In den Randgemeinden der Hauptstadt wird traditionell DP oder CSV gewählt. Zwei LSAP-Trutzburgen konnten die Stellung halten

Wenig Wechsel

d'Lëtzebuerger Land du 13.10.2017

Blau beziehungsweise schwarz war der Gürtel, der sich um Luxemburg-Stadt legte, und diese Farben behält er nach den Wahlen vom Sonntag, mit wenigen Ausnahmen, auch. Nicht dass das eine Überraschung wäre. In den wohlhabenden Randgemeinden, die ihren Wohlstand dem ansässigen Gewerbe verdanken, wird traditionell liberal oder konservativ gewählt. Der Trend hat sich auch dieses Jahr bestätigt. Bemerkenswert ist aber, wie deutlich die Bürgerlichen in einigen Gemeinden zulegen konnten.

In Bartringen, einer liberalen Hochburg, kann die DP, die um 8,1 Prozent zulegte und insgesamt 49,9 Prozent der Wählerstimmen erhielt, mit Frank Colabianchi ( 2161 Stimmen), künftig die Geschicke der Gemeinde alleine lenken, ohne den bisherigen Koalitionspartner Déi Gréng. Das kündigte der neue und alte Bürgermeister, der einen Stimmenzuwachs von rund 37 Prozent erzielte und auf dem besten Wege ist, ähnlich beliebt zu sein wie einst Niki Bettendorf, noch am Wahlabend selbstbewusst an. Zweitstärkste auf der DP-Liste ist Monique Smit-Thijs mit einem Stimmenzuwachs um 36 Prozent; insgesamt werden in dem 14-köpfigen Gemeinderat lediglich drei Frauen sitzen. Geholfen hat der Partei neben dem Bekanntheitsgrad seines Spitzenkandidaten, der Vizedirektor des Diekircher Lyzeums ist, wahrscheinlich sein gelungenes Shared-space-Projekt. Die Verkehrsberuhigungsinitiative kam bei vielen Bürgern gut an und wurde an der Wahlurne entsprechend honoriert.

Herbe Enttäuschung dagegen bei den Liberalen in Walferdingen, wo die Partei mit Bürgermeisterin Joëlle Elvinger, Anwältin und zudem Abgeordnete im Parlament, einen Verlust von 6,9 Prozent hinnehmen musste und einen Sitz verlor. Die 37-Jährige hatte den Posten im Januar 2016 von Vorgänger Guy Arendt übernommen, der als Staatssekretär ins Kulturministerium gewechselt war und es trotz eines leichten persönlichen Stimmenplus nicht vermocht, den Vorsprung zu verteidigen. Was sicher mit der verhältnismäßig jungen Equipe der DP zusammenhängt. Ihr Koalitionspartner, die LSAP, büßte mit 19,85 Prozent Zustimmung ebenfalls einen Sitz ein und kommt auf zwei Sitze. Klare Siegerin ist mit 34,6 Prozent der Wählerstimmen und fast neun Prozent Zuwachs die CSV um Spitzenkandidat und Ökonomist François Sauber, die ihre Sitzzahl von drei auf fünf vergrößert. Déi Gréng konnten ihre zwei Sitze behaupten und sind nun, trotz kleinem Verlust, lachender Koalitionspartner der Schwarzen. Sie dürfen sich künftig um das Hauptproblem der Gemeinde kümmern: den alltäglichen Verkehrskollaps.

Der ist auch in Hesperingen an der Tagesordnung und die Umgehungsstraße N3 immer noch nicht gebaut. Trotzdem wurde das Team um Bürgermeister Marc Lies (CSV) nicht bloß bestätigt, sondern konnte dank starken persönlichen Abschneidens von Diane Adehm der DP gar einen Sitz ab- und die absolute Mehrheit erringen. Bei den Nationalwahlen 2013 lag die Abgeordnete vor Lies. Den Sieg zu wiederholen können, gelang ihr nicht; sie musste sich mit etwa tausend Stimmen Unterschied mit dem zweiten Platz begnügen. Lies selbst verbesserte sich lediglich um wenige Stimmen. Für die Liberalen um den Abgeordneten Claude Lamberty, der zwar der Erstgewählte seiner Partei ist, insgesamt aber nur Sechster wurde, ist der Stimmenzuwachs der CSV eine bittere Pille, sie müssen nun mit der LSAP (ein Mandat) und den Grünen (drei Mandate) auf drei Stühlen der Oppositionsbank Platz nehmen. Mit 851 Stimmen konnte die Spitzenkandidatin der LSAP, Rita Lunghi-Velaquez, zwar ihr persönliches Ergebnis fast verdoppeln, aber eine echte Chance hatte ihr multi-kulturelles, vornehmlich aus Frauen bestehendes Team nie.

