Johan Vanneste hat Ende Januar das Erbe von Fernand Brisbois angetreten und die Leitung von Lux-Airport übernommen. Im Land-Interview spricht er über Strategie und Prioritäten

Wir fangen gerade an

d'Lëtzebuerger Land du 01.08.2014

D’Lëtzebuerger Land: Herr Vanneste, vergangen Dezember hat der Verwaltungsrat von Lux-Airport eine „Flughafen-Strategie“ angenommen. Worauf beruht diese Strategie?

Johan Vanneste: Ausgangspunkt der Strategie ist es, die Einnahmen des Flughafens zu steigern, um finanziell etwas unabhängiger vom Staat zu werden. Wir versuchen derzeit eine Reserve anzulegen, um in der Zukunft größere Investitionen in die Infrastruktur stemmen zu können. Denn mit den steigenden Passagierzahlen darf der Staat solche Infrastrukturinvestitionen immer weniger bezuschussen.

Welche Großinvestitionen meinen Sie damit?

Wir glauben, dass es sinnvoller ist, die Terminals A und B durch einen Gebäudeausbau zu verbinden, statt wie ursprünglich geplant, durch einen einfachen Tunnel. Das wird einige Dutzend Millionen Euro kosten. Wir werden wahrscheinlich die Parkplatzflächen erweitern müssen, das könnte noch einmal soviel kosten. Außerdem werden wir ein Bürogebäude für die Administration de la navigation aérienne mitfinanzieren müssen, dessen Bau schon lange geplant ist.

Bis wann soll die Verbindung zwischen Terminal A und B stehen?

Idealerweise würden wir sie 2016 oder 2017 in Betrieb nehmen. Wenn die Passagierzahlen weiter wachsen wie bisher, werden wir 2016 die Drei-Millionenmarke und damit die maximale Kapazität von Terminal A erreichen. Wahrscheinlich wird die Anbindung etappenweise geschehen. In der Zwischenzeit gibt es Ideen, das Terminal B zu nutzen, aber dazu kann ich erst gegen Ende des Jahres mehr sagen.

Wie sollen diese Einnahmensteigerungen erreicht werden?

Die Strategie sieht drei Hauptentwicklungsbereiche vor: Das Parkplatzmanagement, die Werbetafeln sowie die Geschäfte, Restaurants und Cafeterias am Flughafen.

Sie haben vor wenigen Wochen einen „Billig“-Parkplatz in Betrieb genommen.

Das ist Bestandsteil besagter Strategie. Wir haben dadurch das Angebot um 1 300 Plätze erweitert und die Kosten sind sehr niedrig. Fünf Euro am Tag bei einer Parkdauer von mindestens drei Tagen oder 35 Euro die Woche. Das ist halb so viel, wie vorher das Parken im unterirdischen Parkhaus vor der Abflughalle gekostet hat. Außerdem haben wir die Parkplätze neu ausgeschildert und einen Sonderparkplatz für Luxair-Tours-Kunden eingerichtet, um erstens die Auswahl – insgesamt gibt es jetzt 7 400 Parkplätze – und zweitens den Komfort zu erhöhen.

Haben Sie einen neuen Betreiber für die Werbeflächen ausgesucht?

Wir haben eine Ausschreibung gemacht und die Resonanz war sehr groß, es sind viele Bewerbungen eingegangen und wir hoffen, im September eine Entscheidung zu treffen, wer für die kommenden zehn Jahre die Werbetafeln am Flughafen betreibt.

Welche Neuerungen sind in punkto Boutiquen und Restaurants zu erwarten?

Wir unterscheiden zwischen zwei Phasen. Erstens planen wir eine Neuausrichtung der Geschäftslokale im Bereich für die Fluggäste hinter den Sicherheitskontrollen. Mit Neuausrichtung meinen wir eine größere offenere Verkaufsfläche, durch die die Passagiere hindurchgehen, anstatt der einzelnen Boutiquen, die es derzeit dies- und jenseits des Korridors gibt, der zu den Gates führt. Zweitens wollen wir den Betrieb der Boutiquen neu ausschreiben.

