Patricia Da Cruz

Einatmen. Und ausatmen

d'Lëtzebuerger Land vom 26.04.2012

Eine Streckbank?, schie?t der Gedanke beim Blick auf das Ger?t durch den Kopf. Mit Sprungfedern, Laschen, Seilen und einer Liegebank mit Schulterpolstern. Das Training auf dem Reformer ? so hei?t die Streckbank ? verspricht interessant zu werden. Der Reformer ist eines der Ger?te mit schwungvollen Namen wie Wanda-Chair, Cadillac, Magic circle, die der Erfinder der Pilates-Methode, Joseph Pilates, als Trainingshilfen erfand. Der 1880 geborene Deutsche, als Kind mit Gesundheitsproblemen geplagt, verdingte sich in England als Turner, Boxer, Zirkusartist. W?hrend des Ersten Weltkriegs dort interniert, erfand er f?r sich und seine Mitinsassen eine Methode, um k?rperlich fit zu bleiben, die er Contrology nannte.

Pilates-Lehrerin Patricia Da Cruz legt langsame Musik auf, und die Routiniers im Saal fangen an, sich in einer rollenden Abw?rtsbewegung nach vorne zu beugen und wieder hoch, wiegen das Becken vor und zur?ck, suchen ihre ?neutrale Position? im R?cken. Die ist gefunden, wenn das R?ckgrat weder zu hohl, noch zu gebeugt ist. Also Becken wiegen, denn die neutrale Position ist wichtig, ein Grundprinzip der Pilates-Methode. Sie soll w?hrend des ganzen Kurses eingehalten werden. Indem man das ?Zentrum aktiviert?, wie Patricia Da Cruz die Kursteilnehmerinnen ermutigt. Also man die Bauchmuskeln und die Beckenbodenmuskulatur anstrengt und zwar mit einem Intensit?tsgrad zwischen 25 und 30 Prozent. Bewusst die Beckenbodenmuskeln anstrengen ? wie geht das? In etwa so, wie wenn man einh?lt, wenn man auf die Toilette muss. Der Reformer stellt sich in der Anwendung als harmloser heraus als bef?rchtet. Mit den Sprungfedern wird die Intensit?t der jeweiligen ?bung geregelt, durch die Arm-, Bein-, Po- oder Bauchmuskulatur trainiert wird. Mit Ger?tetraining wie im Fitnessstudio hat das aber rein gar nichts zu tun. Alle ?bungen werden sanft und kontrolliert durchgef?hrt, auf die Pr?zision kommt es an, nicht darauf, ein schweres Gegengewicht zu stemmen. Und dabei immer sch?n in neutraler Position bleiben und das Zentrum aktivieren. ?Sonst arbeitet der R?cken nicht?, sagt die friedlich l?chelnde Patricia Da Cruz und korrigiert die Haltung der Kursanf?nger. Das Ergebnis einer Reformer-Stunde: Kaum geschwitzt, daf?r f?llt die korrekte Haltung sp?rbar leichter. ?Eine Wirkung, wegen der viele ?rzte ihre R?ckenpatienten zum Pilates-Training schicken?, berichtet die Trainerin, ?oder selbst Kunden sind.?

Dabei liegt die gro?e Schwierigkeit beim Pilates im Amten, wie sich beim Training auf der Matte, ohne Ger?t, best?tigt. Das Atmen, eine ?berlebenswichtige Funktion, die der K?rper automatisch ausf?hrt? Weit gefehlt. Auf dieser schwarzen Matte, die Beine angewinkelt und angehoben, bei angestrengter Bauchmuskulatur und Armen, die Richtung F??e ziehen sollen und auf und ab wippen, scheint pl?tzlich nichts schwieriger als das: ein- und ausatmen. Einatmen durch die Nase, aus durch den Mund. Ein w?hrend der Entspannung und aus w?hrend der Anspannung. Diesen Rhythmus durchzuhalten, ohne den ?bungsablauf zu vermasseln, ist eine wahre Herausforderung. Zumal der Bauch ja eigentlich angespannt bleiben soll, und deswegen keine Luft hinein kann. ?In die Seiten atmen, in die Rippen?, erinnert Patricia die Anf?ngerin, die wie eine Ertrinkende nach Luft schnappt. ?Das Atmen verstehen die meisten am Anfang nicht?, tr?stet sie.

Wer in der Jugend Tanzunterricht hatte, findet sich im Pilates-Vokabular hingegen schnell zurecht. Was daran liegt, dass Joseph Pilates in seinem nach dem Ersten Weltkrieg gegr?ndeten New Yorker Studio sehr viel mit T?nzern zusammen arbeitete. Im Ergebnis gibt es im Pilates viele Ausdr?cke aus Ballet und Tanz, und im Tanzunterricht wird zum Muskelaufbau oft auf Pilates-?bungen zur?ckgegriffen. Patricia Da Cruz selbst ist nicht nur Pilates-Trainerin, sondern ebenfalls T?nzerin. Sie unterrichtet nach der ?zeitgen?ssischen? Methode, bei der, im Gegensatz zur klassischen Methode, die 500 ?bungen, die Pilates erfand und dokumentierte, angepasst werden d?rfen. Sie wurden von seinen ersten Sch?lern, den ?Erben? weitergegeben. So ist Pilates keine gesch?tzte Marke und es gibt keine einheitliche Doktrin. Die Prinzipien, beispielsweise der Atmung, der Pr?zision und der Aktivierung des Zentrums, halten aber alle Schulen hoch. Weil das viel Konzentration erfordert, ist Pilates, wie Patricia Da Cruz sagt, eine ganzheitliche Methode. ?Du kannst eine Stunde lang an nichts anderes denken und musst dich mit deinem K?rper auseinandersetzen.? Danach sind die Muskeln entspannt, der Kopf sch?n leer und der lange Tag am Schreibtisch abgehakt.

Patricia Da Cruz unterrichtet im Pilates Studio Luxembourg, Rue Glesener, Luxemburg Stadt (www.pilatestudioluxembourg.com). Kurse gibt es in vielen Tanz- und Fitnesstudios quer durchs Land.
Michèle Sinner
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