Einer der größten Immobilienbesitzer will nicht wissen, wie reich er ist

Der Süden ist rot

Generalvikar Leo Wagener, der Präsident und der Geschäftsführer des Kirchenfonds, Norbert Haupert und Philip Mauel
Photo: screenshot/cathol.lu
d'Lëtzebuerger Land du 07.06.2019

Barsch wies Generalökonom Marc Wagener am Dienstag die „Erwartung“ zurück, „dass wir Ihnen den Wert des Immobilienportefeuilles heute mitteilen“. Das Bistum wollte diese Woche Aufschluss über den Stand des vor einem Jahr geschaffenen Kirchenfonds geben. Es hütete sich aber, dabei von einer „Bilanz“ zu sprechen.

Der Kirchenfonds ist einer der größten und reichsten Immobilienbesitzer des Landes. Ihm gehören derzeit laut eigenen Angaben 135 Kirchen und Kapellen, 160 Büro-, Versammlungs- und Wohngebäude, 1 500 Hektar Ackerland, Weiden, Gärten und Grundstücke sowie 408 Hektar Wald.

Was dieser Besitz in einem Land des ständigen Immobilienbooms wert ist, sei „eine Information, die für uns absolut keine Relevanz hat“, meinte der Generalökonom, den sich das Bistum 2015 bei Heintz van Landewyck geholt hatte. Marc Wagener hat den Auftrag, die Kirchengelder rentabler zu verwalten, seit die liberale Regierungskoalition das Bistum privatisierte, aus den verbeamteten Pfarrern Privatangestellte machte und die Gemeinden nicht mehr zum Unterhalt der Kirchen verpflichtete.

Diese Trennung von Kirche und Staat ist die symbolträchtigste Reform, mit der DP, LSAP und Grüne in die Geschichte eingehen werden. Denn sie sägte an der einst so soliden klerikalen Stütze des CSV-Staats, der für die Steuerzahler kostspieligen Symbiose von Staat, Bistum, CSV, Religionsunterricht, kirchlichen Vereinen und Luxemburger Wort. Das Ergebnis der Landeswahlen im Oktober zeigte, dass eine Mehrheit der Wähler diese Reformen unterstützt. Weil die Regierung mit der Drohung eines Referendums den kirchenintern viel kritisierten Erzbischof Jean-Claude Hollerich und seinen damaligen Generalvikar Erny Gillen dazu gebracht hatte, mitzuspielen, bleibt der CSV wenig Spielraum für Kulturkampf. Während einige Ultras ehemaliger Kirchenfabriken noch immer gegen ihren Erzbischof prozessieren, ist der ehemalige CSV-Abgeordnete Norbert Haupert Präsident des Kirchenfonds.

Anfang vergangenen Jahres hatte das Parlament den Höhepunkt dieser Reformen verabschiedet, das „Gesetz über die Verwaltung religiöser Bauten und andere Güter des katholischen Kultus sowie über das Verbot der Finanzierung der Kulte durch die Gemeinden“. Trotz einiger Zugeständnisse im letzten Augenblick hat das Bistum der Regierung nicht verziehen.

Der Kirchenfonds veröffentlichte im Internet eine Landkarte der öffentlichen Kirchen und Kapellen. Darauf sind die Kirchen in Gemeindebesitz grün eingetragen und die zum Nießbrauch überlassen Biens de la cure blau. Die Kirchen im Besitz des Fonds sind dagegen nicht ganz unschuldig rot gekennzeichnet. So kann Generalvikar Leo ­Wagener gleich auffallen, „dass der Süden des Landes ziemlich rot eingefärbt ist. Das heißt, dass viele Kirchen im Besitz des Kirchenfonds sind“. Eine Reihe Südgemeinden habe wohl „nicht mordicus darauf gehalten, eine Kirche in ihrem Besitz zu halten“, anders als viele konservative ländliche Gemeinden. „In wie fern man hier auch von einer politischen Karte reden kann, sei dahingestellt“, stichelte der Generalvikar.

