Land-Karikaturist Alphonse Deloos

Der Chronist der Werner-Ära

d'Lëtzebuerger Land du 17.08.2018

1959 fanden vorgezogene Neuwahlen statt. Als Nachfolger des nach nur einjähriger Amtszeit verstorbenen CSV-Premiers Pierre Frieden bildete der bisherige CSV-Finanz- und Armeeminister Pierre Werner eine Koalition mit den Liberalen, die sich wenige Jahre zuvor zu einer modernen Partei vereinigt hatten, der DP. Bis auf eine bemerkenswerte Unterbrechung sollte Pierre Werner während eines Vierteljahrhunderts regieren, als unzugänglicher, konservativer Patriarch des CSV-Staats während des Kalten Kriegs, der wirtschaftlichen Modernisierung, der europäischen Integration, der Jugendrevolte und der Stahlkrise.

Ebenfalls im Jahr 1959 hatte der Escher Gemeindepolitiker und spätere DP-Abgeordnete René Mart dem Herausgeber des Lëtzebuerger Land, Leo Kinsch, den Arbed-Angestellten Alphonse Deloos vorgestellt. Leo Kinsch hatte in einer Wahlkampfbroschüre der Escher DP Karikaturen von „Foos“ Deloos gesehen und offenbar dessen Talent erkannt. So bot er dem 44-jährigen Freizeitkarikaturisten an, neben Pe’l Schlechter für seine Wochenzeitung zu zeichnen. Erst sporadisch, dann regelmäßig lieferte Deloos zwei politische Karikaturen für jede Ausgabe, oft für die Titelseite und die satirische letzte Seite d’Ländchen.

Als der während der Stahlkrise in den Vorruhestand versetzte Foos Deloos schließlich im Dezember 1982 seine letzten Karikaturen veröffentlichte und sich ins sonnige Südfrankreich zuzückzog, hatte er vielleicht 2 000 Zeichnungen geschaffen. Der treue Arbed-Angestellte war stolz darauf, in all den Jahren niemals ausgefallen zu sein. Im Dezember 1983 kündigte auch Pierre Werner an, aufzuhören. So war Foos Deloos der Chronist der Werner-Ära geworden, der Woche für Woche ihre Siege und Niederlagen zeichnete. Darunter auch ihre größte Niederlage, ihre Unterbrechung durch die dem liberalen Zeichner wohl nicht unsympathische DP/LSAP-Koalition von 1974 bis 1979. Noch heute fragen Autoren von Artikeln und Büchern über diese Ära beim Lëtzebuerger Land nach den Bildrechten für Karikaturen von Foos Deloos.

Es gibt Pressekarikaturisten, die ihre Freiheit verteidigen, ihre Themen selbst festzulegen und grafisch umzusetzen, und solche, die sich auf Vorschläge der Redaktion verlassen. Foos Deloos machte es „schnell Spaß, die vom Herausgeber oder einem Redakteur vorgeschlagenen Themen – vorzugweise aus der nationalen Politik – bildhaft umzusetzen. ‚In späteren Jahren kam es auch oft vor, daß ich das Thema für die Ländchen-Karikatur selbst auswählen durfte, oder auswählen mußte. Dann saß ich mehr denn einmal abends vor einem weißen Blatt und zerbrach mir vergeblich den Kopf, so daß ich morgens um vier aufstehen mußte, um mich wieder an die Arbeit zu machen’“ (d’Land, 18.3.1994).

So erzählen seine Zeichnungen, wie die Artikel im Lëtzebuerger Land, viel von den Rivalitäten zwischen den Koalitionspartnern, dem Streit und der Spaltung der LSAP, den Regierungskrisen, den internationalen Ambitionen der Staatsminister, dem ständigen Kampf gegen die Inflation und gegen das Haushaltsdefizit, aber auch von der Erdölkrise und der Stahlkrise, der Entwicklung des Bankensektors, der Abschaffung des obligatorischen Militärdienstes, der Neuorientierung der Agrarpolitik, der großen Steuerreform und dem geplanten Bau eines Atommeilers. Die damaligen Feindbilder der Zeitung und ihres Karikaturisten waren dieselben: die Staatsbeamten, die Eisenbahner und die Bauern, die den Steuerzahler anscheinend viel zu viel kosteten, manchmal auch klerikale Obskurantisten. Zur Chronik gehörten die großen und kleinen Skandale, die Baustellen in der Hauptstadt und der Bau der ersten Autobahnen. Öfters kommentierte der Zeichner die internationale Politik wie den Sechstagekrieg und den Watergate-Skandal.

Wie einige hundert, durch Vermittlung des ehemaligen Redakteurs Rosch Krieps im Besitz des Lëtzebuerger Land befindlichen Originale zeigen, skizzierte Foos Deloos seine Karikaturen mit dem Bleistift auf DIN A4-Blätter vor und zeichnete sie dann mit der Tuschefeder aus. Anders als die pummeligen Knollennasenmännchen seines Nachfolgers Roger Leiner hatten seine unverkennbaren Zeichnungen oft etwas nervös Spitzes und Kantiges, waren in seinen besten Arbeiten auf einige wenige, fast kaligrafische Striche reduziert. Meist unterzeichnete er mit „Defo“, Zeichnungen, auf die er anscheinend besonders stolz war, auch mit „Alphonse“.

Foos Deloos, der ab 1976 im Impressum des Lëtzebuerger Land aufgeführt wurde, illustrierte auch verschiedene Bücher von Land-Mitarbeitern, wie Scharff Gewürzt von Ländchen-Autor Nic Scharff (1971), Anekdotische Reisen durch Luxemburg von Land-Gründer Carlo Hemmer (1981) und Der Bürger im Staat von Marcel Engel (1995). Das Escher Stadttheater widmete Foos Deloos vom 5. bis 21. November 1982 eine Ausstellung seiner Karikaturen. Die Altstadtansichten und anderen Gemälde, die er während seines Ruhestands malte, wollte er nie ausstellen. Er verstarb am 21. Januar 2015 im Alter von 89 Jahren.

Romain Hilgert
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