Institut grand-ducal: Deutschsprachige Lyrik in Luxemburg

bischöfe in der luft und leithammel in den wiesen

d'Lëtzebuerger Land vom 30.01.2003

Anthologien Luxemburger Literatur sind nicht selten, meist säuberlich nach Gattungen und Sprachen getrennt und manchmal in mehreren Bänden, von denen in der Regel nur der erste erscheint. 

Oberstes Ziel dieser Sammlungen ist es, über das Fehlen einer luxemburgischen Literaturgeschichte hinwegzutrösten, deren Erstellung trotz eines nationalen Literaturzentrums weit mehr Arbeit verlänge als die Kompilation von Texten.

Während für die Literatur in luxemburgischer Sprache mit Fernand Hoffmanns altbackener Geschichte der Luxemburger Mundartdichtung (1964-67) und für diejenige in französischer Sprache mit Frank Wilhelms hervorragendem, aber eben nur alphabetisch geordnetem Dictionnaire de la francophonie luxembourgeoise (1999) viel Vorarbeit geleistet scheint, fehlt jede Geschichte des deutschsprachigen Teils der Luxemburger Literatur.

Als Trostpreis dafür hatte die Sektion Kunst und Literatur des Großherzoglichen Instituts 1978 Lyrik in Luxemburg: Eine Anthologie: 1. Band: Bis 1940 veröffentlicht. War das 19. Jahrhundert glatt vergessen worden, so ist der zweite Band nie erschienen. Statt des zweiten Bands nimmt sie ein Viertel Jahrhundert später nun einen neuen Anlauf mit einer Anthologie Deutschsprachige Lyrik in Luxemburg. Der Band soll die 33 Erzählungen Luxemburger Autoren des 20. Jahrhunderts von 1999 ergänzen. Ob es auch noch zu einem Band über deutschsprachiges Theater kommt, ist nicht nur wegen der Dynamik des Großherzoglichen Instituts, sondern auch wegen des Stoffmangels zweifelhaft.

Joseph Groben, Joseph Kohnen und Paul Maas haben ein halbes Hundert deutschsprachiger Lyriker ausgesucht, vom Schrondweiler Webersohn und romantischen Studenten Theodor Lenz (1801-1823) über Nikolaus Hein, Paul Henkes, Albert Hoefler, Anise Koltz, Pol Michels, Guy Rewenig, Michèle Thoma, Nic Welter und andere bis zu den heute 40-jährigen Guy Helminger und Romain François. Die Auswahl ist ziemlich konventionell, die vor allem in Zeitungen veröffentlichte reichhaltige satirische und politische Dichtung des 19. Jahrhunderts wurde beispielsweise ebenso übergangen wie die Arbeiten der 20- und 30-Jährigen von heute.

Leider kam der bio-bibliographische Teil allzu kurz. Doch dafür liefert die knappe Einführung ein ziemlich realistisches Bild der ungezählten Natur- und Heimatgedichte: Nachdem die Anfänge der deutschsprachigen Lyrik in Luxemburg im 19. Jahrhundert "unter keinem guten Stern" (S. 7) standen, verlagerte sich das Interesse der Dichter dann "nach der luxemburgischen Sprache" (S. 7), und auch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war "eine schwierige Zeit" (S. 8), in der "kein Dichter jemals die geistige Einsamkeit des heimatlichen Mikrokosmos ganz zu überwinden" vermochte (S. 11).

Nach dem Krieg nahm die Lyrik langsam Abschied von Schwulst und Endreim und wurde abwechslungsreicher, auch wenn die meisten Dichter "wohl Trends mitmachen, aber meistens ‚nicht so weit gehen' wollten wie die Kollegen im Ausland" (S. 13). Oder wie Roger Manderscheid in das ist luxemburg zusammenfasst: "es waren bischöfe in der luft / und leithammel in den wiesen".

 

Deutschsprachige Lyrik in Luxemburg. Institut grand-ducal, section des arts et des lettres, Luxemburg 2002, 285 S., 22 Euro

 

 

 

Romain Hilgert
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