnis über ihre Rechte, aus Scheu vor einem oft distanziert und übermächtig wirkenden Verwaltungsapparat oder weil sie den Weg dorthin aufgrund von Krankheit nicht finden.

Ein knapper Verweis auf den Artikel eines bestimmten Gesetzes, um einen Antrag abzulehnen, ohne Erläuterung, genügt nicht. „Es ist nicht einfach, für jedermann verständlich zu schreiben. Oft handelt es sich um technische Sachverhalte. Das merke ich selbst“, so Claudia Monti im Gespräch mit dem Land. Trotzdem sollten Ämter verständliche Formulierungen wählen. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt die Ombudsfrau einen schriftlichen Zusatz, der besagt, dass Grundlage stets das jeweilige Gesetz ist. Auch ein Gespräch kann helfen, Missverständnissen vorzubeugen.

Verhaltenskodex für Verwaltungen

Gespräche zwischen Ämtern und Antragstellern sind im respektvollen Ton zu führen. Dass das nicht immer selbstverständlich ist, lässt sich aus den Tätigkeitsberichten der Ombudsperson zwischen den Zeilen herauslesen. Bürgern erscheinen Verwaltungen oft abstrakt und distanziert, dabei arbeiten dort Menschen – mit Stärken und Schwächen. „Respekt ist keine Einbahnstraße. Bei Konflikten versuche ich zunächst, die Hintergründe beider Seiten zu verstehen“, beschreibt Monti ihre Vorgehensweise. Manche Verwaltungen sind seit Jahren unterbesetzt, das Personal arbeitet unter Hochdruck und kommt doch nicht mit dem Abtragen der Aktenberge nach. Beim Fonds du Logement beispielsweise sind die Wartelisten lang, oder bei der Justiz. Dort hat sich die Verfahrensdauer in vielen Rechtssachen zwar deutlich verbessert, aber ein Engpass an Richtern besteht weiterhin. „Justizminister Félix Braz hat versprochen, mehr Richter einzustellen“, berichtet Monti erfreut.

Mitunter sind die Prozeduren so aufwändig und kompliziert, wie beim Asylverfahren, dass verantwortliche Stellen beim besten Willen nicht schneller machen können. Der Tätigkeitsbericht der Ombudsfrau weist jedes Jahr die Vermittlungsquote pro Ministerium und Amt aus; in der Regel liegt sie um die 80 bis 90 Prozent. Fällt sie niedriger aus, heißt das nicht, dass eine Verwaltung nicht ordentlich arbeitet oder unwillig ist. Es kann sein, dass schlicht Übergangsbestimmungen zu einem Gesetz oder einer Verwaltungsvorschrift fehlen und deshalb Anträge nicht positiv beantwortet werden. „In anderen Fällen verweise ich in meinem Anschreiben auf den Verhaltenskodex“, so Monti, die einen Kurs für das Verwaltungsinstitut vorbereitet, um Beamten die Leitlinien nahezubringen.

Möglicherweise tourt die Ombudsperson demnächst wieder über Land: Denn obwohl der Kontakt zu den meisten Gemeindeverwaltungen gut ist, klemmt die Kommunikation bei „vier bis fünf Gemeinden“, so Monti, ohne diese namentlich zu nennen. Im Konfliktfall setzt sie auf das direkte Gespräch: „So lassen sich Missverständnisse am besten aufklären“. Oft habe sie Erklärungen bekommen und selbst erst verstanden, warum Abläufe auf eine bestimmte Weise organisiert, oder eine Vorschrift nach bestimmter Lesart interpretiert werden. Bisher sei noch keines ihrer Gesprächsersuchen abgelehnt worden.

Datenschutz versus Transparenz

Dass Interpretationen von Vorschriften und Gesetzen mitunter weit auseinanderliegen, zeigt sich bei der Umsetzung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Sie stärkt den Schutz personenbezogener Daten und wird den Zugang zu Verwaltungsinformationen beeinflussen, wenn nicht sogar ihm im Wege stehen. Jedenfalls warnt die nationale Datenschutzkommission in ihrem Gutachten zum Transparenzgesetz vor Kollisionen beim Abwägen zwischen dem Schutz persönlicher Daten sowie der Privatsphäre einerseits und dem Recht auf Information andererseits.

Dass Bürger und Bürgerinnen künftig das Recht haben, Informationen zu beantragen, heißt noch lange nicht, dass er oder sie sie auch bekommen: Das Gesetz sieht zahlreiche Ausnahmebestimmungen vor, die so vage formuliert sind, dass ihre Bedeutung wohl erst vor Gericht geklärt werden muss, etwa wenn es um Betriebsgeheimnisse geht oder um sicherheitsrelevante Dokumente. Das hat auch der Staatsrat in seinem Gutachten kritisch angemerkt. Zur Veröffentlichung bestimmt sind zudem nur fertiggestellte Dokumente; vorbereitende Studien oder andere Informationen, die politische Prozesse dokumentieren, sind von der Veröffentlichung ausgenommen. So weit wie etwa das Transparenzgesetz in Hamburg geht der Text von Medienminister Xavier Bettel (DP) trotz automatischer digitaler Veröffentlichung von Verwaltungsdokumenten im Rahmen des Open Data nicht.

Aus Sorge, nicht mit der Grundverordnung konform zu sein, die ab dem 25. Mai in Kraft getreten ist, die bislang aber noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist, handeln manche überstürzt: So kursieren in Gemeindeverwaltungen interne Anweisungen, Informationen sollten für Medien nur begrenzt zugänglich sein; obwohl die Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich ein sogenanntes Medienprivileg vorsieht. Das allerdings muss noch vom Gesetzgeber schriftlich festgelegt werden. Auch die Justiz schränkte am Tag vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung unter Berufung auf die strengeren Datenschutzbestimmungen prompt den Zugang zu Informationen zu laufenden Gerichtsverhandlungen für die Presse ein. Erst als Gerichtsreporter sich beschwerten, weil sie ihre Berichterstattung über – öffentliche – Gerichtsverfahren beeinträchtigt sahen, und sich Presserat und Generalstaatsanwaltschaft zusammensetzten, konnte der Konflikt gelöst werden.

Auch Claudia Monti sieht das Transparenzgesetz vor dem Hintergrund der Umsetzung der EU-Verordnung in nationales Recht mit gemischten Gefühlen: „Wir können nicht alle Daten, die wir von Ministerien in einer Angelegenheit erhalten, herausgegeben. Denn wir müssen sorgfältig prüfen, ob wir keine Privatsphäre verletzen.“ Eben dieser Abwägungsprozess könnte einiges Kopfzerbrechen bereiten: Die Grundverordnung ist neu, viele Verwaltungen haben nicht viel Übung darin, um rechtlich sicher einzuschätzen, welche Daten bedenkenlos zugänglich gemacht werden können, welche in anonymisierter Form und welche nicht. Nicht, dass die Absicht des Gesetzgebers, öffentliche Einrichtungen zu mehr Transparenz zu verpflichten, durch den Datenschutzvorbehalt ausgehebelt wird.

Die Autorin ist Präsidentin des Presserats

Ines Kurschat
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