LEITARTIKEL

Methode Meisch

d'Lëtzebuerger Land du 20.11.2020

Nun ist der DP-Bildungsminister also doch zurückgerudert. Claude Meisch hat den umstrittenen Gesetzentwurf, der die Einstellungskriterien für Direktionsposten an spezialisierten Schulen neu festglegt und über den am Mittwoch in der Chamber abgestimmt werden sollte, zurückgezogen. Vorerst. Man wolle in Ruhe diskutieren, zu einem „konstruktiven Dialog zurückkehren“, hieß es in der am Montag versendeten ministeriellen Presseerklärung.

Das Gesprächsangebot zur Güte ist scheinheilig: Denn den Dialog verlassen oder besser: gar nicht erst zugelassen hatte der Minister selbst und nicht etwa diejenigen, die gegen den Entwurf Sturm liefen. Das wurden zum Schluss immer mehr: die Lehrergewerkschaften Feduse und SEW, die Beamtengewerkschaft CGFP. Aber auch die Oppositionsparteien stimmten im zuständigen parlamentarischen Schulausschuss geschlossen gegen den Schlussbericht. CSV-Fraktionschefin Martine Hansen, Ex-Direktorin der Ackerbau-
schule, nahm auf einer Pressekonferenz am Montag kein Blatt vor den Mund, sprach vom „Durchpeitschen“. Dass ein Schuldirektor künftig nicht alle drei Amtssprachen beherrschen, keinen Master vorweisen und keine Kenntnisse des Schulsystems oder pädagogische Erfahrung haben müsse, sei mit ihrer Partei nicht zu machen.

Eingehend diskutieren können hätte Meisch seine Pläne von Anfang an. Dazu hätte er nur den Entwurf nicht, wie geschehen, still und leise in den Sommerferien während der Corona-Pandemie dem Parlament vorlegen müssen, sondern den Text ganz offiziell den Schulakteuren vorher zusenden können. Das hat er nicht getan und dies aus gutem Grund: Dass die Schulleitungen aufgemacht werden für Bewerbungen aus der Wirtschaft, ist Programm und steht so bereits im Gesetz zum Schulobservatorium; dieselbe Öffnung sieht der Entwurf zur Rekrutierung künftiger Leitungen der Abteilung für die Koordinierung der pädagogischen und technologischen Forschung und Innovation (Script), des Lehrerweiterbildungszentrums Ifen und des Informatikzentrums CTIE vor. Sie prägt derselbe Geist der Liberalisierung: Zentrale Bereiche des Bildungswesens, die zuvor Beamten vorbehalten waren, werden für die Privatwirtschaft geöffnet. Das muss nicht per se schlecht sein, aber die unhaltbare Begründung, aus Mangel an Bewerbern die Öffnung vorzunehmen sowie die Schlechterstellung von Beamten (bei Bewerbern aus der Wirtschaft reicht ein Bachelor oder Meisterbrief, Staatsbeamte und Staatsangestellte, die sich bewerben wollen, müssen in der A-Karriere sein) setzen Meisch dem Verdacht aus, hier könnte es sich um eine Gefälligkeit für Parteifreunde oder treue Beamte handeln, denen der Minister mit einem lukrativen Posten die letzten Berufsjahre versüßen wolle. Auffällig war zudem, dass der Text so schnell verabschiedet werden sollte und die Stelle des im Dezember scheidenden Direktors der Erzieherschule bislang nicht ausgeschrieben ist.

Es nützt auch nichts, dass der Minister beteuert, sein Entwurf sei auf die vier spezialisierten Schulen, die Erzieherschule in Mersch, die Ackerbauschule in Ettelbrück, die Krankenpflegeschule in Luxemburg-Stadt und die Hotelschule in Diekirch, beschränkt: Im Motivenbericht steht klipp und klar, die Regelung könne auch auf weitere Schulen ausgedehnt werden. Dass das aller Voraussicht nach nicht geschieht, ist als Zugeständnis zu werten an die mächtige Beamtengewerkschaft CGFP, die am Dienstag kategorisch gegen das Vorhaben Stellung bezog. Auch dem roten Koalitionspartner soll die mögliche Ausweitung auf andere Schulen nicht gepasst haben; intern verständigte man sich offenbar darauf, den Passus aus dem Motivenbericht zu streichen. Intern wohlgemerkt, denn nach außen lässt man den Bildungsminister sein Gesicht wahren.

Dabei weiß inzwischen jede/r, der/die die liberale Bildungspolitik aus der Nähe verfolgt, dass Meischs Masche Methode hat: Betroffene (Schul-)Akteure und ihre Berufsverbände werden bewusst nicht konsultiert oder wenn, dann so spät informiert, dass es ihnen kaum mehr möglich ist, substanzielle Änderungswünsche vorzubringen, geschweige denn eine wirksame Gegenwehr zu organisieren. Dieses Mal ist es ihnen vereint geglückt.

Ines Kurschat
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