Alle Boutiquen? Es gibt ja verschiedene Betreiber. Luxair beispielsweise betreibt die Buy bye Shops...

Wir haben verschiedene Möglichkeiten. Entweder suchen wir einen Betreiber für alle Geschäftsflächen und Restaurants aus. Oder wir vergeben die Flächen stückweise an verschiedene Firmen. Wir warten außerdem nicht den Ausgang der Ausschreibungen ab, um Verbesserungen vorzunehmen. Wir diskutieren über eine Erweiterung der Terrasse vor der Bäckerei in der Abflughalle und erweitern auch das Angebot und die Fläche des Cafés an den Flugsteigen. Das werden die Kunden schnell merken – das ist unser Anliegen: Die Servicequalität zu verbessern. Das betrifft auch andere Bereiche. Ich habe mich bei der Polizei und der Direction de l’aviation civile (DAC) dafür eingesetzt, dass die Passkontrollen vor den Sicherheitskontrollen abgeschafft werden. Zu Stoßzeiten gab es da mitunter Wartezeiten von über 20 Minuten. Wir waren der letzte Flughafen in Europa, wo es solche Passkontrollen noch gab, sie sind nicht obligatorisch. Seit sie abgeschafft sind, gibt es keine Wartezeiten mehr. Und die Polizei kontrolliert die Papiere der Fluggäste, die den Schengen-Raum verlassen, vor den Flugsteigen.

Welches ist denn derzeit das ertragreichste Geschäftsfeld für den Flughafen?

Das sind aktuell die Parkplätze.

Um wie viel wollen Sie die Einnahmen durch diese Neuerungen erhöhen?

Ich bin nicht befugt, Details der Strategie bekannt zu geben. Aber es ist einigermaßen substanziell.

Vergangenes Jahr sind erstmals mehr als zwei Millionen Fluggäste in Findel gezählt worden. Angesichts der zu erwartenden Entwicklung, die Sie vorhin dargestellt haben: Enthält ihre Strategie eine Zielvorgabe, was die Passagierzahlen betrifft?

Nein, es gibt kein konkretes Ziel. Wir fangen gerade erst mit der Arbeit an. Das heißt, der Flughafen hatte keine kaufmännische Abteilung. Wir haben jetzt einen kaufmännischen Abteilungsleiter eingestellt, er tritt seine Stelle zum 1. August an. Jérôme Le Bris hat vorher an den Flughäfen Marseille und Brest gearbeitet und er wird ein kleines Team aufbauen. Es wird Teil seiner Aufgaben sein, an großen Konferenzen teilzunehmen und Fluggesellschaften aufzusuchen, um sie davon zu überzeugen, neue Routen ab Luxemburg anzubieten. Bis jetzt wurde das von Lux-Aiport nicht gemacht.

Die Société de promotion pour le développement de l’aéroport unter Jeannot Erpelding hat diese Aufgaben in den vergangenen Jahren ein wenig übernommen.

Das stimmt. Jeannot Erpelding hat das mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, gut gemacht. Aber ich glaube, dass man diese Bemühungen mit denen einer kaufmännischen Abteilung mit einem Direktor, der Erfahrung darin hat, Flughäfen zu vermarkten und alle Gesellschaften kennt, nicht gleichsetzen kann.

Sie sagen, sie stehen ganz am Anfang dieser neuen Vorgehensweise. Heißt das, dass sie sich noch Ziele geben werden?

Nicht unbedingt – ich will weniger eine bestimmte Zahl an Passagieren erreichen als einen Flughafen schaffen, der langfristig die Ansprüche der nationalen Wirtschaft beziehungsweise der Großregion erfüllt. Einen Flughafen also, der eine Vielzahl von Anbindungsmöglichkeiten bietet, vor allem in Europa und wenn möglich direkt, und der den Kunden eine tadellose Qualität mit hochwertigen Einkaufsmöglichkeiten und ohne lange Warteschlangen bietet.

