„D’Kaz am Sak“

d'Lëtzebuerger Land vom 22.03.2024

Während die aus der neutralen Gewerkschaftsbewegung hervorgegangene Gründergeneration des Aktiounskomitee 5/6 Pensioun sich allmählich von der politischen Bühne verabschiedete, hatte die ADR sich schrittweise radikalisiert: Erst unter Fernand Kartheiser, dann unter Fred Keup und Tom Weidig, zuletzt unter den Jungnationalisten Jang Modert und Maks Woroszylo. Mit Alexandra „Lexi“ Schoos hat der Parteikongress am Sonntag auf dem Moselschiff Marie-Astrid eine gemäßigtere Konservative zur Parteipräsidentin gewählt. Mit 73 Prozent der Stimmen setzte sie sich gegen ihren Kontrahenten, den Chamber-Angestellten, Weiswampacher Gemeinderat und Bitcoin-Aficio-
nado Laurent Gallinaro durch.

Zuvor hatte der zunehmend zynischer wirkende Fraktionspräsident Fred Keup (beim Gang ans Rednerpult ließ er sich von der Titelmusik der 80-er-Jahre-Fernsehserie Magnum begleiten) den populistischen Diskurs der neuen Rechten abgespult: Der politischen Linken attestierte er, mit „Verboten, Zwang und Sozialismus“ ihre „rosaroten Träume“ einer „woken Welt“ verwirklichen zu wollen, der die ADR Freiheit, Sicherheit und Demokratie entgegensetze. Da diese „Werte“ aber inzwischen prominent von CSV und DP in der Regierung verteidigt werden, muss die ADR sich neu erfinden und sich auch personell anders aufstellen, wenn sie als Oppositionspartei noch ernst genommen werden will. Sollte der altgediente Fernand Kartheiser im Juni tatsächlich ins EU-Parlament gewählt werden, wäre seine nationalpolitische Karriere beendet. Während Alex Penning in den Staatsrat geht, könnte für Kartheiser der frühere RTL-Reporter Dan Hardy in die Kammer nachrücken – seit Sonntag einer von vier Vize-Präsident/innen der ADR.

Alexandra Schoos konnte im Oktober im Osten trotz leichter Stimmenverluste den einzigen Sitzgewinn für ihre Partei verbuchen und ihr wieder Fraktionsstärke bescheren – ein „Kunststück“, das den „alten weißen Männern“ Kartheiser und Keup im Süden, Jeff Engelen und Michel Lemaire im Norden und Tom Weidig und Alex Penning im Zentrum nicht gelang. In ihrer Rede am Sonntag berief die Tochter des Ehrenpräsidenten Jean Schoos sich auf „die vier Grundwerte der ADR“: Gerechtigkeit, Solidarität, Freiheit und Nachhaltigkeit. Gerechtigkeit, Solidarität und Nachhaltigkeit hatte in der Partei seit Jahren keiner mehr für die ADR beansprucht, es waren Werte, die negativ besetzt den verhassten Grünen und den Sozialdemokraten zugeschrieben wurden.

Dass der Kongress Alexandra Schoos zur Präsidentin gewählt hat, könnte auch daran liegen, dass die ADR selbst dem „woken“ Zeitgeist verfallen ist. Am erfolgreichsten sind die Rechtsextremen dort, wo Frauen sie repräsentieren: Giorgia Meloni in Italien, Marine Le Pen in Frankreich, Alice Weidel in Deutschland. Schoos, die sich bislang stets von rechtsextremen Positionen distanziert hat, passt aber nicht so richtig in dieses Schema. Auf Land-Nachfrage betont sie, die ADR sei mehr als eine Partei, die gegen „Woke“, Grüne und den Verbrennermotor hetzt. Ihr Motto laute diesbezüglich „leben und leben lassen“. Sie werde auf keinen Fall eine Marionette des Fraktionspräsidenten Keup sein und würde niemals Dinge sagen, die sie selber nicht vertreten könne, beteuert die ADR-Vorsitzende. Nach ihrer Wahl auf dem Kongress am Sonntag hatte sie ihre Parteikolleg/innen schon vorgewarnt: „Lo wier et och wichteg, fir iech e bësse meng Visiounen an Ziler fir d’ADR ze erzielen, net dass dir awer nach hei d’Kaz am Sak kaf hutt. Mee bon, lo ass et och ze spéit, ne.“

Luc Laboulle
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