Für Generalökonom Marc Wagener scheint es an Christenverfolgung zu grenzen, dass einer der größten Immobilienbesitzer des Landes einen externen Buchprüfer verpflichten muss. Denn Vereine und Stiftungen hätten „absolut keine Verpflichtung, einen Buchprüfer zu haben“, das Bistum erfahre „auch hier, wie so oft, eine Transparenz- und externe Kontrollsituation des Kirchenfonds, die absolut nicht üblich ist in Luxemburg“.

Auch dass der Fonds 1 000 bis 2 500 Euro Jahresmiete für zum Messdiest verwendete Kirchengebäude in Gemeindebesitz zahlen soll, ist für Generalvikar Leo Wagener eine „europaweit einzigartige“ Nutzungsgebühr, die „vor allem auf den Wunsch von Minister Kersch zurückgeht“, des damaligen Innenministers vom linken LSAP-Flügel. Bisher seien 18 solcher Konventionen, mit denen Gemeinden 22 Kirchen überlassen, vom Bistum gutgeheißen, neun weitere begutachtet, aber noch nicht abgeschlossen. Gespräche mit der Stadt Luxemburg über 21 Kirchen würden gerade geführt. Für den Generalvikar belegen diese Zahlen, „dass es bisher keinen Rush auf Konventionen gibt“ zur Miete von „Kirchen, die der Gemeinde zwar gehören, aber für die Generationen von Gläubigen gespendet und sie zum Teil mit unterhalten haben“.

Bei einem Anlaufverlust von 2,5 Millionen Euro fasst Präsident Norbert Haupert einen Zweck des Fonds zusammen: „Wir sind bemüht, zu schauen, unserer Güter, die wir besitzen, so zu verwerten, dass wir in Zukunft mehr Einnahmen zählen können und wir im Grunde mit diesen Einnahmen, auch nachdem wir die Schuld oder die Zinsen der Schulden beglichen haben, funktionieren können.“ Deshalb besitzt der Kirchenfonds 35 Wohnungen zu ermäßigten Preisen, 85 weitere sind im Bau und über 250 in Planung, wovon 147 bereits einen Zuschuss vom Wohnungsbauministerium zugesichert bekamen. Denn wenn der Kirchenfonds Wohnungen baut, trägt der Staat 75 Prozent der Kosten. Die 35 bestehenden Wohnungen kosteten den Fonds beispielsweise drei Millionen Euro, 5,5 Millionen schoss die öffentliche Hand zu. Allerdings entsprechen die Mieten dieser bezuschussten Wohungen nicht immer dem für Sozialmieten vorgeschriebenen Satz (d’Land, 11.1.2019). Vorwürfen, das Bistum würde sich auf Kosten von Sozialmietern sanieren, versuchte der Geschäftsführer des Fonds, Philip Mauel, indirekt zu entkräften: „Die durchschnittliche jährliche Mieteinnahme zugunsten des Kirchenfonds im Rahmen dieser Entwicklung der projets à coût modéré erreicht schwerlich ein Prozent.“

