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d'Lëtzebuerger Land vom 12.04.2024

Obwohl das Gesundheitsministerium vergangenes Jahr mehr als 18,3 Millionen Euro in Präventionsprogramme und die psychosoziale Unterstützung von erwachsenen Suchtkranken investierte, bleibt die lokale Implementierung schwierig, wie die Diskussion um einen dritten Konsumraum zeigt. Drei Anlaufstellen für Drogenabhängige bietet die Jugend- an Drogenhëllef (JDH) derzeit hier im Land an, in der Hauptstadt, in Esch/Alzette sowie in Ettelbrück. In Luxemburg und Esch gibt es eine „salle de consommation“, wo Suchtkranke in einem überwachten Raum und mit sterilem Material ihre Drogen konsumieren können. Aus gesundheitspolitischer Sicht wäre ein weiterer Konsumraum im Norden von Vorteil, sagt Ute Heinz, Direktorin der JDH. Im Moment ist der „Contact Nord“ an vier Tagen die Woche offen, bald an fünf, weil mehr Personal zur Verfügung gestellt wurde. Es gibt dort bereits steriles Injektionsmaterial und Beratungsangebote.

Bob Steichen, LSAP-Bürgermeister von Ettelbrück, schließt eine dritte sogenannte Fixerstuff, wie es sie in den anderen beiden Städten gibt, bisher kategorisch aus. Begründet hat er das am Dienstagmorgen im Radio 100,7 mit der Größe der Stadt, die derzeit noch unter 10 000 Einwohner/innenliegt. Mit einem Bus, der im Norden unterwegs ist und an Brennpunkten gezielt eingesetzt wird, ist der Ettelbrücker Bürgermeister einverstanden. Mehrmals wiederholte er, er sei Bürgermeister von Ettelbrück und müsse dort nach dem Rechten schauen. Er äußerte ebenso die Angst, dass ein solcher Raum mehr Drogenkriminalität anziehen könnte. Die geplante Nordstad-Fusion, die vor den nächsten Gemeindewahlen 2029 vonstatten gehen soll, würde die Gemeinden Bettendorf, Diekirch, Erpeldingen/Sauer, Schieren und Ettelbrück miteinander verbinden – und so in eine Gemeinde mit mehr als 25 000 Einwohner/innen verwandeln. Nach Esch/Alzette wäre das die viertgrößte „Stadt“. Diese Fusion befürwortet Bob Steichen.

Die Dezentralisierung der Drogenhilfe ist ein wünschenswertes, aber zähes Unterfangen. Konsumiert werde jedoch überall im Land, sagt Ute Heinz. „Die Menschen stellen sich unter einem Konsumraum oft eine Struktur im Sinne des Abrigado vor. Unsere Erfahrung in Esch/Alzette zeigt, dass sie auch diskreter sein kann und nicht automatisch zu weiteren Problemen wie einer Zunahme von Drogenkriminalität führt.“ Ohne die Gemeinden mit ins Boot zu holen, sei keine effektive Präventionsarbeit möglich. Doch es herrsche generell viel Unwissen über Suchterkrankungen in der Gesellschaft. „Niemand steht morgens auf und beschließt, drogenabhängig zu werden.“ Dass dennoch niemand die Misere vor der eigenen Haustür haben will, ist nicht neu. Die Ängste, die mit der Eröffnung einer Struktur für sicheren Drogenkonsum einhergehen, sind es auch nicht. Als die „Fixerstuff“ vor zwanzig Jahren in der Rue de Hollerich etabliert werden sollte, damals unter DP-Bürgermeister Paul Helminger, bestand die Angst, der Ort könne den Andrang von Drogenabhängigen „aus dem ganzen Land“ dorthin erhöhen. Es dauerte weitere vierzehn Jahre, bis der zweite Konsumraum in Esch/Alzette 2019 eröffnet wurde. Der DP-CSV Schöffenrat der Hauptstadt hat in seine Antrittserklärung hineingeschrieben, das Abrigado müsse „im Sinne einer nationalen Dezentralisierung“ anders gedacht werden. Papier ist geduldig.

Sarah Pepin
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