leitartikel

Freiheit und Plan

d'Lëtzebuerger Land vom 22.03.2024

Am Samstag vergangener Woche sah es so aus, als würden Gesundheits- und Sozialministerin Martine Deprez (CSV) die Wahlkampfversprechen ihrer Partei auf die Füße fallen. Mit „Freiheit für die Privatinitiative“ statt „Planwirtschaft“ hatte Claude Wiseler, damals der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, die CSV von der LSAP abzugrenzen versucht. Bisher ist die Privatinitiative vor allem in Esch/Alzette aktiv. Die Radiologiepraxis Hygie Imagérie betreibt dort unter anderem einen CT-Scanner und einen Mammografen. Beide Geräte dürfen nur in Spitälern oder in „Antennen“ mit Spitälern betrieben werden. So steht es in dem Gesetz, das Deprez’ LSAP-Vorgängerin Paulette Lenert hatte schreiben lassen. In der aufgeheizten Stimmung um Wartezeiten für IRM und Mammografie sollte verhindert werden, dass Privatbetreiber so etwas plötzlich anbieten und die Preise für diese Analysen selber festlegen. Mit Ach und Krach gelangte das Antennen-Gesetz vor den Sommerferien durch die Abgeordnetenkammer.

Bemerkenswert am Samstag voriger Woche war, dass die beiden Geschäftsführer der hinter Hygie Imagérie stehenden Soparfi dem Quotidien ein Interview gaben. Sie erklärten darin, sich an eine am 11. März mit Martine Deprez getroffene Abmachung zu halten, Mammograf und CT-Scanner seien bis auf Weiteres außer Betrieb. Im Februar war bekannt geworden, dass Hygie Imagérie Patient/innen neben den Kosten für das Radiologen-Honorar pro Analyse auch eine convenance personnelle in Rechnung stellte, die 100 Euro überschreiten konnte. Nicht nur erstattet die CNS das nicht zurück, es verletzt auch die Konvention zwischen Ärzt/innen und Kasse. Deshalb übernimmt die CNS seit 11. März überhaupt nichts mehr von den Scanner- und Mammografie-Analysen bei Hygie Imagérie; Teil der Abmachung mit der Ministerin ist, Patient/innen für solche Analysen weiter zu verweisen.

Die lange Vorrede ist deshalb wichtig, weil die beiden Hygie-Geschäftsführer im Quotidien andeuteten, womöglich vor Gericht zu ziehen. Denn aktiv wurde die Escher Privatpraxis schon Ende Juni, knapp vier Wochen ehe Lenerts Gesetzentwurf zur Abstimmung im Parlament kam. Hygie Imagérie und die hinter ihr stehende Devmed SA mit einem Pariser Private-Equity-Fonds als Hauptaktionär stießen in eine rechtliche Grauzone. Gut möglich, dass Devmed/Hygie Recht bekämen, wenn sie vor Gericht behaupten, das Antennen-Gesetz könne nicht rückwirkend gelten. Martine Deprez war so klug, den Betrieb von Scanner und Mammograf nicht zu untersagen, sondern in einer Art gentlemen’s agreement abzumachen. Ein Verwaltungsakt, gegen den sich klagen ließe, ist das nicht.

Nun aber ruhen die Hoffnungen darauf, dass das Süd-Klinikum Chem die heiße Kartoffel übernimmt und mit Hygie Imagérie eine „Antenne“ bildet. Absehbar ist das noch nicht, über ein Höflichkeitstreffen und einen gemeinsamen Besuch in der Hygie-Praxis gegenüber vom Escher Arbeitsgericht sind beide Seiten noch nicht hinausgelangt. Im Moment wartet offenbar jede auf „Vorschläge“ der anderen, und die grundsätzliche Entscheidung des CHEM-Verwaltungsrats, ob er eine „Antenne“ ausgerechnet in Esch will, wo schon das Hôpital de la Ville steht, wurde noch nicht gefällt. Sie soll davon abhängen, welche Vorschläge die andere Seite macht.

So dass im Moment nicht abzusehen ist, wie es weitergeht, und nicht ausgeschlossen werden kann, dass von einem Finanzier angebotene Privatmedizin auf chaotische Wiese in die Versorgung Einzug hält. Auch das Arrangement zwischen dem CHL und den Radiologen von Potaschberg taugt nicht als Vorbild: Die Radiologie in dem Ärztehaus ist keine „Antenne“, sondern wurde zum Bestandteil des CHL. Über die Pauschalen zur Finanzierung des Magnetresonanztomografen wird mit der CNS verhandelt, weil die Pilotphase abgelaufen ist. Alles in allem lässt sich sagen, dass die LSAP im Gesundheitsministerium keine „Planwirtschaft“ betrieb, um das Angebot außerhalb der Kliniken zu steuern. Sondern dass sie und Paulette Lenert nie über einen Plan verfügten. Den muss nun Martine Deprez finden. Ein Glück für sie, dass sie nicht am Wahlkampf teilgenommen und keine „Freiheit für die Privatinitiative“ versprochen hatte.

Peter Feist
© 2024 d’Lëtzebuerger Land