In Contern legte die CSV mit 44,5 Prozent der Stimmen (fünf Sitze) ebenfalls kräftig zu, für eine absolute Mehrheit reichte es jedoch auch diesmal nicht. Ersten Meldungen zufolge wollte der Sozialist Fernand Schiltz seine rot-blau-grüne Koalition fortsetzen, doch nun sieht es so aus, als könnten die Christlich-Sozialen mit der DP eine Koalition gegen Schiltz unter Diedrich eingehen. Das wäre dann eine erwartbare Retourkutsche, denn eigentlich hatte die CSV bereits bei den Wahlen 2013 ihr Resultat von 2005 verbessern können, wurde dann aber von der Koalition von DP, LSAP und Grüne in letzter Minute in die Opposition geschickt. Etwas, dass bis heute nachwirkte. Marion Zovilé-Braquet, energische 56-jährige CSV-Spitzenkandidatin, überholte ihren LSAP-Kontrahenten bei den persönlichen Stimmen, was sie nicht zuletzt einem offensiven Wahlkampf verdankt. Der CSV hat mit Hauswurfsendungen und hartnäckigen Zwischenrufen eine Gegenstimme etabliert, deren aggressiver Ton zwar nicht überall goutiert wurde, der gleichwohl bei vielen ankam. Den Unmut der Bewohner über überfällige Infrastrukturarbeiten schaffte sie für sich zu nutzen, das gezielte Einsetzen des neuen Reizwortes für konservative, Gambia-Koalition, der ungelöste Streit um die Kirchenfabriken und ein schwelender Sprachenstreit taten ein Übriges.

Auch in Strassen hatte 2011 eine vom LSAP-Bürgermeister Gaston Greiveldinger angeführte rot-blau-grüne Koalition die Macht an sich gerissen, obwohl die DP mit damals 33 Prozent Wahlsiegerin in der traditionell liberalen Gemeinde war. Greiveldinger hat seine Stellung bei den Wählern mit 1553 Stimmen dieses Mal leicht verbessern können, aber Kontrahentin Martine Dieschbourg-Nickels von der DP schnitt mit 1 624 Stimmen besser ab. Sie kann daraus aber kein politisches Kapital schlagen, denn obwohl die DP erneut stärkste Partei in der Gemeinde ist, verlor sie ihren Restsitz von 2011 wieder, der an die Sozialisten ging. Greiveldinger, für seinen Machthunger bekannt, ließ keinen Zweifel daran, dass er in mit der CSV weiterregieren will, allerdings ab jetzt ohne die Grünen, so dass Dieschbourg-Nickels nichts anderes übrigblieb, als ihr Ergebnis „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ zu kommentieren.

Für die LSAP ist Strassen, neben den Proporzgemeinden Lorentzweiler, wo die Sozialisten der Liste Är Leit mit 48,7 Prozent (minus 1,2 Prozent gegenüber 2011) die ihre Stellung stärkste Partei verteidigen konnten, und der einstige Agrarort Steinsel, einer der raren Lichtblicke für die LSAP im Umland von Luxemburg-Stadt. In Steinsel hat der beliebte Bürgermeister Jean-Pierre Klein, der seit 24 Jahren die Geschicke der Gemeinde leitet, die kleine Sensation geschafft und die Führung seiner Partei nochmal um 3,4 Prozent ausgebaut, die absolute Mehrheit aber knapp verfehlt. Es bleibt bei fünf Sitzen und bei Rot-Schwarz, die DP legte um 7,1 Prozent und vereint nun 33,6 Prozent der Wählerstimmen auf sich und vier Mandate auf sich. Für die CSV zahlte sich die Aufstellung des Abgeordneten und Hinterbänklers Marcel Oberweis indes nicht wirklich aus, sie legte lediglich um 1,5 Prozentpunkte auf 19,4 Prozent (zwei Sitze) zu.

Überall sonst spielen die Sozialisten eine schwindende Rolle, was neben dem allgemeinen Rechtsruck vor allem mit der Bevölkerungsstruktur im Speckgürtel zusammenhängt: Bartringen, Hesperingen und Strassen sind die teuersten Pflaster im ganzen Land. Wer hier wohnt, hat entweder geerbt oder verfügt über ein hohes Einkommen. Laut Sozialem Index des Statistischen Amts Statec liegen alle drei Gemeinden bei einem Median-Einkommen um 4 500 Euro monatlich und höher und damit im obersten Drittel der Rangliste. Ähnliches gilt für Contern, Leudelingen, Mamer und Sandweiler, wo die CSV mit der Erstgewählten Simone Massard-Stitz an der Spitze und mit 36,8 Prozent zwar stärkste Partei bleibt, aber einen Sitz an die Grünen verlor (+5,6 auf 25,6 Prozent) und nun Koalitionsgespräche mit allen Parteien führen muss. Ihr vorheriger Koalitionspartner LSAP, mit dem Massard-Stitz den einzigen weiblichen Schöffenrat bildete, erhielt 20,7 Prozent der Stimmen.