Sie gehen aber davon aus, dass 2014 2,5 Millionen Fluggäste den Flughafen nutzen. Angesichts dieser Entwicklung drängt sich auch ohne präzise Wachstumsvorgabe die Frage auf, ob sie eine Ausschreibung für einen zweiten Abfertigungsagenten vornehmen?

Die Frage ist tatsächlich brandaktuell. Ich habe zahlreiche Gutachten zur Frage eingeholt, ob wir einen zweiten handling agent brauchen oder nicht. Die Meinungen gingen auseinander – die einen besagten, dass laut EU-Regeln die Passagierzahlen während mindestens drei Jahren die Zwei-Millionen-Marke überschreiten müssen, bevor eine Ausschreibung obligatorisch wird. Aber die letzten Gutachten besagen alle das gleiche: Wir müssen noch dieses Jahr eine Ausschreibung vornehmen. Die endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen. Aber es wird sicher ein zweites Abfertigungsunternehmen nach Findel kommen.

Sie sind also zuversichtlich, dass es Interesse gibt?

Ich bin nicht nur zuversichtlich, es haben sich bereits große internationale Akteure bei uns gemeldet – ohne dass wir uns darum bemüht hätten. Im ersten Halbjahr 2014 haben wir 17 Prozent mehr Passagiere gezählt als noch im Vorjahr – im Januar sind wir von einem Wachstum von 15 Prozent ausgegangen. Die Zuwachsraten hier in Luxemburg sind deutlich höher als an anderen europäischen Flughäfen, und dieses Wachstum beschleunigt sich also noch. Das ist diesen Unternehmen nicht entgangen.

Für den Frachtbereich stellt sich die gleiche Frage wie für das Passagegeschäft: Haben Sie konkrete Wachstumsvorgaben festgelegt?

Das haben wir bisher nicht gemacht. Allerdings haben wir jetzt angefangen, mit Luxair Cargo und Cargolux im Team zusammenzuarbeiten. Das soll heißen: Vorher gab es drei Akteure, die nicht wirklich miteinander geredet haben. Wir hatten auf Initiative von Tom Weisgerber (Erster Regierungsrat im Infrastrukturministerium, Präsident des Verwaltungsrats von Lux-Airport sowie Mitglied in den Verwaltungsräten von Cargolux und Luxair, Anmerkung der Redaktion ) einen gemeinsamen Messestand bei der Air Cargo China im Juni in Shanghai. Daneben hatte Cargolux-Aktionär HNCA einen großen Stand. Das war eigentlich das erste Mal, dass der Flughafen gut mit den Operateuren zusammengearbeitet hat. Das hat funktioniert und ist gut angekommen. Deshalb haben wir beschlossen, diese Zusammenarbeit bei anderen Messen fortzusetzen.

Haben Sie denn greifbare Ergebnisse erzielen können?

Dafür ist es zu früh, aber es hat uns erlaubt, die Verantwortlichen des Flughafens Zhengzhou, von HNCA und den Gouverneur der Provinz Henan zu treffen, und wir sind zuversichtlich, dass wir gut zusammenarbeiten können und Cargolux von dieser Kooperation profitieren kann.

Werden Sie abgesehen davon als Flughafengesellschaft auf die Suche nach neuen Kunden, neuen Frachtgesellschaften gehen?

Luxair Cargo kennt dieses Geschäft sehr gut, deshalb werden wir uns in diesem Bereich eher nach Luxair Cargo richten und es gibt bereits mehrere Ideen, wie wir neue Kunden empfangen oder die Jubiläen von bereits vorhandenen Kunden feiern können, um unsere Frachtplattform zu vermarkten.

