CD Cold Rain der Garlicks

SMS und John Coltrane

d'Lëtzebuerger Land vom 21.04.2005

Nein, mit Schnappi, dem kleinen Krokodil, Mozarts "kleiner Nachtmusik" oder, ganz banal, dem Nokia Tune, haben sie nichts am Hut. Klingelzeichen haben die Garlicks nicht aufgenommen, auch wenn ganze sechs "SMS" das neue Album Cold Rain der luxemburgischen Jazz-Formation durchwachsen. Die "spontaneous miniature songs" sind abwechslungsreiche Improvisationen, die die Band zwischen den Jazz-Kompositionen von Georges Urwald zum Besten gibt. Erst im Loft Studio in Köln haben sie ihre Formen angenommen. Die erste SMS heißt calling coldrain. Die zwei Minuten Musik klingen mystisch, getragen, organisch, wie ein Ruf ins Jenseits zur Saxophon-Legende John Coltrane. Schon mit dem Album Mosaiamo hatte die Jazz-Band Garlicks einen völlig neuen Weg eingeschlagen, sich losgenabelt von den salonfähigen Nummern, die sie während fast zwei Jahren mit der Sängerin Sasha Ley interpretierten. Nach dem Album Mutant Standards, 2001, traten sie wieder als Jazzquartett auf. Die Garlicks, das sind Jitz, Al, John und Georges: der vielseitige Klarinettist Jitz Jeitz, das Allround-Talent Al Lenners am Schlagzeug, der frühere Rock-Musiker John Schlammes am Bass und der brillante Pianist und Komponist Georges Urwald, der die Grenzen musikalischer Genres immer wieder verschiebt, die Musik der Zeitgenossen popularisiert, die der Klassiker belebt, zum argentinischen Tango bittet, dann wieder zum Fado aus Portugal. Die Stücke zwischen den verspielt improvisierten Miniatursongs stam-men alle von Georges Urwald. Nur bei The Poacher's Pocket hat auch Al Lenners Hand angelegt. Music for a steakhouse lautet der Untertitel des Stücks. Wie bei einem T-Bone-Steak zur Gabel, greift Georges Urwald in die Tasten: handfest, bodenständig, kraftvoll; dazu der kesse, legere Tenor-Saxophon von Jitz Jeitz. Guddeggu hat Urwald sein zweites Stück genannt, als lobe er die Schwerelosigkeit seiner Komposition schon im Voraus: einen "abstrakten Walzer", der vom Dreivierteltakt der Strauß-Dynastie nur noch die Finesse der Parts bewahrt hat. Mit den federnden Rhythmen eines Al Lenners auf den Drums und dem glasklaren Klavierspiel von Georges Urwald ist hier ein wundervoller Mitschnitt der Nummer entstanden. Wenig später eine weitere SMS: die Improvisation sms-melodei ist fast aufdrängend grell, und doch ziehen einen gerade die sonoren Effekte von John Schlammes schnell in den Bann. Die Klangfarbe stimmt, vor allem aber die Emotion. Die Musik der Garlicks entsteht aus dem Bauch heraus. Von den Formen des gängigen Jazz hebt sie nicht selten ab. Und doch, Anarchie betreiben die Vier nicht. Die Linien der komplett unterschiedlichen, oft kontrastierenden Soloparts finden trotz der unberechenbaren Modulationen sehr oft zueinander zurück. Das sieht man ganz deutlich im eigentlichen Titelstück Cold Rain, das mit seiner stumpfen Akustik und den fast melancholischen Motiven ein eigenartig geschlossenes Klangbild zurückläßt. Es wird spannend werden, das Programm live zu hören. Identisch zu den Studio-Fassungen aus Köln werden die Nummern ganz sicher nicht sein, weder die originellen Kompositionen von Georges Urwald noch die verrückten SMS-Einlagen dazwischen.

Das Album Cold Rain ist im CD-Handel erhältlich, kann aber auch im Internet unter www.garlicks.lu bestellt werden. Am 12. Mai gibt Garlicks in der Kirche im Stadtgrund das Programm "Gregorialicks" mit Improvisationen über gregorianische Themen (www.ccrn.lu). Am 28. Mai tritt die Band im Merscher Kulturhaus (www.kulturhaus.lu) auf, am 11. Juni in der Salle Marisca in Mersch (www.marisca.lu), am 17. Juni beim Jazz [&] Blues Festival im Schloss in Vianden und am 1. Juli im Amphitheater in Berdorf.

 

Marc Fiedler
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