Die Vermögensverhältnisse der katholischen Kirche verlieren sich im Dunkel der Zeit, und weder Staat noch Kirche bemühten sich, hineinzuleuchten. Über die wenigsten Kirchen bestehen notarielle Akte oder andere Besitzurkunden. Im Kataster steht oft „Le Presbytère“, weil sie zum Pfarrhaus gehörten, nicht weil sie ihm gehörten. Manche Kirchenfabriken stellten sich als Eigentümer dar, obwohl sie nur Verwalter waren. Die Gesetzesreform vom vergangenen Jahr kam dem Bistum insofern entgegen, als dass sie „pragmatisch“ sein sollte, statt Klarheit zu schaffen. Wenn keine Besitzurkunden vorlagen, forderte sie die Gemeinden und ihre Kirchenfabriken auf, in einer Konvention festzuschreiben, wer Eigentümer ist. Was zu der skurrilen Situation führte, dass eine Partei, die keine Besitzansprüche anmelden konnte, der anderen Partei, die keine Besitzansprüche anmelden konnte, eine Immobilie schenkte, die ihr nicht gehörte. Doch selbst in den Fällen, da eine rechtmäßige Eigentümerin feststand, brauchte keine richtige Schenkung stattzufinden, um nicht eine Schenkungsurkunde mit der Angabe des Werts der Immobilie ausstellen zu müssen. So dass ein Teil der Immobilien erst durch das Gesetz Besitzer fand, die gleichzeitig enteignet wurden. Um die Enteignung der Nichtbesitzer zu ermöglichen, mussten Regierung und Staatsrat plötzlich feststellen, dass die gerade abgeschafften Kirchenfabriken Einrichtungen öffentlichen Rechts waren wie nun der Nachfolger Kirchenfonds. Das Ergebnis all dieser juristischen Fiktionen ist, dass der Wert der Immobilien bis heute nicht bestimmt werden musste.

Es sei eine „im Kirchenrecht vorgesehene Herangehensweise, Güter so lange wie möglich zu halten, Jahrzehnte oder länger“, betonte Generalökonom Marc Wagener. Deshalb will der Fonds nur ganz ausnahmeweise Güter verkaufen. Dadurch dürfte das Fondsvermögen in Zukunft noch zunehmen, wenn weiterhin fromme Privatleute dem Fonds Schenkungen machen, Gemeinden dem Fonds Kirchen überlassen und weiter in den Bau bezuschusster Wohnungen investiert wird. Gleichzeitig dürfte der Fonds auch von dem hohen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum und den niedrigen Zinsen profitieren, die die Immobilienpreise weiter in die Höhe treiben und so auch den Wert seines Immobilienbesitzes vergrößern wird.

Der Fonds, der durch Gesetz eine öffentliche Einrichtung ist, muss laut Artikel fünf eine gewerbliche Buchführung haben, die von einem zugelassenen Buchprüfer kontrolliert wird. Allerdings gilt dies erst ab dem Geschäftsjahr 2021. Bis dahin genügt es, wenn er seine Eingaben und Ausgaben auflistet. Allerdings stellt sich übernächstes Jahr die Frage, wie der Fonds eine ordentliche Bilanz vorlegen soll, wenn er sein Immobilienvermögen nicht unter den Aktiva aufführen will. Generalökonom Marc Wagener kündigte am Dienstag zum Thema Bewertung des Immobilienbesitzes trotzig an: „Wir werden auch in Zukunft, weil wir ganz begrenzte Ressourcen haben, keine Budgets vorsehen, seien es Zeit- oder Geldbudgets, um diese Informationen zu produzieren. Aus einem ganz einfachen Grund, weil diese Informationen keinen Nutzen haben.“

Eine Bewertung des Immobilienfonds drohte nicht nur Wasser auf die Mühlen der unbelehrbaren Kirchenfeinde zu treiben, die dem vom Luxemburger Wort und den Immobilienfirmen Lafayette und Maria Rheinsheim finanzierten Bistum nicht abnehmen wollen, dass es arm wie eine Kirchenmaus ist. Das Bistum, das angesichts rückläufiger staatlicher Subventionen vermehrt auf fromme Spenden zurückgreifen will, befürchtet, dass viele Spender entmutigt würden, wenn sie erführen, wieviel der Kirchenfonds wert ist. Und Anhänger des heiligen Franziskus könnten sogar die schwer abzuweisende Forderung erheben, wenigstens die nicht sakral genutzten Gebäude, Grundstücke, Wiesen und Wälder zu verkaufen, um den Armen zu helfen.

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Romain Hilgert
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