Luxair Cargo ist ein Frachtabwickler und das Frachtvolumen ist so hoch, dass nach europäischen Regeln und nachdem Swissport Findel vor ein paar Jahren verlassen hat, eigentlich ein zweiter Frachtabwickler gesucht werden müsste. Planen Sie eine neuerliche Ausschreibung?

Ich muss gestehen, dass ich dieses Dossier noch nicht ausreichend kenne, um zu kommentieren, weshalb etwa Swissport geschlossen hat oder weshalb sich bei der anschließenden Ausschreibung keine Firma gemeldet hat. Ich stelle aber fest, dass Luxair Cargo ein leistungsfähiger Frachtabwickler ist.

Ist Lux-Airport nicht verpflichtet eine Ausschreibung vorzunehmen?

Im Prinzip schon, aber es müssen sich auch Firmen dafür interessieren. Das konnte ich bisher nicht feststellen.

Abgesehen davon, dass 80 Prozent des Frachtvolumens von Cargolux generiert werden, an der Luxair eine Mehrheitsbeteiligung hält, dürfte ein Grund für das magere Interesse sein, dass ein zweiter Anbieter nicht über vergleichbare Strukturen wie Luxair Cargo verfügen kann. Die Frage lautet: Wo könnte sich ein neuer Konkurrent am Flughafen überhaupt niederlassen?

Das ist eine sehr triftige Frage (betrachtet die Luftaufnahme des Flughafens, das neben seinem Schreibtisch an der Wand hängt, Anmerkung der Redaktion).

Womit wir bei der Entwicklung des Flughafengeländes insgesamt wären. In ihrem Jahresbericht schreiben Sie, Sie wollen eine „wirkliche Immobilienpolitik“ umsetzen. Was muss man sich darunter vorstellen?

Wir besitzen eine ganze Reihe von Grundstücken, vor allem entlang der Trierer Straße, die wir bebauen können, entweder um Büroflächen zu erschließen oder neue Flughafenaktivitäten anzusiedeln, beispielsweise Hangars für die Unterbringung oder die Wartung von Privatjets. Die könnten wir vermieten, um wiederum unsere Einnahmen zu steigern. Es gibt viele Möglichkeiten und einige konkretere Ideen, zu denen ich mich derzeit allerdings noch nicht äußern kann.

Privatjets sind ein gutes Stichwort. Der General Aviation Terminal ist immer noch ein fensterloser Tunnel mit Teppichboden und drei Sesseln und nicht besonders schick. Wird sich daran etwas ändern?

Der GAT entspricht tatsächlich nicht dem Bild Luxemburgs und den dazugehörigen Ansprüchen. Als Zugezogener bin ich sehr beeindruckt von der Qualität der Luxemburger Infrastrukturen und angesichts dessen muss man sich für das GAT-Gebäude fast ein bisschen schämen. Aber es gibt fortgeschrittene Ideen, ein Terminal zu bauen, das dem Bild Luxemburgs entspricht. Das wird noch ein bisschen dauern und die Investoren müssen gefunden werden, aber ich glaube, das wird noch vor Ende dieses Jahrzehnts umgesetzt werden. Auf jeden Fall so schnell ich kann. Wir haben sehr viele Flugbewegungen in diesem Bereich. Vor allem während der europäischen Rats­tagungen kommen viele Privatjets herein.

Die Privatfliegerei haben Sie dennoch nicht als Teil ihrer Strategie zur Steigerung der Einnahmen erwähnt. Ist die Business Aviation nicht ertragreich für den Flughafen?

Wir werden einen Geschäftsplan für die Business Aviation entwickeln, mit qualitativ hochwertigen Dienstleistungen, eventuell neuen Hangars, um Flugzeuge hier zu stationieren und einem neuem Terminal, das auch Konferenzräume bietet, und ich bin überzeugt, dass das dies eine erfolgreiche Aktivität sein wird. Das ist ein Bereich mit Entwicklungspotenzial, der aber in der aktuellen Strategie noch nicht vorgesehen ist.

Michèle Sinner
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