Déi Gréng haben sich als feste Größe längst im Gürtel etabliert: Außer in Strassen, wo sie von fast 17 Prozent auf 13,6 Prozent abrutschten, erzielten sie Stimmenanteile von über 15 Prozent. Sie sind die Partei für die urbane umweltliebende Mittelschicht und für die Jugend. In Niederanven, wo die Zahl der Mandate aufgrund des Bevölkerungswachstums von zwölf auf 13 gestiegen war, bleibt die schwarz-rote Koalition mit Bürgermeister Raymond Weydert (CSV) an der Spitze zwar bestehen, dabei sind es dort die Grünen, die unter Spitzenkandidatin Gina Muller-Rollinger als klare Siegerin aus den Wahlen hervorgingen. Die DP unter Conny Van der Zande büßte vier Prozent ein, was auch daran liegt, dass mit John Bauler und Gerlinde Weiland zwei bekannte Gesichter bei diesen Wahlen nicht mehr antraten.

Nahezu alle Umland-Gemeinden liegen beim Sozialen Index des Statec auf oberen Rängen. Die Bewohner, die zu den Geringqualifizierten und weniger Betuchten gehören, fallen zahlenmäßig zu wenig ins Gewicht, um sich politisch Gehör zu verschaffen, oder sie gehen nicht wählen, weil sie sich als Ausländer nicht in die Wählerlisten eingetragen haben, morgens ins Büro und abends nach Hause fahren und sich für die Lokalpolitik einfach nicht interessieren. In Strassen schrieben sich lediglich 19,7 Prozent der Ausländer in die Listen ein, in Sandweiler 18,2 Prozent. Oder sie finden keinen politischen Ansprechpartner, der ihre Sorgen und Nöte aufgreift: Programme und Inhalte zwischen linken und rechten Parteien unterscheiden sich auf Gemeindeebene noch weniger als auf nationaler. In den von den Verkehrsströmen in und aus der Hauptstadt stark belasteten Randgemeinden waren die Hauptthemen Transport, Kinderbetreuung, Bau und Instandsetzung von Infrastrukturen. Wobei jeder weiß, dass in punkto Verkehr der Einfluss der lokalpolitik begrenzt ist. Etliche Gemeinden hatten indes erheblichen Nachholbedarf beim Bau von Betreuungsstrukturen. Themen wie Wohnungsbau oder die zunehmende Verdrängung aufgrund der hohen Grundstückspreise spielten im Wahlkampf trotz weiter wachsenden Bevölkerungszahlen eine untergeordnete Rolle, respektive (déi Lénk ausgenommen, die außer in Hesperingen und Strassen in den Umland-Gemeinden gar nicht angetreten waren), tauchten als Slogans auf Wahlplakaten auf, ohne dass dies mit konkreten Projekten verbunden gewesen wäre.

Linke Politikkonzepte werden im nahen Umland der Hauptstadt sowieso mehrheitlich eher skeptisch beäugt oder ganz abgelehnt. Durch die Gemeindefinanzreform des LSAP-Innenminister Dan Kersch verlieren die finanzstarken Schlafgemeinden Einnahmen und müssen künftig höhere Beiträge an den Fonds de dotation globale des communes zahlen. Gleichwohl spielte das Thema keine so prägnante Rolle, wie man angesichts der Auswirkungen auf die Haushaltslage hätte meinen können. Lediglich in Leudelingen, die für 2015 2,7 Millionen und für 2016 nochmals fast 1,5 Millionen Euro an den Dotationsfonds zurückzahlen musste, hatte die alte und neue Bürgermeisterin Diane Feipel-Bisenius gegen die Rückzahlungen Klage erhoben. Ein Zug, der ihr im Wahlkampf zum Sieg verhalf.

Die Wahl in der Majorzgemeinde Leudelingen war insofern besonders, als die Gemeinderäte Pascal Calmus und Marcel Jakobs, obschon sie zuvor eng mit der Bürgermeisterin zusammengearbeitet hatten, mit einer eigenen Liste gegen die Liste von Feipel-Bisenius antraten. Zwei Amtsperioden als Gemeinderäte hatten gereicht, jetzt wollten sie mit aller Macht in den Schöffenrat. Als Zugpferd hatten sie Jean-Pierre Roemen, Sohn des verstorbenen beliebten Ex-Bürgermeisters Rob Roemen dabei. Die Rechnung ging nicht auf. Sie hatten die Beliebtheit ihrer Kontrahentin unterschätzt. Feipel-Bisenius liegt mit 538 Stimmen deutlich vor dem Zweitgewählten Thomas Berend und konnte nochmals fünf Sympathie-Prozentpunkte hinzugewinnen. Roemen junior schaffte auf Anhieb den Sprung in den Gemeinderat, musste jedoch Fußballfreund und Künstler Raphael Gindt mit fünf Stimmen mehr den Vortritt lassen. Bisenius’ Herausforderer Calmus und Jakobs, müssen erneut auf der Oppositionsbank Platz nehmen. Im beschaulichen Ort ist die Fehde nicht gut angekommen. Man liebt es in Schlafgemeinden eben ruhig.

Ines Kurschat
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