Jaspers, Susanne: Der Duschenkrieg

Warum in die Ferne schweifen

d'Lëtzebuerger Land vom 29.04.2010

Huch! Schon wieder ein Buch über die sibirische Eisenbahn? – Der Feuilletonleser kann nach einem ersten Schreck erleichtert aufatmen: Wenn der Untertitel des neuen Romans von Susanne Jaspers die Beschreibung einer „transsibirischen Reise“ verspricht, geht es nicht um die Festigung eines neuen Leitmotivs der luxemburgischen Literatur. Der Roman beschreibt wirklich eine Reise mit der transsibirischen Eisenbahn. „Susanne Jaspers“ ist außerdem nicht das Pseudonym eines gewissen bärtigen Literaten aus Nospelt, sondern der Name der Autorin Susanne Jaspers.

Darüber hinaus wird man unterstellen dürfen, dass die in Deutschland gebürtige Schriftstellerin und ihr Lebensgefährte – bei aller Ähnlichkeit, über die man in dieser Hinsicht spaßeshalber spekulieren mag –, nicht identisch mit den Hauptfiguren des Romans sind, auch wenn die Erzählstimme „ich“ sagt und sich der unablässig mit der Fotokamera hantierende Lebensgefährte als echter Globetrotter entpuppt. Nicht genug damit, dass eine solche Unterstellung den Gepflogenheiten akademischer Korrektheit geschuldet ist. Man wird in diesem Buch kaum eine Figur finden, von der man nicht inständig hofft, dass es sich dabei um eine Karikatur und nicht um das Konterfei eines real existierenden Zweibeiners handelt.

Bei einem Buch, das Der Duschenkrieg heißt, kann es sich selbstverständlich nicht um einen klassischen Reisebericht handeln. Zwar lässt Jaspers ihr Figurenensemble um die Erzählerin und ihren Mann Richard alle Stationen der Gruppenreise von Peking bis Moskau planmäßig abklappern, aber im Zentrum des Textes stehen weniger die Eindrücke in der Auseinandersetzung mit dem Fremden, als vielmehr die hartnäckigen Gewohnheiten und Vorurteile, mit denen sich die Figuren die Möglichkeiten solcher Eindrücke konsequent verbauen. Die Fahrt mit dem legendären Zug hat kaum begonnen, da ergehen sich die Reisenden der „Gruppe Weiß“ auch schon in kleinlichem Hickhack um Sitzplätze und Essensportionen, in Feigheit, Besserwisserei und schäbi­gem Überheblichkeitsgetue aller Art. Der erbitterte Kampf um die beste Duschzeit gehört genauso dazu wie die Ellenbogenmentalität auf der Jagd nach dem schönsten Fotomotiv oder die Buhlerei um die Gunst des Reiseleiters und des Zugpersonals.

Dabei lässt die Autorin mit unerbittlicher Strenge ausgleichende Gerechtigkeit walten: Hier kommt niemand ungeschoren davon, nicht einmal die Erzählerin selbst. Während sie sich zum Beispiel über die Vorliebe ihres Mannes für knapp bekleidete Damen erbost, schwärmt sie unverhohlen für den chinesischen Stadtführer, für den sie sogar bereit ist, entgegen besserem Wissen den Kommunismus supertoll zu finden. Der Chefreiseleiter hält unterdessen Vorträge über Land und Leute, die er wörtlich bei Wikipedia abgeschrieben hat und die Einheimischen haben ein Leichtes, die einfältigen Reisenden von einer Touristenfalle in die nächste zu locken. Da es unter allen mitreisenden Scheusalen dann doch einige gibt, die noch schlimmer sind als der Rest, rottet sich ein Großteil der „Gruppe Weiß“ im Laufe der Fahrt zu so etwas wie einem einander wohlwollend gesinnten Haufen zusammen. Diesem Panorama der kleinen Garstigkeiten setzt Jaspers die Glanzlichter auf, indem sie das Zusammenspiel von großer Hitze, schlechtem Essen, hochprozentigem Alkohol und Körperlichkeit genüsslich ausweidet: Schweiß und Schnaps fließen in Strömen und ständig hat jemand mit gastrischen Problemen zu kämpfen.

Schon in ihrem ersten Roman, dem Krimi Trio mit Ziege, hatte Jaspers ihren zynischen Wortwitz in einer erbarmungslos entlarvenden und das Ekelgefühl des Lesers großzügig bedienenden Figurenzeichnung unter Beweis gestellt. Der Duschenkrieg steht dem in nichts nach. Dass bei der Lektüre so vieler boshafter Pointen nicht nur Belustigung, sondern sogar noch Sympathie für einige der Figuren zurückbleibt, ist vielleicht der beste Beweis für das erzählerische Können der Autorin. Allerdings wirkt die Überzeichnung der Charaktere mit der Zeit etwas ermüdend, vor allem, weil der Roman den Spannungsbogen der Erzählung mit der Reiseroute zu ersetzen scheint: Der Zugreise entspricht keine inhaltliche Entwicklung. Die Beschreibung des zögerlich wachsenden Gruppenbewusstseins wie der kleineren und größeren Reisepannen sind zwar durchweg erheiternd, können aber kaum als Ersatz für einen Plot herhalten.

Dass Susanne Jaspers verschiedene Spielarten der Unterhaltungsliteratur beherrscht, wird nach diesem Roman niemand mehr bezweifeln. Allerdings wäre es gar nicht uninteressant zu erfahren, was dabei herauskäme, wenn sie dieses Terrain hinter sich ließe um statt über Pappkameraden über wirkliche Menschen zu schreiben.

Susanne Jaspers: Der Duschenkrieg. Eine trans­sibirische Reise. Éditions Guy Binsfeld, Luxemburg 2010. ISBN 978-2-87954-221-8.
Elise Schmit
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