Deutschland

Deckel drauf

d'Lëtzebuerger Land vom 21.02.2020

Seit gestern gilt er. Der Berliner Mietendeckel. Oder genauer gesagt, das „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“, kurz auch „MietenWoG Bln“, wie der Mietendeckel amtlich heißt. Ob er Bestand haben wird, ist eine andere Frage. Es ist der überhastete, übereilte, überehrgeizige Versuch des Berliner Senats, den Anstieg der Wohnungsmieten in der deutschen Hauptstadt zu begrenzen. Umstritten ist, ob der Berliner Senat überhaupt die gesetzgebende Kompetenz dazu hat, ein solche Regulierung zu veranlassen.

Kern des Gesetzes ist die öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten in Berlin für fünf Jahre. Ausgenommen davon sind Wohnung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, mit Mitteln aus öffentlichen Haushalten zur Modernisierung und Instandsetzung geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung, Wohnheime und Trägerwohnungen. Diese sind besser als „Betreutes Wohnen“ bekannt. In ihnen finden Menschen Unterstützung, die je nach Lebenssituation unterschiedliche Formen der Hilfe benötigen, seien es alte oder kranke Menschen, Obdachlose oder Jugendliche. Darüber gilt der Mietendeckel auch nicht für Neubauten, die ab 2014 erstmal bezugsfertig waren, auch dann, wenn mittels Renovierung und Sanierung aus dauerhaft unbewohnbaren Häusern wieder Wohnraum geschaffen wurde. Trotz dieser Ausnahmen soll das Gesetz Mieterhöhungen in der Theorie für rund 90 Prozent aller Berliner Mietwohnungen begrenzen.

In der Praxis wurden für rund 1,5 Millionen Berliner Mietwohnungen die Miete auf dem Stand des 18. Juni 2019 „eingefroren“, weshalb in den Tagen zuvor die Vermieter noch eiligst eine Mieterhöhung einforderten. Der Mietdeckel gilt für alle Mietverträge, die bereits zu diesem Stichtag und am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes noch bestanden. Für Verträge, die nach diesem Stichtag geschlossen wurden, darf höchstens die Vormiete ober die niedrigere Mietobergrenze verlangt werden. Zur Berechnung dieser Mietobergrenze muss zunächst eine Tabelle der Verwaltung herangezogen werden, die das Baualter des Hauses sowie Ausstattungsmerkmale der Mieteinheiten widerspiegelt. Niedrigster Wert der Tabelle ist ein Baujahr vor 1918 ohne Sammelheizung und ohne Bad. Hierfür wird eine Grundmiete von 3,92 Euro pro Quadratmeter veranschlagt. Für Mieteinheiten, die zwischen 2003 und 2013 errichten wurden, dürfen 9,80 Euro verlangt werden. Jeweils ein Euro insgesamt kann für besondere Ausstattungsmerkmale hinzugerechnet werden, dazu zählen eine Einbauküche oder ein niedriger Energieverbrauchswert. Abzüge oder Aufschläge werden zudem für die Lage der Wohnung gewährt. Die Summe aus diesen drei Faktoren ergibt einen Wert X. Die zulässige Mietobergrenze liegt dann bei zwanzig Prozent über dem Wert X.

Mieter müssen in der Regel nicht aktiv werden, um zu ihrem Recht zu kommen. Vermieter haben den Mietern innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes und vor Abschluss eines neuen Mietvertrags unaufgefordert Auskunft über die vom Vermieter vorgenommene Berechnung der Mietobergrenze zu erteilen. Mit Inkrafttreten des Mietendeckels ist es grundsätzlich verboten, eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu fordern. Das Gesetz legt zudem fest, dass überhöhte Mieten fortan verboten sind. Dieses Verbot tritt allerdings erst im November in Kraft. Als überhöhte Mieten gelten solche, die zwanzig Prozent über der Mietobergrenze liegen. Verstöße gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes können Mieter beim bezirklichen Wohnungsamt anzeigen oder sich an eine „bezirkliche Mietendenberatung“ wenden. Zuwiderhandlungen können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 500 000 Euro geahndet werden.

Mietanpassungen sind erst ab 2022 wieder möglich. Doch auch dann sind diese begrenzt auf bis zu 1,3 Prozent jährlich. Weiterhin erlaubt sind die Umlage von bestimmten Modernisierungsmaßnahmen auf die Miete zulässig, wenn hierdurch diese nicht um mehr als ein Euro pro Quadratmeter steigt. Diese Begrenzung gilt auch im Falle mehrfacher Modernisierungen im Geltungszeitraum des Gesetzes. Bei wirtschaftlichen Härtefällen von Vermietern können Mieterhöhungen genehmigt werden, wenn dies zur Vermeidung der Substanzgefährdung und von dauerhaften Verlusten zwingend erforderlich ist. Die genehmigten Mieterhöhungen oberhalb der Mietoberwerte werden durch einen Mietzuschuss abgefedert. Dieser Zuschuss darf höchsten dem die Mietobergrenze überschreitenden Betrag entsprechen.

Soweit die Regelungen des Mietendeckels. Die größte Kritik an diesem Instrument ist, dass dieser nicht einen einzigen Quadratmeter neuen Wohnraum in Berlin schafft. Der Mietendeckel schrecke Investoren geradezu ab und die öffentliche Hand schaffe es nicht, Abhilfe zu schaffen. Dabei hat die Berlins Bevölkerung in den letzten zehn Jahren um 400 000 Menschen zugenommen. Bei einer Anhörung im Berliner Senat wies der Bremer Rechtsprofessor Christoph U. Schmid auf sogenannte „Umgehungstatbestände“ hin, wie sie Erfahrungen mit ähnlichen Regulierungen beispielsweise in den Niederlanden und in Schweden zeigten: „Vorteile für Bestandsmieter, Nachteile für Wohnungssuchende“. Ein Umgehungsstrategie könne etwa sein, dass weniger preiswerter Wohnraum angeboten würde. Zum einen, weil Mieter preiswerte Wohnungen trotz Auszug nicht aufgeben und – gegebenenfalls illegal – untervermieten. Zum anderen, weil Vermieter leerer Wohnungen erst einmal abwarten, wie sich der Markt entwickelt. Auch eine Zunahme von Eigenbedarfskündigungen und hohe Schwarzgeldzahlungen an Vermieter seien zu erwarten. „Man braucht also eine aktive, wachsame Verwaltung, die solchen Missständen begegnet“, so Schmid.

Martin Theobald
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